Japanische Rote Armee
Die Japanische Rote Armee (japanisch 日本赤軍, Nihon Sekigun, englisch Japanese Red Army, JRA) war eine linksradikale Terrororganisation. Fusako Shigenobu, frühere Studentin der Meiji-Universität, gründete sie 1971. Sie unterhielt im libanesischen Bekaa-Tal ihre Ausgangsbasis.
Die zunächst rein marxistisch-leninistische Organisation suchte immer Unterstützung von außen. Die palästinensische PFLP (Popular Front for the Liberation of Palestine, deutsch Volksfront für die Befreiung Palästinas, gegründet durch George Habasch) unterstützte die JRA, die wiederum für die PFLP Operationen durchführte.
Nach dem Juli 1988 hörte die JRA auf, als aktive Gruppe zu existieren. Ihre etwa 20 Personen starke Organisation hat sich vermutlich als Zufluchtsort den Stützpunkt im Bekaa-Tal im Libanon oder einen Ort in Nordkorea ausgesucht.
Im März 1995 wurde die langjährige JRA-Terroristin Yukiko Ekita in Rumänien verhaftet und nach Japan ausgeliefert.
Im April 2001 gab Shigenobu die Auflösung der JRA bekannt, was in der alljährlichen „Erklärung zum 30. Mai“ von der Gruppe bestätigt wurde.[1]
Laut Regine Igel waren zwei führende Kader der JRA, die Gründerin Shigenobu und Masao Adachi (* 1939), ab spätestens 1987 inoffizielle Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit und wurden von dieser als IMB geführt.[2] Adachi bezeichnete diese Darstellung als „Fake“.[3]
Die Gruppe wird häufig mit anderen verwechselt, die ähnliche Namen hatten:
- Sekigun-ha (赤軍派, dt. „Rote-Armee-Fraktion“, engl. Red Army Faction, eigentlich: 共産主義者同盟赤軍派, Kyōsan shugisha dōmei sekigun-ha, dt. „Rote-Armee-Fraktion des Bundes der Kommunisten“)
- Rengō Sekigun (連合赤軍, dt. „Vereinigte Rote Armee“, engl. United Red Army)
Aktionen der JRA
Beim Massaker am Flughafen Lod, einem Selbstmordangriff von drei Mitgliedern der JRA mit Sturmgewehren und Handgranaten auf dem internationalen Flughafen von Tel Aviv, starben am 30. Mai 1972 26 Menschen, darunter 17 puerto-ricanische Bürger, die sich auf einer Pilgerfahrt nach Israel befanden, 80 wurden verletzt. Das JRA-Mitglied Kōzō Okamoto überlebte den Anschlag.
Später fand die JRA Unterstützung durch „Carlos“ Ilich Ramírez Sánchez.
Am 31. Januar 1974 überfielen Mitglieder der JRA eine Anlage des Ölkonzerns Shell auf der Insel Pulau Bukom, die zu Singapur gehört, und nahmen fünf Geiseln. Zeitgleich griff eine andere Gruppe der PFLP die japanische Botschaft in Kuwait an. Mehrere Regierungsmitarbeiter Singapurs ließen sich freiwillig gefangen nehmen, darunter auch der spätere Präsident Sellapan Ramanathan. Die Geiseln wurden gegen Zahlung eines Lösegeldes und sicheren Flug mit einer japanischen Maschine in den Südjemen freigelassen.
Am 13. September des Jahres stürmten Angehörige der JRA in Den Haag die französische Botschaft, verwundeten die niederländische Polizistin Hanke Remmerswaal durch einen Schuss in den Rücken[4] und nahmen die Botschafter und zehn weitere Menschen als Geiseln. Sie forderten die Freilassung des JRA-Mitglieds Yutaka Furuya, 300.000 US-Dollar und ein Flugzeug. Nach längeren Verhandlungen wurden die Gefangenen in der Botschaft freigelassen. Ein Flugzeug flog die Terroristen zuerst in den Südjemen, wo sie abgewiesen wurden, dann nach Syrien. Die dortige Regierung zwang sie, das Lösegeld aufzugeben.
15. September 1974: Handgranatenangriff auf eine Drogerie in der Rue St. Germain in Paris mit zwei Toten und 35 Verletzten. Ausgeführt vermutlich von „Carlos“, der die Aktion in Den Haag durch erhöhten Druck auf die französische Regierung positiv beeinflussen wollte.
Ab Anfang der 1980er-Jahre baute sich die JRA durch strategische Operationen ein zweckgebundenes Vermögen auf.
Im Jahre 1986 beschloss JRA-Führerin Shigenobu, den Einnahmezufluss durch Abschluss eines lukrativen Geschäfts mit dem libyschen Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi noch weiter zu diversifizieren. Als Vergeltung für die US-Angriffe auf die libyschen Städte Tripolis und Bengasi im April 1986 (Operation El Dorado Canyon) wollte Libyen Rache üben, doch da Gaddafi weitere US-Vergeltungsschläge aus der Luft befürchtete, wollte er nicht direkt handeln. Die libysche Führung wandte sich an die JRA und die Gruppe benutzte den Decknamen AIIB (Anti-Imperialistische Internationale Brigaden) als Tarnung für Operationen speziell im Auftrag Libyens.
Aktionen der AIIB
April 1986: Drei britische Staatsbürger werden im Libanon entführt und ermordet.
Juni 1986: ferngelenkte Mörserangriffe gegen die US-amerikanische und japanische Botschaft in Jakarta (Indonesien).
April 1987: zum Jahrestag des US-Angriffs auf Libyen erfolgten gleich drei Angriffe auf diplomatische Einrichtungen der USA in Madrid (Spanien).
Juni 1987: Detonation einer Autobombe vor der US-Botschaft in Rom (Italien).
Juni/Juli 1987: Raketenangriff gegen die US-amerikanische und britische Botschaft in Rom.
April 1988 – Zum 2. Jahrestag des US-Angriffs auf Libyen sollten simultan Angriffe gegen militärische Ziele in den USA und in Europa folgen. Der Angriff in den USA scheiterte bereits im März 1988, da der JRA-Aktivist Yu Kikumura in New Jersey verhaftet wurde. Er befand sich auf dem Weg nach New York. In seinem Auto hatte Kikumura einfache Antipersonenbomben, die er vor einem Rekrutierungsbüro der US-Marines in der Wall Street in Manhattan platzieren wollte. Kikumura wurde später verurteilt und erhielt eine Freiheitsstrafe von 30 Jahren. Die geplanten Angriffe in Europa hingegen verliefen fast planmäßig. In Neapel explodierte eine Autobombe vor einem US-Militärclub, dabei kamen fünf Personen ums Leben und weitere 17 wurden verletzt. In Spanien wurde ein Bombenanschlag gegen eine US-Luftwaffenbasis verübt. Im Juli 1988 schlug ein Anschlag mit Lenkwaffen auf die US-Botschaft in Madrid fehl.
Literatur
- Andrew Williams: Die japanische Rote Armee Fraktion. Mit einem Vorwort von Gregor Wakounig. Wien 2018, ISBN 978-3-903022-77-5
- Florian Edelmann: Die Schimäre der Weltrevolution: Rote Armee Faktion, Vereinigte Rote Armee und Japanische Rote Armee – Bewaffneter Kampf in Japan und im internationalen Kontext. In: Alexander Straßner (Hrsg.): Sozialrevolutionärer Terrorismus. Wiesbaden 2008, S. 305–327.
- William R. Farrell: Blood and Rage. The Story of the Japanese Red Army. Kanada 1990.
- Michaël Prazan: Les Fanatiques. Histoire de l'armée rouge japonaise. Seuil, Paris 2002. ISBN 2-02-048686-5.
Einzelnachweise
- Movements of the Japanese Red Army and the "Yodo-go" Group. Nationale Polizeibehörde, abgerufen am 21. September 2009 (englisch).
- Regine Igel: Terrorismus-Lügen. Wie die Stasi im Untergrund agierte. München 2012, S. 118–129; siehe auch: Regine Igel: Führer der Japanischen Roten Armee waren registrierte Stasi-Agenten. Telepolis, 7. November 2010
- Lutz Dammbeck: Bruno & Bettina – Ein Gespräch über Kunst und Revolution mit Masao Adachi. In: Deutschlandfunk Kultur. 27. Juli 2018, archiviert vom Original am 25. September 2019; abgerufen am 24. September 2019 (ab 00:40:32).
- Nazomerdag in Den Haag: Schoten in de Franse ambassade