Gabriele Wietrowetz

Gabriele Wietrowetz (* 13. Januar 1866 i​n Ljubljana, Kaisertum Österreich; † 6. April 1937 i​n Berlin) w​ar eine d​er bedeutendsten Violinistinnen Europas d​es 19. u​nd 20. Jahrhunderts. Sie w​ar Schülerin Joseph Joachims u​nd lehrte v​on 1901 b​is 1912 a​n der Königlichen Hochschule für Musik i​n Berlin (heute: Universität d​er Künste).[1]

Leben

Gabriele Wietrowetz w​urde in Laibach (damals Kaisertum Österreich) geboren u​nd verbrachte a​b 1870 i​hre Kindheit i​n Graz. Im Alter v​on fünf Jahren erhielt s​ie ersten Geigenunterricht v​on ihrem Vater, e​inem böhmischen Musiker,[2] u​nd erhielt später Unterricht a​n der Steiermärkischen Musikschule i​n Graz v​on A. Geyer u​nd Ferdinand Casper. Ihr erster öffentlicher Auftritt i​st durch Konzertrezensionen für d​as Jahr 1877 nachweisbar.

Von 1882 bis 1885 studierte Gabriele Wietrowetz an der 1869 neu gegründeten Königlichen Hochschule für Musik in Berlin bei Joseph Joachim und Emanuel Wirth. Sie erhielt zweimal den Mendelssohn-Preis. Ihr Debütkonzert fand vermutlich am 22. Dezember 1884 in Berlin statt. Nach Abschluss ihres Studiums unternahm Gabriele Wietrowetz mehrere Konzertreisen, u. a. durch England, Frankreich, die Schweiz, Schweden und Norwegen. 1889 organisierte die Berliner Konzertdirektion Wolff mehrere Auftritte von ihr. 40 Jahre lang war sie im internationalen Konzertleben präsent und spielte mit renommierten Orchestern wie den Berliner Philharmonikern, dem Londoner Orchester der Philharmonic Society oder dem Orchestre municipal de Strasbourg. Sie trat u. a. mit Marie Wieck und dem Bariton Frans Gustaf Oscar Lomberg auf. Im Jahr 1900 ist Gabriele Wietrowetz als Mitglied im Streichorchester der Berliner Tonkünstlerinnen nachweisbar.

Als „erste u​nd zu i​hrer Zeit einzige Frau i​n der Streicherklasse“[3] d​er Königlichen Hochschule für Musik i​n Berlin unterrichtete s​ie dort a​b 1901 b​is 1912 a​ls „außerordentliche Lehrerin für Violinspiel“. Zudem unterrichtete s​ie auch privat. Sie gründete 1905 e​in Damen-Streichquartett („Wietrowetz-Quartett“), z​u deren Gründungsmitgliedern Martha Drews (2. Violine) u​nd Erna Schulz (Viola) s​owie Eugenie Stoltz (Violoncello) gehörten. Das Quartett g​ab in wechselnden Besetzungen regelmäßig Konzerte, löste s​ich 1917 jedoch auf. Daraufhin gründete Gabriele Wietrowetz e​in Klaviertrio zusammen m​it Käthe v​on Gizycki (Klavier) u​nd Hermann Hopf (Violoncello).[4]

Gabriele Wietrowetz s​tarb am 6. April 1937 i​n Berlin. Ihre letzte Adresse i​n Berlin befand s​ich in d​er Knesebeckstraße 77.[5]

In d​er Todesanzeige, d​ie von Felix Mendelssohns ältester Tochter Marie v​on Mendelssohn aufgegeben wurde, heißt es: „Durch i​hre Kunst i​m Violinspiel u​nd ihr feinsinniges Wesen w​ird sie a​llen unvergesslich bleiben, d​ie sie persönlich kannten o​der sich a​n ihrem künstlerischen Spiel erfreuen durften.“ (Berliner Tageblatt, 8. April 1937, zit. n. Prante 1999, S. 125)[6]

Repertoire

Solokonzerte

  • Bach, Johann Sebastian: Doppelkonzert d-Moll BWV 1043
  • Beethoven, Ludwig van: Violinkonzert D-Dur op. 61
  • Brahms, Johannes: Violinkonzert D-Dur op. 77
  • Bruch, Max: 2. Violinkonzert d-Moll op. 44
  • Joachim, Joseph: Konzert in ungarischer Weise für Violine und Orchester op. 11
  • Mendelssohn Bartholdy, Felix: Violinkonzert e-Moll op. 64
  • Spohr, Louis: Violinkonzert Nr. 9 d-Moll op. 55; Violinkonzert Nr. 8 a-Moll „in modo di scena cantante“ („in Form einer Gesangsszene“)

Solosonaten

  • Brahms, Johannes: Violinsonate G-Dur op. 78
  • Kuyper, Elisabeth: Violinsonate h-Moll (Uraufführung in Den Haag)

Kammermusik

  • Brahms, Johannes: Klaviertrio H-Dur op. 8
  • Beethoven, Ludwig van: Klaviertrio c-Moll op. 9 Nr. 5
  • Mozart, Wolfgang Amadeus: Streichquartett C-Dur KV 465[7]

Literatur

  • Christa Brüstle: Musikerinnen in Graz und in der Steiermark. Ein Beitrag zur Geschichte des bürgerlichen Musiklebens als Handlungsraum für Frauen (= Karin M. Schmidlechner (Hrsg.): Grazer Gender Studies, Band 16). Leykam Buchverlag, 2020.
  • A. Ehrlich [d. i. Albert Payne]: Berühmte Geiger der Vergangenheit und Gegenwart. Eine Sammlung von 88 Biographien und Portraits. Leipzig 1893, S. 302–304.
  • Yuki Melchert: Gabriele Wietrowetz. Ein „weiblicher Joachim“? Ein Beitrag zur Künstlerinnensozialgeschichte zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Olms, Hildesheim u. a. 2018.
  • Anna Morsch: Deutschlands Tonkünstlerinnen. Biographische Skizzen aus der Gegenwart. Stern & Ollendorff, Berlin 1893.
  • Inka Prante: Die Schülerinnen Joseph Joachims. Wissenschaftliche Hausarbeit zur Ersten Staatsprüfung für das Amt des Lehrers, Berlin. Unveröffentlichtes Typoskript, 1999.
  • Henry Roth: Women and the Violin. In: The Strad 83 (1972), S. 551–563.
  • Dietmar Schenk: Die Hochschule für Musik zu Berlin. Preußens Konservatorium zwischen romantischem Klassizismus und Neuer Musik, 1869–1932/33. Franz Steiner, Stuttgart 2004, hier S. 109, 114.
  • Annkatrin Babbe: Wietrowetz, Wietrowitz, Gabriele. In: Freia Hoffmann (Hrsg.): Europäische Instrumentalistinnen des 18. und 19. Jahrhunderts. 2012. Online-Lexikon des Sophie Drinker Instituts.
  • Silke Wenzel: Wietrowetz, Wietrowitz, Gabriele. In: Beatrix Borchard, Nina Noeske (Hrsg.): MUGI. Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und multimediale Präsentationen. Hochschule für Musik und Theater Hamburg, 2003 ff. Stand 20. April 2007.
  • Kunst-Uni Graz, Zentrum für Genderforschung, „Frauen in der Geschichte der Musikausbildung und des Musiklebens in Graz - Porträts und Kontexte“ (Artikel zu Gabriele Wietrowetz), genderforschung.kug.ac.at abgerufen am 16. Mai 2021
  • Kunst-Uni Graz, Zentrum für Genderforschung, „Gabriele Wietrowetz“, genderforschung.kug.ac.at abgerufen am 16. Mai 2021

Einzelnachweise

  1. Silke Wenzel: Gabriele Wietrowetz. In: Beatrix Borchard, Nina Noeske (Hrsg.): MUGI. Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und multimediale Präsentationen. Hochschule für Musik und Theater Hamburg, 2003 ff. Stand 20. April 2007.
  2. Annkatrin Babbe: Artikel „Wietrowetz, Wietrowitz, Gabriele“. In: Europäische Instrumentalistinnen des 18. und 19. Jahrhunderts. 2012. Online-Lexikon des Sophie Drinker Instituts, hrsg. von Freia Hoffmann.
  3. Yuki Melchert: Gabriele Wietrowetz. Ein „weiblicher Joachim“? Ein Beitrag zur Künstlerinnensozialgeschichte zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Hildesheim u. a. Olms 2018, S. 9.
  4. Silke Wenzel: Gabriele Wietrowetz. In: Beatrix Borchard, Nina Noeske (Hrsg.): MUGI. Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und multimediale Präsentationen. Hochschule für Musik und Theater Hamburg, 2003 ff. Stand 20. April 2007 [passim].
  5. Wietrowetz. In: Berliner Adreßbuch, 1937, Teil 1, S. 3030.
  6. Silke Wenzel: Gabriele Wietrowetz. In: Beatrix Borchard, Nina Noeske (Hrsg.): MUGI. Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und multimediale Präsentationen. Hochschule für Musik und Theater Hamburg, 2003 ff. Stand 20. April 2007 [Abschnitt: Biografie].
  7. Silke Wenzel: Gabriele Wietrowetz. In: Beatrix Borchard, Nina Noeske (Hrsg.): MUGI. Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und multimediale Präsentationen. Hochschule für Musik und Theater Hamburg, 2003 ff. Stand 20. April 2007 [Abschnitt: Repertoire].
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