Ivar Kreuger
Ivar Kreuger [ˌiːvar ˈkryːgər] (* 2. März 1880 in Kalmar, Schweden; † 12. März 1932 in Paris) war der Gründer der Svenska Tändsticks AB (STAB) (deutsch „Schwedische Zündhölzer AG“) und die zentrale Figur im europäischen Zündwarenmonopol, ein europäischer Tycoon. Im Jahr 1929 gründete er die Firma Svenska Cellulosa Aktiebolaget, die noch heute existiert. Er erschoss sich, als der Konkurs seines Trusts unabwendbar wurde, vermutlich um sich nicht öffentlicher Schmach ausgesetzt zu sehen.
Leben und Werk
Kreugers Vorfahren waren (mit dem Namen Kröger) in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Schweden eingewandert. So kam Johann Kröger schon 1710 nach Kalmar. Kreugers Urgroßvater war dort ein erfolgreicher Großhandelskaufmann. Sein Großvater Peter Edward Kreuger stellte schon Zündhölzer her und erwarb viele schwedische Zündholzfabriken – den Grundstein für das spätere kreugersche Imperium. Ivar Kreugers Vater Ernst Kreuger (1852–1946) kaufte weitere Firmen hinzu.
Ivar Kreuger studierte zunächst Ingenieurswissenschaften, bevor er Geschäftsmann wurde.[1] Er machte in seiner Jugend geschäftliche Erfahrungen in den USA, Großbritannien und Südafrika. Auf dieser Grundlage – und auf der Grundlage des Erbes seines Vaters – schuf er nach dem Ersten Weltkrieg innerhalb weniger Jahre einen weltumspannenden Konzern. Kern des 1913 neu strukturierten Firmenkonglomerats war die Svenska Tändsticks AB (STAB), deren Schwerpunkt auf der Nutzung des schwedischen Holzreichtums und der Produktion von Zündhölzern lag. Sehr erfolgreich expandierte Kreuger auf immer neue nationale Märkte.
Auf diese Weise wuchs die 1980 in Swedish Match umbenannte Firma zu einer Holding an, der in den 1930er Jahren rund 150 Tochterfirmen mit 260 Fabriken und 750.000 Mitarbeitern angehörten und die in 33 Ländern den Zündholzmarkt und damit etwa drei Viertel der Weltproduktion kontrollierte.[1] Daneben gehörten Kreuger eine Vielzahl an Berg- und Verhüttungswerken, ein großer Teil der schwedischen Papierindustrie mitsamt den dazugehörigen Wäldern und seit 1930 auch die Mehrheit der Telefonfirma Ericsson. 1919 war er in großem Stil in das aufblühende schwedische Filmgeschäft eingestiegen: Er investierte in die neu gegründete Filmproduktionsgesellschaft Svensk Filmindustri, deren Hauptanteilseigner er wurde, und ließ 1920 mit Filmstaden eine Filmstadt bei Stockholm im Hollywood-Stil errichten.
Als Konzernzentrale wurde 1926/28 Tändstickspalatset (Zündholzpalast oder Streichholzpalast) nach den Plänen des Architekten Ivar Tengbom in der Västra Trädgårdsgatan 15 in Stockholm errichtet. Die Inneneinrichtung wurde in der Stilrichtung des Nordischen Klassizismus von Schwedens seinerzeit bekanntesten Künstlern und Formgebern gestaltet, unter ihnen Isaac Grünewald, Carl Milles, Carl Malmsten und Simon Gate. Bekannt wurde der heute noch erhaltene, geschwungene Vorstandssaal mit dem ebenso geschwungenen Tisch. Das Unternehmen unterhielt außerdem repräsentative Büros in vielen europäischen Hauptstädten wie Berlin oder Paris.
- Das Eingangsportal
- Innenhof mit Milles Diana-Brunnen
- Vergoldete Hausnummer
- Kreugers Arbeitszimmer
- Der Vorstandssaal.
Seine Geschäftsstrategie beruhte auf der Ausbeutung der Zündholzmonopole in verschiedenen Ländern. Er nahm riesige Kredite in Amerika, Holland, Schweiz, England, Frankreich – den reichen Industrieländern – auf, und lieh das Geld finanziell schwachen Ländern in Mitteleuropa (Deutschland, Ungarn, Rumänien, Polen) und einigen südamerikanischen Staaten, wofür ihm das Zündholzmonopol in diesen Ländern zufiel. Die Idee war nicht neu, die Augsburger Handelsfamilie Fugger hatte sich ihrer bereits im 16. Jahrhundert bedient, indem sie Herrschern Kredite zum Austausch gegen Monopole (z. B. Ausbeutung der Silber- und Kupferminen) gewährten. Kreuger passte sie der damaligen Zeit an, indem er Anleihen (Inhaber-Obligationen) auf sein Unternehmen emittierte. Als Deutschland, Rumänien, Ungarn und andere Staaten die Zahlung der Zinsen und der Amortisierungsbeiträge einstellten, musste auch er seine Zahlungen an die Gläubigerländer schuldig bleiben. Damit brach sein Streichholzimperium zusammen.
Es endete mit Kreugers Suizid 1932 in der Avenue Victor-Emanuel in Paris. Man fand ihn erschossen und mit einer Pistole in der Hand, die er am Tag zuvor gekauft hatte.[1] Die polizeilichen Ermittlungen ergaben Selbsttötung. Ein Motiv wäre der drohende Zusammenbruch seines Firmenimperiums gewesen. Die Kreuger & Toll AB musste wenige Wochen später Konkurs anmelden. Er täuschte sich in der politischen und wirtschaftlichen Lage und wurde so das Opfer ungünstiger Umstände. Im Gegensatz zu dieser Darstellung steht die Beurteilung durch Frank Partnoy in seinem 2009 erschienenen Werk, das eine negativere Rolle Kreugers beschreibt. Kreuger habe bereits in den 1920er Jahren mit Off-shore-Firmen die Verschuldung seiner Unternehmen vor Anlegern verschleiert.
Ivars Bruder Torsten Kreuger vertrat die Ansicht, sein Bruder sei ermordet worden. Die Vermutungen darüber, wer der Auftraggeber eines Mordes gewesen sei, reichen von der schwedischen Industriellenfamilie Wallenberg über das amerikanische Bankhaus J.P. Morgan bis hin zu Josef Stalin. Unbestreitbar ist, dass Kreuger zahlreiche mächtige Feinde hatte.
Ein Teil seines früheren Unternehmens existiert heute als Swedish Match AB, der weltgrößte Streichholzproduzent mit umfangreichen Aktivitäten im Tabakhandel. Das von ihm erlangte Zündwarenmonopol lief in Deutschland erst 1983 aus.[1][2]
Trivia
Im Roman Ein Sohn Englands (1935) von Graham Greene ist die Figur des schwedischen Milliardärs „Erik Krogh“ deutlich an das Vorbild Kreugers angelehnt. Greene hatte zuvor eine Biografie über Kreuger rezensiert.[3]
Peter van Eyck spielte Kreuger in dem 1967 ausgestrahlten deutschen Fernsehfilm Der Fall Ivar Kreuger.[4]
Literatur
- Frank Arnau: Talente auf Abwegen. Alexandre Stavisky. Ivar Kreuger. Serge Rubinstein, Harry Domela. Deutscher Bücherbund, Stuttgart 1966.
- Sebastian Balzter: Vorsicht, Brandgefahr! (Geldirrtümer Folge 50), in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Nr. 39, 1. Oktober 2017, S. 35.
- Allen Churchill: Der Zündholzkönig. Ivar Kreugers unglaubwürdiges Leben. Goverts, Stuttgart 1957.
- Heinz Coubier: Ivar Kreuger. Tragödie. Dietzmann, Leipzig 1939.
- Ilja Ehrenburg: Die Einheitsfront. Berlin 1930, deutsch Die heiligsten Güter. Roman der großen Interessen. Berlin 1931.[5]
- Torsten Kreuger: Die Wahrheit über Ivar Kreuger. Augenzeugenberichte, Geheimakten, Dokumente. Seewald, Stuttgart 1966.
- André Kostolany: Kostolanys beste Geldgeschichten. Econ, Düsseldorf 1996, ISBN 3-612-26246-7.
- André Kostolany: Kostolanys Börsenseminar. Econ, Düsseldorf 1986, ISBN 3-612-26235-1.
- Ludwig Marcuse: Die Legende unserer Tage. In: Das Tage-Buch. 7. Mai 1932 (Artikel über Kreuger).
- Otto Walter (Hrsg.): Ivar Kreuger – die Katastrophe. 319 S. plus zahlreiche Abb. Walter, Olten und Konstanz 1932
- Frank Partnoy: Der Zündholzkönig. Ivar Kreuger, Finanzgenie und Wegbereiter eines Jahrhunderts von Wall-Street-Skandalen (Originaltitel: The Match King. Profile Books, London 2009, übersetzt von Stefan Gebauer), Finanzbuch, München 2013, ISBN 978-3-89879-699-6.
Weblinks
- The Kreuger Homepage
- Berthold Merkle: Ein Leben wie im Rausch, in: Badische Zeitung, Literatur, 5. Juli 2013.
- Eckhardt Wanner: Aufstieg und Fall des Ivar Kreuger, in: Die Bank, 11/2009
- Marc von Lüpke: Imperium aus Streichhölzern, in: einestages, 9. August 2013.
- Time-Magazine, 28. Januar 1957:World's Greatest Swindler (englisch)
- Time-Magazine, 5. September 1935: Kreuger's Trail (englisch)
- Zeitungsartikel über Ivar Kreuger in der Pressemappe 20. Jahrhundert der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft
Einzelnachweise
- Schwedischer Finanzmoguls Ivar Kreuger - Imperium aus Streichhölzern, einestages.de.
- Zündhölzer: Triste Ware, Der Spiegel, 21/1983, 23. Mai 1983
- Brian Edwards: Mood Spectrum in Graham Greene: 1929-1949. Cambridge Scholars, Cambridge 2015 ISBN 978-1-4438-8253-8 S. 45
- Der Fall Ivar Kreuger (1967) imdb.com
- Der Roman behandelt die Schlachten ums Zündholzmonopol. In seinen Memoiren bemerkt Autor Ehrenburg dazu, Kreugers Privatsekretär Baron von Drachenfels schreibe in seinen Erinnerungen, kurz vor dem Selbstmord seines Chefs habe er Die Einheitsfront auf Kreugers Nachttisch gesehen. (Ehrenburg, Menschen – Jahre – Leben II 1923–1941, Sonderausgabe München 1965, Seite 184)