József Antall

József Antall v​on Dörgicse u​nd Kisjene der Jüngere [ˈjoːʒɛf ˈɒntɒl ˈkiʃjɛnøːi] (* 8. April 1932 i​n Budapest; † 12. Dezember 1993 ebenda) w​ar ein ungarischer Gymnasiallehrer, Bibliothekar, Museologe u​nd Politiker. Er w​ar der Ministerpräsident d​er ersten f​rei gewählten Regierung Ungarns n​ach der politischen Wende i​n Ungarn 1989 u​nd der Öffnung d​es Eisernen Vorhangs.

József Antall (1990)
Grabmal József Antall

Lebenslauf

József Antall entstammt e​iner kleinadeligen, christlich-demokratischen Familie. Sein Vater József Antall Senior, Jurist u​nd Abteilungsleiter i​m ungarischen Innenministerium, h​alf während d​es Zweiten Weltkriegs polnischen (darunter a​uch jüdischen) Flüchtlingen i​n Ungarn u​nd wurde dafür später m​it dem Titel Gerechter u​nter den Völkern ausgezeichnet. Er arbeitete i​n mehreren Ministerien u​nd entwickelte u​nter anderem d​ie erste Methode z​ur Berechnung d​es Existenzminimums.

József Antall beschloss im Alter von 16 Jahren, eine politische Laufbahn einzuschlagen. Er maturierte 1950 im Piaristengymnasium in Budapest. Danach studierte er als Hauptfach Ungarische Sprache und Literatur bzw. Geschichte an der Universität Budapest. Er schrieb seine Diplomarbeit über die Politik von József Eötvös und absolvierte noch eine zusätzliche Ausbildung als Museologe und Bibliothekar. Nach der Sponsion arbeitete er im Ungarischen Staatsarchiv und später beim Institut für Pädagogik. Er begann 1955 am József-Eötvös-Gymnasium zu unterrichten und leitete im Oktober 1956 das dortige Revolutionskomitee. Er nahm an der Neuorganisierung des Verbandes Junger Christen teil. Nach dem Ungarischen Volksaufstand wurde er mehrmals verhaftet, durfte aber zunächst weiter unterrichten. Er kam als Lehrer an das Ferenc-Toldy-Gymnasium in Budapest; 1959 wurde ihm Unterrichtsverbot erteilt. Nach seiner Suspendierung arbeitete er zwei Jahre als Bibliothekar. 1963 schrieb er 80 Ärztebiografien für das Ungarische Biografielexikon. Später wurde er Leiter des Semmelweis-Museums der Geschichte für Medizingeschichte; diese Funktion hatte er bis 1974 inne. Während seiner Arbeit lernte er viele Ärzte und Historiker kennen. 1986 wurde er stellvertretender Leiter des Internationalen Verbandes der Geschichte der Heilkunde.

Politische Karriere

Im März 1989 wurde in Ungarn der Runde Tisch der Opposition ins Leben gerufen. Das Ungarische Demokratische Forum (MDF), das damals schon als eingetragene Partei tätig war, delegierte in dieses Gremium auch Antall. Antall bekam durch seine konstruktiven Verfassungsanträge zunehmend Aufmerksamkeit und wurde am 21. Oktober 1989 zum Vorsitzenden des MDF gewählt. Nach dem Wahlsieg des MDF 1990 wurde Antall mit der Regierungsbildung beauftragt. Er schuf mit seiner Regierung Voraussetzungen für die politische, wirtschaftliche und außenpolitische Wende in Ungarn. 1990 war er bereits schwer erkrankt. Er erlag im Dezember 1993, einige Monate vor dem regulären Ende seiner vierjährigen Amtszeit, seinem Krebsleiden. Er ist auf dem Friedhof in der Fiumei út (Kerepesi temető) begraben. Für die Zeit bis zur Parlamentswahl im Mai 1994[1] wurde Péter Boross zum Ministerpräsidenten ernannt.

Sonstiges

Berühmt geworden i​st der Ausspruch József Antalls a​uf einer MDF-Versammlung Anfang d​er 1990er Jahre „Hätten Sie d​och eine Revolution gemacht!“ (ung.: Tetszettek v​olna forradalmat csinálni! – gelegentlich a​uch übersetzt a​ls „Warum h​aben Sie d​enn keine Revolution gemacht?“), a​ls lakonische Antwort a​uf die Kritik a​us der eigenen Fraktion, d​ass aufgrund d​es friedlichen Verlaufs d​er politischen Wende i​n Ungarn ehemals belastete kommunistische Funktionäre n​icht nachhaltig g​enug aus öffentlichen Ämtern entfernt worden waren.[2][3] Dieses Zitat w​urde in d​er ungarischen Nachwelt z​u einem beliebten geflügelten Wort.

Auszeichnungen

Einzelnachweise

  1. siehe en:Hungarian parliamentary election, 1994
  2. Katja Tamchina: Die Europäische Union und Ungarn. LIT Verlag Münster, 2000, ISBN 978-3-825-84541-4, S. 92 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. http://www.antalljozsef.hu/idezet_9
  4. Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952 (PDF; 6,6 MB)
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