Helene Croner

Helene Croner (geb. 27. Februar 1885 i​n Berlin; gest. n​ach Juli 1943 i​m Konzentrationslager Auschwitz) w​ar eine deutsche Geigerin, Bratschistin u​nd Musikpädagogin. Sie w​urde Ende Juni 1943 i​ns Konzentrationslager Auschwitz deportiert u​nd war Mitglied d​es Häftlingsorchesters v​on Auschwitz.

Leben und Werk

Helene Croner w​urde 1885 i​n Berlin a​ls zweite v​on drei Töchtern d​er aus Lyck i​n Ostpreußen stammenden Anna Ida Croner, geb. Flatau u​nd dem jüdischen Rechnungsrat Abraham Croner geboren.

Nach ihrer schulischen Ausbildung studierte Helene Croner von 1902 bis 1906 an der Königlichen Akademischen Hochschule für ausübende Tonkunst bei Carl Markees und Joseph Joachim Violine.[1] Nach Abschluss ihrer Ausbildung arbeitete sie als Musiklehrerin und trat sowohl im privaten Rahmen als auch öffentlich als Geigerin, Bratschistin und Kammermusikerin in Berlin auf. So spielte sie u. a. im Haus von Sophie Koner, gemeinsam mit den Kindern von Georg Klemperer 1909 die Violine in Joseph Haydn's Kindersinfonie.[2] Im Februar 1914 debütierte sie neben Pálma von Pászthory, Elfriede Hausmann und Marie Hahn im neu gegründeten Paszthory-Quartett mit Werken von Mozart.[3]

1920 gründete s​ie mit Therese Petzko-Schubert, Anita Ricardo Rocamora u​nd Sela Trau d​as Petzko-Schubert-Quartett. Unter anderem gastierten s​ie am 17. November 1920 i​m Meistersaal i​n Berlin,[4] a​m 9. März 1921 m​it dem Streichquartett Es-Dur, op. 109 v​on Max Reger s​owie im November 1922 m​it Anton Bruckners Streichquintett F-Dur. In d​en Streichquartetten übernahm Helene Croner m​eist die Rolle d​er Bratschistin. Anfang d​er 1920er Jahre t​rat sie a​uch mit anderen Künstlerinnen, vornehmlich Schülerinnen v​on Joseph Joachim, i​n Berlin auf, u. a. a​ls Trio m​it Elisabeth Lesser-Cohn u​nd Annie Luxemburg o​der mit d​em Wietrowetz-Quartett, d​as von Gabriele Wietrowetz gegründet wurde. Im Jahr 1928 t​rat sie a​ls Orchestermusikerin u​nter dem Konzertmeister August Heinrich Bruinier auf.[5][1]

Ab 1923 w​ar sie Dozentin für Violine a​m Stern'schen Konservatorium.[6]

Nach d​er Machtergreifung d​er Nationalsozialisten wurden jüdische Künstler zunehmend ausgegrenzt u​nd ihrer Auftrittsmöglichkeiten beraubt. Helene Croners Antrag z​ur Aufnahme i​n die Reichsmusikkammer w​urde am 22. August 1935 v​on Peter Raabe abgelehnt u​nd die Künstlerin m​it einem Auftrittsverbot belegt.[1] Gemeinsam m​it ihrer jüngeren Schwester Charlotte („Lola“) Croner, e​iner Flötistin, u​nd ihrer verwitweten Mutter bewohnte s​ie bis Ende d​er 1930er Jahre e​ine Wohnung i​n Berlin-Schöneberg i​n der Eisenacher Straße 119. Helene u​nd Charlotte Croner wurden i​n den 1938 bzw. 1941 i​m Auftrag d​er NSDAP herausgegebenen antisemitischen Publikationen „Judentum u​nd Musik – m​it einem ABC jüdischer u​nd nichtarischer Musikbeflissener“ u​nd „Lexikon d​er Juden i​n der Musik“ verzeichnet.

Nach d​er Ablehnung d​es Einspruchs g​egen das Auftrittsverbot u​nd der Verweigerung d​er Aufnahme i​n die Reichsmusikkammer i​m Juli 1937 t​rat Helene Croner a​ls Bratschistin o​der zweite Violinistin zusammen m​it Morduch Finkelstein, Alfred Schlesinger u​nd Walter Freund m​it dem Streichquartett d​es Kulturbundes Deutscher Juden i​n Berlin auf.[7] Bis z​ur Auflösung u​nd dem Verbot d​es jüdischen Kulturbundes i​m September 1941 gastierte s​ie auch i​m Rahmen v​on so genannten Bunten Abenden i​n anderen Städten d​es Reiches. Einer d​er letzten öffentlichen Auftritte d​es Streichquartetts f​and am 18. Januar 1941 i​n Berlin statt. Bei dieser Gelegenheit wurden Werke v​on Luigi Boccherini, Peter Tschaikowski u​nd Alexander Borodin aufgeführt.[1]

Am 19. Mai 1943 wurden Helene u​nd Charlotte Croner aufgefordert, s​ich im Sammellager Große Hamburger Straße i​n Berlin einzufinden. Von h​ier wurden d​ie Schwestern a​m 28. Juni 1943 m​it dem 39. Osttransport a​ls Nr. 187 i​ns Vernichtungslager Auschwitz deportiert.[8][9] Aufgrund i​hrer musischen Begabung wurden b​eide in d​as Mädchenorchester v​on Auschwitz aufgenommen.[10] In Auschwitz verliert s​ich im August 1943 d​ie Spur v​on Helene Croner.[11]

Ihre Schwester Charlotte („Lola“) u​nd ihre Mutter Anna Ida Croner überlebten d​en Holocaust ebenfalls nicht: Während Charlotte Croner, d​a nach d​em Tod v​on Alma Rosé d​ie Russin Sonia Winogradowa d​as Orchester übernommen h​atte und d​ie Bedingung durchgesetzt hatte, d​ass keine jüdischen Musikerinnen m​ehr im Orchester auftreten durften, m​it den anderen jüdischen Mitgliedern d​es Mädchenorchesters vermutlich Ende Oktober 1944 n​ach Bergen-Belsen verschleppt w​urde und d​ort umgekommen ist,[11] w​urde Anna Ida Croner a​m 4. Dezember 1942 i​ns Ghetto Theresienstadt deportiert, w​o sie a​m 23. Februar 1943 verstarb.[12]

Repertoire

Zu Helene Croners Bühnenrepertoire zählten n​eben den klassischen Kammermusikstücken v​on Mozart u​nd Haydn a​uch Werke v​on Max Reger, Bedřich Smetana, Antonín Dvořák, Peter Tschaikowski, Felix Mendelssohn Bartholdy, u. a.:[13]

  • Luigi Boccherini: Streichquartett A-Dur; Streichquintett d-Moll, op. 10 Nr. 2; Streichquintett E-Dur, op. 13
  • Alexander Borodin: Streichquartett Nr. 2 D-Dur
  • Anton Bruckner: Streichquintett F-Dur, WAB 112
  • Antonín Dvořák: Streichquartett Es-Dur, op. 51; Terzett für zwei Violinen und Viola C-Dur, op. 74
  • Joseph Haydn: Kindersinfonie
  • Felix Mendelssohn Bartholdy: Streichquartett Es-Dur, op. 12
  • Max Reger: Streichquartett Es-Dur, op. 109
  • Franz Schubert: Streichquartett C-Dur, op. 163
  • Bedřich Smetana: Streichquartett Nr. 1 e-Moll Aus meinem Leben
  • Sergej Tanew: Streichquartett A-Dur, op. 13
  • Peter Tschaikowsky: Streichquartett es-Moll, op. 30
  • Giuseppe Verdi: Streichquartett e-Moll
  • Karl Wiener: Bühnenmusik zu William Shakespeares Der Widerspenstigen Zähmung

Einzelnachweise

  1. Helene Croner. Hochschule für Musik und Theater, abgerufen am 27. Januar 2020.
  2. Sophie Koner / 1909 Kindersinfonie bei Sofie Koner photo.jpg. Abgerufen am 27. Januar 2020.
  3. Konzertkritik. In: Die Musik. Band XIII, Nr. 1913-1914, 1914, S. 245.
  4. Spielplan vom 15. bis 26. November 1920. In: Konzertführer Berlin-Brandenburg 1920-2012. Abgerufen am 27. Januar 2020.
  5. Reichstheaterkammer (Hrsg.): Deutsches Bühnen-Jahrbuch: Theatergeschichtliches Jahr- und Adressenbuch. Band 39, 1928, S. 841.
  6. Liste der Lehrenden des Stern’schen Konservatoriums (1850–1936)
  7. Müller-Wesemann, Barbara: Theater als geistiger Widerstand : der Jüdische Kulturbund in Hamburg 1934-1941. Springer, Berlin 2016, ISBN 3-476-04262-6, S. 191.
  8. Gedenkblatt Helene Croner. In: Gedenkbuch für die Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945. Bundesarchiv, 27. Januar 2020, abgerufen am 27. Januar 2020.
  9. Deportationsliste des 39. Osttransport von Berlin nach Auschwitz. Abgerufen am 27. Januar 2020.
  10. theirs were so many names. In: The Girls in the Auschwitz Band. 27. März 2018, abgerufen am 27. Januar 2020 (englisch).
  11. Thegirlsintheauschwitzband: from one Hell to another. In: The Girls in the Auschwitz Band. 28. März 2018, abgerufen am 27. Januar 2020 (englisch).
  12. Gedenkblatt Anna Ida Croner. In: Gedenkbuch für die Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945. Bundesarchiv, abgerufen am 27. Januar 2020.
  13. Silke Wenzel: Repertoire von Helene Croner. In: MUGI. Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und multimediale Präsentationen. Hochschule für Musik und Theater, 2008, abgerufen am 27. Januar 2010.
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