Kastus Kalinouski
Wincenty Konstanty Kalinowski (* 21. Januarjul. / 2. Februar 1838greg. in Mostowlany bei Grodno; † 10. Märzjul. / 22. März 1864greg. in Wilna) war ein Adeliger und eine der führenden Persönlichkeiten der belarussischen nationalen Befreiungsbewegung um die Mitte des 19. Jahrhunderts, Anführer des Januaraufstandes 1863–64 im Gebiet des früheren Großfürstentums Litauen, sowie Publizist und Dichter. Kalinouski bezeichnete sich selbst als Litauer, sprach jedoch belarussisch.[1]
Kyrillisch (Belarussisch) | |
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Кастусь Каліноўскі | |
Łacinka: | Kastuś Kalinoŭski |
Transl.: | Kastus' Kalinoŭski |
Transkr.: | Kastus Kalinouski |
Kyrillisch (Russisch) | |
Константин Семёнович Калиновский | |
Transl.: | Konstantin Semënovič Kalinovskij |
Transkr.: | Konstantin Semjonowitsch Kalinowski |
Leben
Kalinouski besuchte eine Schule des niederen Adels in der Stadt Swislatsch, die er 1855 abschloss. Er beendete 1860 sein Studium an der Universität von Sankt Petersburg als Doktor der Rechtswissenschaften. 1861 kehrte er nach Belarus zurück, konnte aber, da er als „politisch unzuverlässig“ galt, keine Arbeit finden. In dieser Zeit auch schuf er gemeinsam mit anderen eine demokratisch ausgerichtete revolutionäre Organisation.
Insbesondere in der Region Hrodna rief Kalinouski aktiv zum Kampf gegen Autokratie und Leibeigenschaft auf. Er wendete sich gegen die Ausbeutung und Unterdrückung des Volkes durch zaristische Bürokraten.[2] Von 1862 bis Anfang 1863 gab er gemeinsam mit seinem Freund Walery Antoni Wróblewski und dem belarussischen Dichter Feliks Raschanski die in Weißrussland legendär gewordene Zeitschrift „Мужыцкая праўда“ (dt. „Die Bauernwahrheit“) heraus, die verboten war und revolutionär-demokratische Ansichten vertrat. Obwohl von dieser Zeitschrift nur sieben Ausgaben erschienen, hatte sie einen entscheidenden Einfluss auf die Herausbildung einer nationalen Befreiungsbewegung und damit auch für den Januaraufstand. Kalinouski war Autor der meisten Artikel, aber auch Redakteur der Zeitschrift.
Im Januar 1864 wurde er verhaftet und im März desselben Jahres in Wilna hingerichtet.
Werk
Noch während seiner Haft schrieb Kalinouski sein politisch-ideologisches Vermächtnis nieder. Diese Texte konnten aus dem Gefängnis herausgeschmuggelt werden und gingen unter dem Titel „Лісты з-пад шыбеніцы“ (dt.: Briefe von unter dem Galgen) in die belarussische Kulturgeschichte ein.
In seinen Arbeiten schilderte Kalinouski die ausgesprochen schwierige soziale Lage der belarussischen Bauern und machte auf das Unrecht der Leibeigenschaft aufmerksam. Kalinouski setzte sich für den Aufbau einer völlig neuen staatlichen Ordnung ein, und zwar in Unabhängigkeit vom Russischen Zarenreich; dabei ging er von dem Grundsatz aus, dass allein durch die vollständige Befreiung des Volkes Gerechtigkeit und Wohlstand hergestellt werden könnten. Kalinouski unterstrich zudem die Bedeutung, die einer Schulbildung, aber auch einer höheren Bildung in der Muttersprache (hier also in dem zu dieser Zeit im Zarenreich verbotenen Belarussischen) für die Neugestaltung der Gesellschaft zukam, so wie er sie sich wünschte.
Kalinouski unterstrich in seinen literarischen Arbeit die Notwendigkeit, alle Völker der ehemaligen Republik Polen-Litauen von der russischen Besatzung zu befreien und die belarussische Sprache zu bewahren und zu fördern. Er verwies auch auf die Traditionen der Demokratie, Toleranz und Freiheit, von welcher aus seiner Sicht die Republik Polen-Litauen beeinflusst gewesen sein soll:
„Während der polnische Rat allen brüderlichen Völkern Selbsthilfe leistet, tut der Moskauer dies nicht nur nicht, sondern auch dort, wo Polen, Litauer und Weißrussen lebten, gründet er moskowitsche Schulen, und in diesen Schulen unterrichten sie in moskowitscher Sprache, wo sie nie auch nur ein Wort hören werden auf Polnisch, auf Litauisch oder auf Belarussisch [...]“
„Vom Galgen aus schreibe ich Euch, dem Volk, dass Ihr nur glücklich werdet, wenn über Euch nicht mehr Moskau sein wird.“
Nachwirkung
Kalinouskis Veröffentlichungen hatten einen großen Einfluss auf die Entwicklung der belarussischen Sprache sowie auf den belarussischen Nationalismus.[2] Im Jahr 1928 erschien der Stummfilm Kastus Kalinouski, der an den Revolutionär erinnert und bei dem Wladimir Rostislawowitsch Gardin Regie führte.[6] Unter Josef Stalin wurde Kalinouski als bürgerlicher Nationalist verleumdet, was dazu führte, dass sämtliche Referenzen zu ihm aus den Lehrbüchern gestrichen wurden. Später wurde er in der Sowjetunion als revolutionärer Demokrat rehabilitiert. In der Folge wurden einige Straßen nach ihm benannt und Kunstwerke zu seinen Ehren erschaffen. Die Regierung von Präsident Aljaksandr Lukaschenka versucht die Wichtigkeit Kalinouskis für die Geschichte von Belarus herunterzuspielen und stellt ihn als antirussischen Extremisten dar. Während der Proteste im Zuge der Präsidentschaftswahl in Belarus 2006 benannten die Demonstranten den Oktoberplatz in Minsk symbolisch um in Kalinouskiplatz.[2]
- Belarussische Gedenkbriefmarke zu Ehren von Kalinouski (1993)
- Gedenkstelle am Ort der Hinrichtung Kalinouskis in Vilnius, Litauen
- Gedenkstelle am Ort der Hinrichtung Kalinouskis in Vilnius, Litauen
- Denkmal zu Ehren Kalinouskis in Mostowlany, Polen
Weblinks
- Informationen zu Kalinouski von der Gesellschaft für belaruss. Sprache (belarussisch)
- Kurzbiographie Kalinouski (belarussisch)
- biographischer Abriss (englisch)
Einzelnachweise
- Dirk Holtbrügge: Weißrußland. 2. Aufl., München, Beck, 2002. S. 36
- Vitali Silitski, Jan Zaprudnik: The A to Z of Belarus. Scarecrow Press, 2010, ISBN 978-0-8108-7200-4. S. 166f.
- Пісьмы з-пад шыбеніцы
- Kastus Kalinouski (1838-1864)
- Zitiert nach Felix Ackermann: „Die Republik Belarus ist mehr als Weissrussland. Und ihre Eigenständigkeit beginnt mit dem Namen des Landes“, NZZ, 11. Januar 2020.
- Kastus Kalinouski in der Internet Movie Database (englisch)