Indisches Atomprogramm
Das Indische Atomprogramm begann in den 1950er Jahren. Seit 1974 ist Indien offizielle Atommacht. Es verfügt mit Agni über ein System selbst entwickelter Raketen mit einer Reichweite von 700 bis 10.000 Kilometern, die auch mit atomaren Sprengköpfen bestückt werden können. 2012 standen den strategischen Streitkräften (Strategic Forces Command) 84 Nuklearsprengköpfe auf Agni-Raketen zur Verfügung. 2021 wird der Bestand der Sprengköpfe auf 160 beziffert.[1] Bis heute hat Indien den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet, verzichtet jedoch laut seiner Nukleardoktrin auf den nuklearen Erstschlag.
Geschichte
Im Jahre 1948 wurde der Physiker Homi Jehangir Bhabha Leiter der neu gegründeten indischen Atomenergiekommission. Am 20. Januar 1957 wurde das Atomic Energy Establishment Trombay (AEET) vom damaligen indischen Ministerpräsidenten Jawaharlal Nehru gegründet und später in Bhabha Atomic Research Centre umbenannt.
Militärische Nutzung
Datum | Codename | Ort | Sprengkraft (in 1000 Tonnen TNT) |
---|---|---|---|
18. Mai 1974 | Smiling Buddha | Pokhran | 12 |
11. Mai 1998 | Shakti I | Pokhran | 43 |
11. Mai 1998 | Shakti II | Pokhran | 12 |
13. Mai 1998 | Shakti III | Pokhran | 0,3 |
13. Mai 1998 | Shakti IV | Pokhran | 0,5 |
13. Mai 1998 | Shakti V | Pokhran | 0,2 |
13. Mai 1998 | Shakti VI | Pokhran | (unbekannt) |
Indien führte zwei Kernwaffentests durch, den ersten 1974 unter Indira Gandhi, den zweiten im Mai 1998 unter Atal Bihari Vajpayee. Die Atomtests im Mai 1998 wurden zwar stets mit dem Verweis auf die chinesische Bedrohung gerechtfertigt (siehe Indisch-Chinesischer Grenzkrieg), in erster Linie verfolgt Indien mit den Tests jedoch wohl eine internationale Statusaufwertung und versucht, eine Gleichrangigkeit mit China zu untermauern.[3] Alle Tests fanden als unterirdische Tests auf dem Versuchsgelände von Pokhran in der Wüste Thar in Rajasthan statt.[2]
Auf dem Versuchsgelände Chandipur im indischen Bundesland Orissa wurde am Samstag, den 25. August 2012 eine taktische Rakete mit einer Reichweite von 350 km gestartet. Sie erreichte ihr Ziel im Golf von Bengalen mit einer Genauigkeit von unter 10 Metern. Es handelte sich um den ersten erfolgreichen Test mit voller Nutzlast, allerdings ohne Sprengsatz. Die Rakete vom Typs Prithvi-II kann mit einem atomaren Sprengsatz bis 500 kg ausgerüstet, leicht über größere Entfernungen transportiert und vom Fahrzeug aus abgeschossen werden. So hat BrahMos, ein überschallschneller Flugkörper, der gemeinsam von russischen und indischen Unternehmen entwickelt wurde, ein Startgewicht von 3000 kg und eine Reichweite bis 300 km. Das Prithvi-Raketenprogramm wird seit 1983 von der indischen Regierung entwickelt. Taktische Raketen sind Angriffs- und Verteidigungswaffen, die auf dem Land nur die unmittelbaren Nachbarstaaten bedrohen.
Indien verfügt über ein reichhaltiges Arsenal von sogenannten strategischen Atomwaffen mit Reichweiten, die auch Osteuropa bedrohen können. Interkontinentalraketen befinden sich in der Entwicklung und könnten bis auf Südamerika und Teile Nordamerikas fast alle Länder der Welt erreichen. Indien gehört zu den wenigen Staaten, die den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet haben.
Friedliche Nutzung
Kernreaktoren in Indien: Anlagen in Betrieb Geplante Anlagen |
Die ersten Kenntnisse über den Bau von Kernkraftwerken und auch Nuklearwaffen erwarben sich indische Nuklearphysiker und -techniker über den Technologietransfer aus Kanada und den Vereinigten Staaten. Im Jahr 1956 wurde durch Kanada ein erster experimenteller Reaktor zur zivilen Nutzung nach Indien geliefert. Der seit 1960 „kritische“ Reaktor lieferte in den folgenden Jahren auch das für den Bau der Atombombe benötigte Plutonium. Mit dem Bau des ersten Kernkraftwerks bei Rawatbata in Rajasthan wurde 1964 mit kanadischer Unterstützung begonnen. Kanada und die Vereinigten Staaten beendeten jedoch die Zusammenarbeit mit Indien auf dem Gebiet der Atomenergie nach der Explosion der ersten indischen Atombombe im Mai 1974.[4]
Indien ist heute einer der weltweit größten Produzenten von schwerem Wasser.[5] Es betreibt sieben Produktionsanlagen.[6] 22 der insgesamt 27 Kernreaktoren, von denen einige noch im Bau sind, werden mit schwerem Wasser als Moderator betrieben.[7]
Die Kernenergie hatte 2011 einen Anteil von etwa 3,7 % an der elektrischen Stromversorgung, dieser sank jedoch bis 2013 auf etwa 3,5 %. Im August 2012 befanden sich in Indien sechs Kernkraftwerke mit 21 Reaktorblöcken und einer installierten Bruttogesamtleistung von 5780 MW am Netz. Sechs weitere Reaktorblöcke mit einer Bruttogesamtleistung von 4300 MW sind im Bau.[8]
Ab März 2012 kam es zu Protesten gegen das Kernkraftwerk Kudankulam. Im August fand die erste öffentliche Anhörung zum Atomprogramm statt, während zugleich die Demonstrationen zunahmen, wobei sich schließlich rund 25.000 Menschen an der Südküste versammelten.[9] Dies verzögerte den Ausbau erheblich, so dass Anfang 2015 kein weiterer Fortschritt erkennbar war.
Da Indien den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet hat, sind zahlreiche Länder bei der Beteiligung an der Konstruktion sehr zurückhaltend. Bisher hat Indien zur friedlichen Nutzung der Kernenergie eine Zusammenarbeit mit Russland,[10] der Europäischen Union[11] und Kanada[12] vereinbart.
Siehe auch
Quellen
- Status of World Nuclear Forces. In: Federation Of American Scientists. Abgerufen am 29. Juli 2021 (amerikanisches Englisch).
- India's Nuclear Weapons Program: Operation Shakti: 1998. nuclearweaponarchive.org, 30. Mai 2001, abgerufen am 29. Januar 2015 (englisch).
- spiegel.de: Indien befeuert Wettrüsten in Asien
- David Martin: Exporting Disaster – The Cost of Selling CANDU Reactors. Nuclear Awareness Project for the Campaign for Nuclear Phaseout, November 1996, abgerufen am 27. Februar 2015 (englisch, Abschnitt 3.2).
- Heavy Water Board (HWB) (Memento vom 3. März 2015 im Internet Archive), offizielle Webseite (englisch).
- hwb.gov.in
- Statistik der IAEO, abgerufen am 25. Januar 2015 (englisch).
- Elektrische Energie-Erzeugung lt. Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO)
- bbc.com
- „Russia Agrees India Nuclear Deal“, BBC News 11. Februar 2009
- Strategische Partnerschaft EU-Indien. Zusammenfassung der Gesetzgebung. In: EUR-Lex. Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 8. April 2008, abgerufen am 27. Oktober 2021.
- Curry, B. (27. Juni 2010), Canada Signs Nuclear Deal with India, The Globe and Mail