Julius Thannhauser
Julius Thannhauser (geboren 5. Februar 1860 in München; gestorben 1921) war ein deutscher Hutmacher und Humorist.
Leben
Julius Thannhauser kam am 5. Februar 1860 in München als Sohn des jüdischen Tabakwarenhändlers Abraham Thannhauser und seiner Frau Josepha, geborene Schulmann, auf die Welt.[1] Er ging in München zur Schule und absolvierte eine Lehre im Hutmacherhandwerk. Danach machte er sich selbständig und betrieb ab 1886 ein gutgehendes Hutgeschäft am Rindermarkt No. 7 in München. Sein Cousin ist der Kunsthändler Heinrich Thannhauser. Er heiratete die gebürtige Kölnerin Henriette Kaufmann und sie bekamen vier Kinder. Elsa wurde am 22. Dezember 1890 geboren und verstarb fünf Tage nach der Geburt, Josephine wurde am 27. August 1887, Alfons am 23. Dezember 1888 und Eugen am 3. September 1896 geboren.[2]
Im Nebenerwerb trat Thannhauser, der für seinen urbayerischen Dialekt bekannt war, als Humorist auf.[3] In seiner Eigenschaft als Krügelredner machte er sich über die Grenzen Münchens hinaus einen guten Namen.[4] Auch war er Gründer und Mitglied der Großen Münchener Karnevalsgesellschaft, die am 9. Januar 1897 ihre erste Redoute im Deutschen Theater abhielt.[5]
Thannhauser gastierte vor dem Ersten Weltkrieg auch außerhalb von München und trat in Nürnberg, Leipzig, Berlin, Köln und Hamburg auf. Während des Kriegs war er bei der Truppenbetreuung verpflichtet und versorgte Verwundete.[6] Den größten Teil seines Repertoires schrieb Thannhauser, wie es bei den Volkssängern Brauch war, selbst. Es bestand aus Scherzgedichten, Parodien und humoristischen Bierreden. Der Humor, den er darin entfaltete, war gemütvoll und nicht verletzend. Die Münchener Neuesten Nachrichten schrieben anlässlich seines Ablebens, „man habe seinen mit tiefen Lebensernst gepaarten, aus Herzenstiefe gekommenen Humor“ geschätzt.[7]
Julius Thannhauser ist am 28. Oktober 1921 in München gestorben. Er wurde auf dem Alten Israelitischen Friedhof beigesetzt. Seine Frau Henriette starb im Alter von 74 Jahren am 25. Juli 1935.[2]
Vier seiner Vorträge hat Julius Thannhauser auf Grammophonplatte hinterlassen. Sie gelten heute als frühe und daher kostbare Zeugnisse für die Kunst der alten Münchener Volkssänger.
In der Pogromnacht der Nationalsozialisten 1938 wurden die Schaufenster des Hutgeschäftes Thannhauser am Rindermarkt eingeschlagen.[8] Seine Tochter Josephine wurde am 9. Juni 1942 im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück ermordet.[2] Josefine Thannhauser eine Cousine, wurde ein Jahr später die Violinistin war und ebenfalls Josephine hieß, ermordet. Sie war zuletzt im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück inhaftiert und war zuvor im Konzentrationslager Theresienstadt.[9] Den beiden Söhnen gelang die Emigration in die USA.[2]
Tondokumente
- G&T Gramophone & Tapewriter Co., um 1905.[10]
- G&T 41 358 (mx. 1110 z) Fiakers Klage während der „Götterdämmerung“ im Prinzregententheater.[11]
- G&T 41 359 (mx. 1111 z) Das Sendlinger Thor[12]
- G&T 41 410 (mx. 1114 z) Die Amazonenschlacht[13]
- G&T 41 411 (mx. 1115 z) Wiesen-Lieder für die Oktoberwies’n[13]
Literatur
- Chaim Frank: München, Stuttgart, Augsburg: Jüdische Humoristen, on line bei hagalil (Online)
- Chaim Frank: Volkstümliche jüdische Kunst, on line bei hagalil (Online)
- Chaim Frank: Populäre jüdische Künstler: Lebensgeschichten, on line bei hagalil (Online)
- Susanne von Goessel: Münchener Volkssänger, Unterhaltung für Alle. In: Till, Karl Valentin – Volkssänger? Dadaist? Seite 26–49.
- Thomas Goll: Die inszenierte Empörung. Der 9. November 1938. Themen und Materialien. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2010. online unter (Download) (PDF; 4,5 MB)
- Sigrid Jacobeit u. a. (Hrsg.): Forschungsschwerpunkt Ravensbrück: Beiträge zur Geschichte des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück. Berlin 1997. ISBN 3-89468-248-5
- Katalog der Gesangsaufnahmen der “Deutschen Grammophon Berlin – Hannover” von 1898–1925 (The Gramophone Company Limited) Photomechan. Nachdruck Hansfried Sieben, Hannover o. J. [1972]
- Alexander Kluy: Jüdisches München. Mandelbaum Verlag. Wien 2009. (Inhaltsverzeichnis) (PDF; 99 kB). Zum “Volkssänger Julius Thannhauser” vgl. S. 25.
- Susanne Popp, Bernd Schönemann (Hrsg.): Historische Kompetenzen und Museen (= Band 25 von Schriften zur Geschichtsdidaktik) Schulz-Kirchner Verlag GmbH, 2009, Länge 337 Seiten. ISBN 3-8248-0688-6, 9783824806881.
- Claudia Preis, Volkssängerei in München 1870–1930. Zur Produktion von Unterhaltungskultur in der Stadt – Diss. München 2010, (Online) (PDF; 869 kB)
- Brita Sachs: Funkeln als ein Quell der Zuversicht. In: FAZ 22. März 2007, (Online)
- Wolfram Selig: Synagogen und jüdische Friedhöfe in München. Aries Verlag, München 1988, ISBN 3-920041-34-8.
- Stengel/Gerigk = Lexikon der Juden in der Musik. Mit einem Titelverzeichnis jüdischer Werke. Zusammengestellt im Auftrag der Reichsleitung der NSDAP auf Grund behördlicher, parteiamtlich geprüfter Unterlagen, Theo Stengel, Herbert Gerigk (Bearb.), (= Veröffentlichungen des Instituts der NSDAP zur Erforschung der Judenfrage, Bd. 2), Berlin: Bernhard Hahnefeld, 1941
- Till, Wolfgang (Hrsg.): Karl Valentin – Volkssänger? Dadaist? [Katalog zur] Ausstellung zum 100. Geburtstag Karl Valentins. München, Schirmer/Mosel 1982.
Weblinks
Einzelnachweise
- Julius Thannhauser family tree. In: www.ancestry.com. Ancestry, abgerufen am 2. August 2021 (englisch).
- Henriette Thannhauser, geb. Kaufmann. In: /gedenkbuch.muenchen.de. Portal München Betriebs-GmbH & Co, abgerufen am 2. August 2021.
- vgl. Preis, S. 130 Anm. 516
- Die Krügelrede war eine Form des Humoristischen Vortrags, die z. B. beim Starkbieranstich zum Einsatz kam, vgl. Preis, S. 115
- vgl. Sachs, FAZ 2007: Es blieben nicht viele Objekte, die an Münchens Juden erinnern. Über anderen schwebt da fröhlich der Zylinder, den Julius Thannhauser um 1900 trug, Hutfabrikant und Gründer der ersten Münchner Karnevalsgesellschaft.
- so Berthold Leimbach: Tondokumente der Kleinkunst und ihre Interpreten 1895–1945. Göttingen, im Selbstverlag, 1991, unpaginiert; noch heute zeugt davon ein Bierkrug mit der Aufschrift „Reservelazarett – Israelitisches Krankenheim, Weihnachten 1917“, vgl. Popp-Schönemann S. 319
- zit. nach Berthold Leimbach: Tondokumente der Kleinkunst und ihre Interpreten 1895–1945. Göttingen, im Selbstverlag, 1991, unpaginiert.
- vgl. Die inszenierte Empörung, S. 15
- vgl. JOSEFA THANNHAUSER (1888) in yadvashem.org und Eintrag bei LexM (2011, aktualisiert am 25. Jan. 2012), welcher eine Josefa Thannhauser, geb. am 14. Okt. 1888 in München, Deutschland, verschollen nach dem 3./4. Apr. 1942 im Ghetto Piaski, Polen, Geigerin. verzeichnet. Ist sie mit der Cousine von Julius Thannhausers Tochter Josephine identisch ? Ihr Geburtsort und -datum stimmten mit denen von Josephine Thannhäuser überein, ebenso der Beruf “Geigerin”.
- vgl. Katalog der Gesangsaufnahmen S. 285
- Katalog S. 9
- Katalog S. 9, vgl. Preis, S. 130, Anm. 516: Der Hutmacher und Nebenerwerbshumorist Julius Thannhauser (*1860 - †1921) veröffentlichte seinen Vortrag „Das Sendlinger Thor“ als Schellackpressung und war wegen seines urbairischen Dialekts bekannt.
- Katalog S. 10
- trikont.de
- Julius Thannhauser bei Discogs