Kirchlein am Meer (Husum)
Das Kirchlein am Meer ist eine frühgotische Backsteinkirche des 13. Jahrhunderts in Schobüll, einem Ortsteil von Husum in Schleswig-Holstein.
Geschichte
Das sogenannte Kirchlein am Meer wurde in der Mitte des 13. Jahrhunderts errichtet und war wohl zunächst eine zum Kirchspiel Hattstedt gehörige Kapelle. Der Legende nach soll sie von drei Jungfrauen als Missionskirche gestiftet worden sein. Erstmals urkundlich erwähnt wird die Kirche 1352 mit dem lateinischen Namen parochia beate virginis, sie war also ursprünglich eine Marienkirche. Statt nach dem Patrozinium wurde sie in späteren Dokumenten nur als ecclesiola sub mare (Kirchlein am Meer) bezeichnet.[1] Sie befindet sich am Fuße des „Schobüller Bergs“, einem der höchsten Punkte der schleswig-holsteinischen Nordseeküste,[2] und diente lange als Seezeichen für nach Husum einfahrende Schiffe.
Der hohe gotische Turm stürzte im Jahre 1780 ein und wurde bis 1785 in verkürzter Form neu aufgebaut und 1896 umgestaltet.[3]
1972/1973 wurde die Kirche umfassend restauriert.[3] Bei einer Innensanierung im Jahr 2020 wurden die alten Farbschichten an den Wänden entfernt und durch eine einheitlich weiße Schlämmung ersetzt.[4]
Die Kirche gehört zum Kirchenkreis Nordfriesland in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland.
Architektur
Die in etwa geostete einschiffige Kirche ist im Ortszentrum am Geestrand inmitten des Friedhofs aus roten Backsteinen errichtet. Der langgestreckte Rechteckchor ist gegenüber dem Kirchenschiff eingezogen und hat ein niedrigeres Satteldach. Das Giebeldreieck wird durch eine Rundbogenblende im Fischgrätenverband verziert. Der Chor wird im Norden und Süden durch je zwei schmale Spitzbogenfenster belichtet; die beiden Ostfenster sind vermauert, ebenso wie die ursprüngliche Priesterpforte an der Südseite. Unterhalb der Traufe ist ein Winkelfries angebracht. Die Südwand des Chors ist von einer Lepraspalte[5] durchbrochen, einer heute vermauerten, aber von innen wie außen erkennbaren Öffnung, die Aussätzigen eine Teilnahme am Gottesdienst ermöglichte.
Das kurze Langhaus wird ebenfalls von einem Satteldach mit roten Ziegeln bedeckt. An der Nordseite sind unter dem Klötzchenfries zwei hochsitzende Spitzbogenfenster erhalten, die Südseite hat zwei Rundbogenfenster. Im Westen der Langseiten sind die beiden gestuften Rundbogenportale unter einer Hufeisenblende in einer Spitzbogenblende heute vermauert.[6]
Der Westbau aus derselben Zeit nimmt im Untergeschoss dieselbe Breite wie das Schiff ein und erhebt sich im unteren Bereich über großen Granitquadern. In mittlerer Höhe leiten zwei Pultdächer im Norden und Süden zum quadratischen Turmstumpf über, der 1785 neu aufgeführt wurde. Er dient als Glockenstube und erreicht seitdem nur noch die Höhe des Dachfirstes vom Kirchenschiff. Das stumpfe Faltdach wird von einem Turmknauf, Kreuz und Wetterfahne bekrönt. Pultdächer und Faltdach sind mit Eichenschindeln gedeckt. Das Stichbogenportal an der Südseite des Turm wurde wie die Rundbogenfenster im Norden und Süden 1896 geschaffen.[7] Die Westseite ist fensterlos. Die Eisenanker zeigen das Jahr 1785 der Turmerneuerung an.
Ausstattung
Der Innenraum wird von einer flachen Holzbalkendecke abgeschlossen. Ein Spitzbogen öffnet den Chor zum Schiff.
Altar
Der Altartisch wurde Ende des 15. Jahrhunderts aufgemauert und mit einem selten so schön erhaltenen Antemensale aus Maßwerkbogen und rotierenden Rosetten versehen. Der Altaraufsatz wurde um 1470 und die Kreuzigungsgruppe über dem Retabel um 1300 geschaffen.[7] Der Gekreuzigte trägt statt einer Dornenkrone Tauwerk um den Kopf. An der Nordwand hängt ein Figurenfries, der die zwölf Apostel sowie Johannes der Täufer und Maria Magdalena zeigt. Die 14 Figuren gehörten möglicherweise ursprünglich zum Altar, fanden aber in einem Gehäuse von 1703 ihren Aufstellungsort, nachdem der ausgeräumte Altar 1638 Gemälde erhalten hatte. Das zentrale Bild zeigt die Abendmahlsszene, auf den Seitenflügeln werden die Ölbergszene und die Auferstehung dargestellt und auf der Predella die Anbetung der Hirten.[7]
Taufe
Der achteckige pokalförmige Taufstein im spätgotischen Stil aus dem 15. Jahrhundert ist aus importiertem Namurer Marmor gefertigt. Er soll im Jahr 1675 aus einer anderen Kirche übernommen worden sein, möglicherweise von der Insel Strand, die 1634 der Burchardiflut zum Opfer fiel.[8] Der Taufdeckel wurde 1703 geschaffen.[7]
Eine Besonderheit ist neben dem Taufstein ein Handtuchhalter aus dem 17. Jahrhundert, der im Giebelrelief die Taufe Christi zeigt.
Kanzel
Die reich geschnitzte eicherne Kanzel von Jens Süncksen aus Langenhorn im Stil der Régence stammt aus dem Jahre 1735. Die Brüstungsfelder werden durch Konsolen mit Figuren gegliedert, die am Emporenzugang Adam, Mose und Johannes den Täufer und am gerundeten Kanzelkorb Jesus, die Evangelisten mit ihren Evangelistensymbolen und Luther darstellen. Der profilierte Schalldeckel hat an der Unterseite eine Taube als Symbol für den Heiligen Geist, auf ihm stehen Putten mit Marterwerkzeugen.
Triumphkreuz
Die lebensgroße geschnitzte Kreuzigungsgruppe über dem Chorbogen aus dem späten 13. Jahrhundert zeigt Johannes und Maria mit Heiligenscheinen vor Rückbrettern.[7]
Weitere Ausstattung
1701 wurde der Kronleuchter von Deichgraf Matz Fredies gestiftet. Das Kirchengestühl mit geschnitzten Wangen aus dem 16. und 17. Jahrhundert lässt einen Mittelgang frei.[6] Das Chorgestühl ist mit den Jahreszahlen 1708, 1710 und 1725 bezeichnet.[7]
Orgel
Die Westempore, die als Orgelempore dient, ist mit der Jahreszahl 1703 bezeichnet. Geschmückt ist sie mit Bildern aus dem Alten und Neuen Testament. Die heutige Orgel wurde 2002 von Jehmlich Orgelbau Dresden mit zweigeteiltem Prospekt erbaut. Das Schleifladen-Instrument hat 18 Register auf zwei Manualen und Pedal. Die Trakturen sind mechanisch.[9]
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- Koppeln: II/I, I/P, II/P
Einzelnachweise
- Hemming von Rumohr: Dome, Kirchen und Klöster in Schleswig-Holstein und Hamburg nach alten Vorlagen. Weidlich, Frankfurt am Main 1962, S. 79.
- nordseepresse.de: Ecclesiola sub mare – die „Kleine Kirche am Meer“ in Schobüll, abgerufen am 20. Juli 2019.
- Reinhardt Hootz (Hrsg.): Deutsche Kunstdenkmäler Teil: Hamburg, Schleswig-Holstein. Deutscher Kunstverlag, München 1981, ISBN 3-422-00373-8, S. 421.
- Husumer Nachrichten vom 19. November 2018: Kirchlein am Meer in Schobüll vor großer Sanierung, abgerufen am 20. Juli 2019.
- Bild der Lepraspalte am Chor
- Hans-Herbert Möller (Hrsg.): Niedersachsen, Hansestädte, Schleswig-Holstein. Kunstdenkmäler und Museen (= Reclams Kunstführer Deutschland. Band 5). Reclam, Stuttgart 1984, ISBN 3-15-008473-3, S. 551.
- Habich, Grötz (Bearb.): Dehio-Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Hamburg, Schleswig-Holstein. 2009, S. 888 f.
- So die Beschreibung auf pedestrial.de; abgerufen am 19. Juli 2019.
- Informationen zur Orgel, abgerufen am 19. Juli 2019.
Literatur
- Kirchenführer der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Schobüll.
- Johannes Habich, Susanne Grötz (Bearb.): Dehio-Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Hamburg, Schleswig-Holstein. 3. Auflage. Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 2009, ISBN 978-3-422-03120-3, S. 888 f.
- Heinrich Brauer u. a.: Die Kunstdenkmäler des Kreises Husum. Deutscher Kunstverlag, Berlin 1939, S. 230–235 (mit Abb.).