Hilary Mantel
Dame Hilary Mary Mantel [mænˈtɛl] DBE (* 6. Juli 1952 als Hilary Mary Thompson in Glossop, Derbyshire) ist eine vielfach ausgezeichnete britische Schriftstellerin, Kritikerin und Juristin.
Leben
Mantel wuchs in einer großen irisch-katholischen Familie auf, die seit zwei Generationen in England lebte, davon die ersten sechs Jahre bei ihrer irischen Großmutter, deren endlosen Redestrom und Wortschatz sie aufsog. Nach der Trennung ihrer Eltern, Margaret und Henry Thompson, nahm sie mit elf Jahren den Namen ihres Stiefvaters, Jack Mantel, an. Ihr Familienhintergrund ist die Antriebsfeder ihrer meisten Veröffentlichungen. Mantel ist weithin bekannt als Autorin historischer Romane, aber Themen ihrer Romane sind auch die „faulen Kompromisse der Volkskirche“ und die „panischen Phantasien des islamischen Fundamentalismus“ (so Patrick Bahners).[1]
Mantel studierte Rechtswissenschaft an der London School of Economics and Political Science und der University of Sheffield und machte dort 1973 ihren Bachelor. Sie arbeitete zunächst als Sozialarbeiterin.[2] Nach ihrer Heirat 1972 lebte sie ab 1977 mit ihrem Ehemann Gerald McEwen fünf Jahre in Botswana, danach vier Jahre in Dschidda in Saudi-Arabien. 1987 bis 1991 arbeitete sie als Filmkritikerin für den Spectator.[3] Bereits 1974 begann sie mit dem Schreiben.
Die Royal Shakespeare Company brachte ihre Romane Wolf Hall und Bring up the Bodies 2013 in Stratford upon Avon auf die Bühne. Eine auf Wolf Hall basierende, gleichnamige Fernsehserie wurde 2015 auf BBC Two ausgestrahlt. Im deutschsprachigen Fernsehen lief die sechsteilige Produktion auf Arte. Ebenfalls 2015 erschien bei DuMont auf Deutsch ihre Autobiografie Von Geist und Geistern.[4] 2018 gestaltete Walter Adler aus ihrem Roman Brüder für den WDR eine 26-teilige Hörspielserie.[5]
Nach Wölfe und Falken beschloss der Roman Spiegel und Licht 2020 Mantels Trilogie über Thomas Cromwell.[6][7]
Auszeichnungen
1987 erhielt sie den Shiva Naipaul Memorial Prize,[8] 1996 den Hawthornden-Preis, 2006 den Commonwealth Writers’ Prize und den Orange Prize for Fiction. Im selben Jahr wurde sie mit dem Komturkreuz (engl. Commander) des Order of the British Empire ausgezeichnet.
2009 erhielt ihr Roman Wolf Hall mit dem Booker Prize den wichtigsten englischen Literaturpreis.[9] 2010 wurde sie für den Roman mit dem Walter Scott Prize for historical fiction ausgezeichnet. 2015 wurde dieser Roman von der BBC-Auswahl der besten 20 Romane von 2000 bis 2014 zu einem der bislang bedeutendsten Werke dieses Jahrhunderts gewählt. 2012 wurde auch die Fortsetzung dieses Romans, Falken (Bring up the Bodies), mit dem Booker Prize ausgezeichnet.[10] Damit ist Mantel nach dem Südafrikaner J. M. Coetzee und dem Australier Peter Carey die dritte Person, die den Preis zweimal gewann.[11] Für Bring up the Bodies erhielt sie zudem auch den Costa Book Award im Jahr 2012.[12] Für ihr Lebenswerk wurde Mantel 2013 mit dem David Cohen Prize ausgezeichnet. Für The Mirror & the Light erhielt Mantel 2021 zum zweiten Mal den Walter Scott Prize for historical fiction.[13]
2014 wurde sie von Königin Elisabeth II. zur Dame Commander des Order of the British Empire ernannt.[14] Seit 2014 hängt ein Bild von ihr in der British Library.[15]
Seit 2020 ist sie eine von zwölf Personen, die die höchste Auszeichnung der Royal Society of Literature den Titel Companion of Literature trägt.[16]
Werke
- Every Day is Mother's Day, 1985
- Jeder Tag ist Muttertag, Roman. Aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence, DuMont, Köln 2016, ISBN 978-3-8321-9823-7[17]
- Vacant Possession, 1986
- Im Vollbesitz des eigenen Wahns, Roman. Aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence, DuMont, Köln 2016, ISBN 978-3-8321-9832-9[18]
- Eight Months on Ghazzah Street, 1988
- Fludd, 1989
- Der Hilfsprediger, Roman. Aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence, DuMont, Köln 2017, ISBN 978-3-8321-9872-5
- A Place of Greater Safety, 1992
- Brüder, dt. von Kathrin Razum, Sabine Roth, DuMont, Köln 2012, ISBN 978-3-8321-9661-5
- A Change of Climate, 1994
- Reizklima. Übers. Silvia Morawetz, Krüger, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-8105-1245-1
- auch als: Regen über der Wüste, gleiche Übersetzerin, Fischer, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-596-15295-X
- An Experiment in Love, 1995
- Ein Liebesexperiment. Übers. Silvia Morawetz, Krüger, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-8105-1247-8
- auch als: Carmels Suche nach Liebe, gleiche Übersetzerin, Fischer, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-596-14664-X
- The Giant, O'Brien, 1998
- Der riesige O'Brien, dt. von Charlotte Breuer, Krüger, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-8105-1266-4
- Giving Up the Ghost (A Memoir), 2003 (autobiografisch)
- Von Geist und Geistern. Autobiografie, dt. von Werner Löcher-Lawrence, DuMont, Köln 2015, ISBN 978-3-8321-9769-8.
- Learning to Talk (Short Stories), 2003
- Beyond Black, 2005
- Wolf Hall, Roman, London 2009, ISBN 978-0-8050-8068-1
- Wölfe, dt. von Christiane Trabant, DuMont, Köln 2010, ISBN 978-3-8321-9593-9
- Bring up the Bodies, 2012
- Falken, dt. von Werner Löcher-Lawrence, Dumont, Köln 2012, ISBN 978-3-8321-9698-1
- The Assassination of Margaret Thatcher, stories. Henry Holt, New York 2014, ISBN 978-1-627792103
- Die Ermordung Margaret Thatchers, Erzählungen. Deutsch von Werner Löcher-Lawrence, DuMont, Köln 2014, ISBN 978-3-8321-9768-1
- The Mirror & the Light, Roman, HarperCollins, London 2020, ISBN 978-0-0074-8099-9
- Spiegel und Licht. Aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence, DuMont, Köln 2020, ISBN 978-3-8321-9724-7
Adaptionen
Als 13-stündige Hörspielserie produzierte der WDR 2018 den historischen Roman Brüder über die Jahre der Französischen Revolution von 1789 bis zum Sturz und zur Hinrichtung Robespierres 1794. Mit 200 beteiligten Schauspielern als Sprecher inszenierte Regisseur Walter Adler.[19]
Weblinks
- Literatur von und über Hilary Mantel im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Literatur von und über Hilary Mantel in der bibliografischen Datenbank WorldCat
- Hilary Mantel in der Internet Movie Database (englisch)
- Hilary Mantels Website
- Video (englisch) auf guardian.co.uk vom 7. Oktober 2009
- «Unsere Verantwortlichen wissen vielleicht nicht einmal, wann sie lügen»: Hilary Mantel schlägt den Bogen von Englands Vergangenheit zur Gegenwart, Interview, Neue Zürcher Zeitung, 29. März 2020, abgerufen 2. April 2020
- Marion Löhndorf: Wenn die Nadel des Zweifels eindringt. Die britische Schriftstellerin Hilary Mantel spricht über ihr Œuvre, über ihren Blick auf Thomas Cromwell und eine missverstandene Rede., Interview, Neue Zürcher Zeitung, 2. März 2013, S. 63f, abgerufen 6. März 2013
- "Wie leicht es wäre, sie zu erschießen", Gespräch, Die Welt, 27. September 2014, abgerufen 27. September 2014
Einzelnachweise
- Eine Besessene, immer absolut flüssig., FAZ vom 6. Juli 2012
- Hilary Mantel, Offizielle Seite des Booker Prize mit Kurzbiografie (engl.), abgerufen am 30. September 2012
- Wolf Hall (Memento vom 8. Oktober 2009 im Internet Archive), Official Site Booker Prize mit Kurzbiografie (engl.), abgerufen am 6. Juli 2012.
- Booker-Preisträgerin Hilary Mantel Ein bewegender Lebensbericht, Rezension von Frank Meyer im Deutschlandradio Kultur vom 21. Februar 2015, abgerufen 24. Februar 2015
- WDR: Kulturradio WDR 3: Historien-Roman „Brüder“ als 13-stündige Hörspielserie - Presselounge - WDR. 19. Juli 2018, abgerufen am 7. September 2018.
- Stephanie Merritt: The Mirror and the Light by Hilary Mantel review – a shoo-in for the Booker prize. In: The Guardian. 1. März 2020, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 6. März 2020]).
- Sigrid Löffler: Brillant, belesen, zu Ruchlosigkeiten fähig, deutschlandfunkkultur.de, erschienen und abgerufen 23. März 2020
- Last Morning in Al Hamra – Shiva Naipaul Prize, 1987, Seite des Spectator mit dem prämierten Text von Mantel (englisch)
- Meldung auf zeit.de vom 7. Oktober 2009, abgerufen am 6. Juli 2012
- Meldung auf guardian.co.uk vom 16. Oktober 2012, abgerufen am 16. Oktober 2012
- Meldung auf zeit.de vom 17. Oktober 2012, abgerufen am 17. Oktober 2012
- Costa Novel Award Winner2012 (Memento des Originals vom 25. Juni 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF; 150 kB)
- Mark Chandler: Mantel wins £25k Walter Scott Prize for second time, thebookseller.com, 18. Juni 2021, abgerufen am 26. Oktober 2021
- http://news.sky.com/story/1281969/queens-birthday-honours-stephen-suttons-mbe
- Als erstes Porträt eines lebenden Schriftstellers in der British Library überhaupt; FAZ.net, 14. Februar 2014: Englands erste Autorin
- Companions of Literature. Abgerufen am 27. Oktober 2021 (britisches Englisch).
- "Jeder Tag ist Muttertag" Schauergeschichte mit bösem Humor, DeutschlandRadio Kultur, 20. April 2016
- "Im Vollbesitz des eigenen Wahns" Mehr als eine bösartige Satire, Kultumea.de, 1. November 2016
- Hartwig Tegeler: „Idealisten sind die besten Tyrannen“, deutschlandfunkkultur.de 22. Oktober 2018, abgerufen 23. März 2020