Hiroshima-Hain (Hannover)
Der Hiroshima-Hain in Hannover wurde im Jahr 1987 auf dem Gelände der früheren Pferderennbahn Alte Bult an der Eilenriede im Stadtteil Bult von der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover angelegt. Er entstand im Rahmen der Städtepartnerschaft zwischen Hannover und Hiroshima. Der Hain enthält eine Gedenkstätte mit 110 Kirschbäumen zum Gedenken an die 110.000 Japaner, die während des Atombombenabwurfs am 6. August 1945 in Hiroshima ums Leben kamen. Im Hiroshima-Hain findet jedes Jahr neben Veranstaltungen zum 6. August auch eine Feier zum japanischen Kirschblütenfest statt.
Lage
Der Hiroshima-Hain steht im Park Die Alte Bult in der Nähe vom Kinderkrankenhaus auf der Bult. Der Zugang ist möglich über einen Fußweg von der Janusz-Korczak-Allee aus.
Der großflächige Park Die „Alte Bult“ war 64 Jahre lang eine Pferderennbahn. Später konnte sich die Natur auf der „Alten Bult“ in der langen Zeit der extensiven Nutzung fast frei entwickeln. Ein großer Teil der Fläche ist inzwischen von Sandmagerrasen geprägt, der nach Paragraf 28a des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes zu den besonders geschützten Biotopen zählt. Darüber hinaus bieten Borstgrasrasen und mittelfeuchte Grünlandbereiche wichtige Lebensräume für Pflanzen und Tiere. So konnten sich seltene Heuschreckenarten und Kolonien von Wildbienenarten auf der „Alten Bult“ ansiedeln. Auch die Verbindung des Geländes mit dem unmittelbar südlich angrenzenden Stadtwald Eilenriede ist von großer Bedeutung für die im Wald lebenden Tiere; denn für Fledermäuse und Vögel ist die „Alte Bult“ ein wichtiger Nahrungslieferant.
Das Gelände der „Alten Bult“ ist deshalb als Landschaftsschutzgebiet ein wertvoller Lebensraum für seltene und gefährdete Pflanzen- und Tierarten und mit dem dort angelegten „Hiroshima-Gedenkhain“ wichtig für die Naherholung.[1]
Städtepartnerschaft zwischen Hannover und Hiroshima
Am 27. Mai 1983 besiegelten die Städte Hiroshima und Hannover ihre freundschaftlichen Verbindungen mit einem Städtepartnerschaftsabkommen. Seitdem wurden die Beziehungen durch Kulturaustausch, Jugendaustausch, Friedensarbeit und viele gegenseitige Besuche gefördert.
In Hannover widmen sich drei Vereine der Städtepartnerschaft: "Deutsch-japanischer Freundschaftskreis Hannover-Hiroshima - Yukokai e.V.", der aus den Jugendbegegnungen hervorgegangen ist, das "Hiroshima-Bündnis", das sich der Friedensarbeit widmet, und die "Deutsch-Japanische Gesellschaft Chado-kai e.V.", die in Hannover die japanische Kultur bekannt macht und das Teehaus im Stadtpark betreut.[2]
Im Jahr 1987 legte die Stadt Hannover im heutigen Landschaftsschutzgebiet auf dem Gelände der früheren Pferderennbahn Alte Bult den Hiroshima-Hain an. Im Jahr 1988 schenkte die Stadt Hiroshima der Stadt Hannover das Teehaus. Es steht in dem 1996 angelegten japanischen Teegarten des Stadtparks von Hannover als Zeichen der Freundschaft zwischen beiden Städten. Die Deutsch-Japanische Gesellschaft Hannover Chado-Kai e.V. wurde 1989 gegründet. Sie ging aus dem Chado-Kai e.V. hervor, der das Teehaus im Jahr 1988 mit Leben erfüllte. Die Teehäuser Japans haben eine sehr alte Tradition. In Japan dienen die bewusst schlicht eingerichteten Teehäuser der Teezeremonie, einer Ausdrucksform japanischer Kultur. Das japanische Teehaus umgibt immer ein kleiner japanischer Garten, der ein integraler Bestandteil der Teezeremonie ist.
In Hannover und Hiroshima finden Veranstaltungen statt, die der Freundschaft zur Partnerstadt gewidmet sind. In Hiroshima gibt es seit dem Jahr 2002 den Hannover-Tag und in Hannover die Gedenkfeier zum 6. August in der Ruine der Aegidienkirche und das Kirschblütenfest im Hiroshima-Hain.[3] Die Ruine der Aegidienkirche dient in Hannover als Mahnmal für die Opfer von Kriegen und Gewalt. In ihrem Turmeingang hängt die japanische Friedensglocke. Sie ist eine Nachbildung der Glocke im Friedenspark von Hiroshima und ein Geschenk von Hannovers Partnerstadt Hiroshima aus dem Jahre 1985. Sie wird jeweils am 6. August beim Gedenkgottesdienst für die Opfer des Atombombenabwurfs dreimal angeschlagen.
Beschreibung des Hiroshima-Hains
Die Idee zu der Anlage des Hiroshima-Hains entstand in der Friedensbewegung. Die Ärzteinitiative "Ärzte warnen vor dem Atomkrieg" und das "Hiroshima Bündnis" starteten zunächst einen Spendenaufruf. Mit Hilfe der Stadt Hannover konnte das Projekt dann vom Jahr 1962 an umgesetzt werden.
Der Hiroshima-Hain entstand in den Jahren 1987 (Pflanzung der Kirschbäume), 1992 (Granitplatte mit dem Bildnis der Göttin Kannon) und 2000 (Installationen des Künstlers Klaus-Dieter Kappenberg * 28. Juli 1945; † 15. Mai 2012).
Die 110 Kirschbäume im Hiroshima-Hain erinnern an die 110.000 Japaner, die während des Atombombenabwurfs am 6. August 1945 in Hiroshima ums Leben kamen. Jeder der Kirschbäume steht dabei für jeweils 1000 Menschen, die unmittelbar bei der Explosion verstorben sind.
Am Eingang zu dem Hiroshima-Hain steht ein menschenleeres aus den Fugen geratenes, skelettiertes und ausgebranntes Zuhause aus angekohlten Baumstämmen und darüber ein in der Glut verschmortes und deformiertes Wellblechdach. Dahinter liegt ein aus zersägten Baumstämmen gelegter kreisrunder Ouroboros, aus dem die Hände der Eingeschlossenen flehend zum Himmel gestreckt sind, in halber Höhe die kleinen Kinderhände und darüber die großen Erwachsenenhände. Klaus-Dieter Kappenberg gestaltete diese Installation im Jahr 2000 zusammen mit Gästen aus verschiedenen Partnerstädten von Hannover. Die angeschmorten und teilweise verkohlten Holzstämme entnahm er aus der Asche vom Osterfeuer.
Der Künstler Klaus-Dieter Kappenberg gibt dieser Vision des Untergangs eine gänzlich neue Deutung. In den aus Baumscheiben gelegten kreisrunden Ouroboros legt er weitere Baumstämme hinein, so dass sich der Ouroboros beim Blick von oben in das CND-Symbol der atomaren Abrüstung verwandelt. Das CND-Symbol ist das Zeichen für die atomare Abrüstung. Es befindet sich auf der Installation von Klaus-Dieter Kappenberg. Selbst auf dem vergrößerten Satellitenfoto ist es sichtbar. Dadurch werden die ausgestreckten Hände zu erwartungsvollen Händen von Demonstranten, die hoffnungsvoll der atomaren Abrüstung entgegengehen. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass in der Kreismitte ein Modell des Genbaku Domes steht. Der Genbaku Dome wurde bei dem Atombombenangriff auf Hiroshima nur teilweise zerstört und steht als Friedensdenkmal im Friedenspark Hiroshima. Im Dezember 1996 erklärte die UNESCO dieses Friedensdenkmal zum Weltkulturerbe mit der Begründung, dass es nicht nur ein starkes Symbol der zerstörerischsten Kraft sei, die je von der Menschheit geschaffen wurde, es drücke zudem die Hoffnung auf Weltfrieden und auf die endgültige Beseitigung aller Kernwaffen aus.
Diese Installation ist das Vermächtnis des inzwischen verstorbenen Künstlers Klaus-Dieter Kappenberg. In dem Nachruf in hallo SONNTAG vom 27. Mai 2012 heißt es:
- „Der am 28. Juli 1945 geborene Künstler setzte sich über viele Jahre für die Ausgestaltung und die Pflege des Hiroshima-Hains auf der Alten Bult ein. Seine 2000 gemeinsam mit Jugendlichen aus mehreren Partnerstädten Hannovers gefertigte Skulptur der himmelwärts gerichteten Hände wurde zu einem prägenden Merkmal der Gedenkstätte. Kappenberg, den Ekkehard Meese, der stellvertretende Bürgermeister des Stadtbezirkes, in seiner Laudatio als kantigen, beharrlichen Menschen skizziert hatte, der klar sage, was ihm missfalle, war zugleich Mitinitiator des seit 2001 jährlich im April stattfindenden Kirschblütenfestes am Hiroshima-Hain. Jahr für Jahr beteiligte er sich zudem an den Veranstaltungen zur Erinnerung an den 6. August 1945. … Als der Hain durch Vandalismus zerstört wurde, finanzierte Kappenberg die Reparaturarbeiten aus eigener Tasche.“
Die Granitplatte mit dem Bildnis der Kannon ist ein Geschenk der Gesellschaft Granitplatten für den Frieden aus Hiroshima. Sie wurde am 11. Juni 1992, 8.15 Uhr im Hiroshima-Hain enthüllt. In der Schenkungsurkunde schreibt die Gesellschaft:
- „Die Granitplatte stammt aus der Pflasterung zwischen den Straßenbahnschienen in Hiroshima. Sie befand sich etwa 200 Meter nördlich des Explosionspunktes der Atombombe, die am 6. August 1945 um 8.15 Uhr abgeworfen wurde, und war daher deren Wirkung voll ausgesetzt. Als Zeuge dieses furchtbaren Ereignisses vernahm sie das Entsetzen der Opfer.“
- „In 180 dieser Granitplatten wurde später ein Bildnis der Göttin Kannon eingemeißelt, die als Symbol der Sehnsucht nach immerwährenden Frieden gilt. Aus dem Unheil, das über uns gekommen ist, aus der Schuld, die wir den vom 2. Weltkrieg betroffenen Völkern gegenüber empfinden, haben wir gelernt, uns eine ‚Friedensverfassung‘ zu geben. Darin geloben wir, daß Japan niemals mehr ein anderes Land mit Krieg überziehen wird. Eine Welt ohne Krieg ist das höchste Anliegen: die Ursehnsucht der Menschen.“
- „Mögen diese Granitsteine aus Hiroshima, die als Geschenk allen Völkern gewidmet sind, ein stetes Mahnmal des Friedens sein. Dies ist unsere inständige Bitte.“[4]
Christiane Meyer, Professorin für Didaktik der Geographie am Institut Didaktik der Naturwissenschaften an der Leibniz Universität Hannover, sieht den symbolischen Wert dieser Granitplatte in ihrer Werte-Bildung zur ethischen Orientierung angesichts der in Hiroshima sichtbaren Folgen menschlichen Handels:
- „Zunächst einmal ist es nur ein Granit – davon gibt es viele in der Stadt. Dann ist es ein Granit aus Hiroshima – damit ist eine Beziehung zur Partnerstadt Hannovers geschaffen. Schließlich ist dieser Stein ein »Überlebender« aus der Pflasterung zwischen den Straßenbahnschienen, 200 Meter nördlich des Explosionspunktes der Atombombe, die am 6. August 1945 um 8.15 Uhr abgeworfen wurde – damit erhält der Granit mit seiner Widerstandsfähigkeit eine besondere Bedeutung und einen symbolischen Wert. Dieser Wert resultiert nicht nur daraus, dass er als »Zeuge« des Geschehens auftritt, sondern dass er zum Ge-Denken, Nach-Denken und Vor-Denken über die Konsequenzen von menschlichem Handeln auffordert, das in diesem Fall die Menschheit mit ihren grundlegenden Bedürfnissen und Ängsten, mit ihrer Verantwortung und ihren Grenzen betrifft.“
In ihrer Veröffentlichung Werte-Bildung zur ethischen Orientierung kommt Christiane Meyer zu dem Ergebnis: Ein Lernen mit allen Sinnen vor Ort ermöglicht eine nachhaltige Werte-Bildung, die als Basis von reflektiertem Urteilen zu verantwortungsvollem Handeln beitragen kann.[5]
Kirschblütenfest in Hannover und in Japan
Das Kulturbüro der Stadt Hannover hat im Jahr 2001 die japanische Tradition übernommen, während der Kirschblüte das Kirschblütenfest zu begehen. Es lädt seitdem jedes Jahr im April zusammen mit Vereinen und Initiativen zum Kirschblütenfest in den Hiroshima-Hain ein. Unter blühenden Kirschbäumen wird ein vielfältiges Kulturprogramm geboten: japanische Kampfkunst, Kalligraphie, Origami, Musik, Kulinarische japanische Spezialitäten, Manga-Präsentation, Japanische Teezeremonie und vieles mehr.
Die japanische Kirschblüte (jap. 桜, sakura) ist eines der wichtigsten Symbole der japanischen Kultur. Sie ist ein Symbol für die weibliche Schönheit und steht für Schönheit, Aufbruch und Vergänglichkeit. Die Zeit der Kirschblüte markiert einen Höhepunkt im japanischen Kalender und den Anfang des Frühlings.
Hanami (jap. 花見, „Blüten betrachten“) bezeichnet die japanische Tradition, in jedem Frühjahr mit sogenannten „Kirschblütenfesten“ die Schönheit der in Blüte stehenden Kirschbäume zu feiern. Die folgenden Aspekte der Schönheit und der Vergänglichkeit sprechen Japaner dabei besonders an:
- Ohne Früchte zu tragen, lebt die japanische Kirsche gewissermaßen einzig für das wenige Tage im Jahr andauernde Erblühen in dann überragender Schönheit. (Siehe auch das japanische Sprichwort Hana yori dango.)
- Nach längerem Reifen und nur kurzer Zeit des Erblühens fällt die Blüte im Moment vollendeter Schönheit. Die Kirschblüte (Sakura) gibt damit der Literatur ein Beispiel für einen würdigen, jungen Tod.
In den etwa zehn Tagen, in denen die Kirschen in der eigenen Gegend in Blüte stehen, feiern fast alle Japaner ein Hanami mit Freunden, Kollegen oder Familie in einem Park oder einem anderen dafür ausgezeichneten Ort. O-Bentō und oft reichlich Bier oder Sake sowie eine Unterlage, um auf dem Boden zu sitzen, zählen zu den Utensilien, mit denen man sich in Japan unter blühenden Kirschbäumen versammelt.
Hiroshima-Tag am 6. August in Hannover
Der Hiroshima-Tag am 6. August erinnert mit seinen Gedenkveranstaltungen an die Opfer der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki. Die Veranstaltungsorte sind üblicherweise das Mahnmal Aegidienkirche, der Hiroshima-Hain, der Hodlersaal im Neuen Rathaus und der Park der Partnerstädte im Maschpark.
Einzelnachweise
- Die Alte Bult (pdf; 253 kB)
- Hiroshima, Hannovers Partnerstadt in Japan.
- Die Städtepartnerschaft Hannover-Hiroshima.
- Das Zitat steht auf der Informationsplatte vor dem Gedenkstein mit dem Bildnis der Friedensgöttin Kannon.
- Christiane Meyer: Werte-Bildung zur ethischen Orientierung. Beziehungen und Bedeutungen auf dem Hiroshima-Gedenkhain in Hannover. (PDF; 2,8 MB)
Weblinks
- Karte und Fahrplan des Hiroshima-Hains. Aufgerufen am 12. April 2015.
- 'Das Kirschblütenfest im Hiroshima-Hain (Memento vom 20. März 2017 im Internet Archive)
- Christiane Meyer: Werte-Bildung zur ethischen Orientierung. Beziehungen und Bedeutungen auf dem Hiroshima-Gedenkhain in Hannover. (PDF; 2,8 MB) Aufgerufen am 12. April 2015.
- Webseite der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Hannover Chado-Kai e.V.. Aufgerufen am 12. April 2015.
- Das Kirschblütenfest zum Hören, Audio-Spaziergang Aufgerufen am 27. November 2021