Heiko Michels
Heiko Michels (* 20. Juni 1977 in Kiel) ist ein deutscher Theaterregisseur. Er ist künstlerisch auch als Autor, Musiker und Performer tätig.
Leben
Michels begann seine Regielaufbahn autodidaktisch in der autonomen Szene in Kiel. In Berlin studierte er Theaterwissenschaft bei Helmar Schramm und Erika Fischer-Lichte und erlangte den Magister-Grad. Seine Forschungsschwerpunkte waren Katharsis, Karneval und Tragödie.
Parallel zum Studium inszenierte er an außergewöhnlichen Orten in Berlin: Orestie (2002) im stillgelegten Stadtbad Oderberger Straße und Kino der Freiheit (2005) im Flutbunker unter der Arena Berlin waren Produktionen mit über 20 Schauspielern, die bei Publikum und Presse Aufmerksamkeit erregten.[1]
Zusammen mit dem Philosophen und Dramaturgen Fabian Larsson gründete er das Label Limited Blindness und entwickelte „Theater in extremen Wahrnehmungssituationen“. Sie realisieren mehrere Arbeiten in völliger Dunkelheit: Matrosenaufstand (2008 Kiel, Hamburg, Berlin)[2] und Der Faden ist gerissen (Greiz 2015); die Arbeit KlimaX (2009) in der Muffathalle München simulierte bei realer Erhitzung des Theaters die Klimaerwärmung.[3] Die Live-Hörsiel-Performance Funken der Liebe (Berlin 2021) zum Jubiläum des Hauses des Rundfunks entkoppelt im Clair-obscur des historischen Sendesaals akustische und visuelle Schauspielwahrnehmung.[4] Scripte entstehen als Collage historischer Texte und in eigener Feder.
Als Autor schrieb er für sein Projekt Weinkörper and the opaque society[5] diskursive Theatertexte: Die Reihe Ende der Nüchternheit (2013)[6] spielte über ein Jahr auf einer Nebenspielbühne des Thalia-Theaters Hamburg und im Heimathafen Neukölln in Berlin.[7] Mit diesen Arbeiten bekam er gleichzeitig Stückaufträge aus der Wirtschaft.[8] 2018 wurde Michels kultureller Berater und Autor im internationalen „Therme Art Program“.[9] Im September 2020 co-kuratierte Michels die dreitägige Talkserie zur Berlin Art Week From Breaking Bauhaus to Growing Gaia im Hof der König Galerie Berlin.[10]
Mit dem Musik-Performance-Projekt scorbüt[11] war er im Deutschen Theater Berlin, der Volksbühne Berlin, dem Gorki-Theaters Berlin und europaweit auf Gastspielen zu sehen.
Michels Interesse an Grenzen der Wahrnehmung spiegelt sich auch in seiner Beschäftigung an den realen Grenzen des deutschen Kulturraums. 2014 war er Artist in Residence der polnischen Grenzstadt Stettin im Zentrum für zeitgenössische Kunst Trafostacja und entwickelte das Projekt Bloto Odry – Oderschlamm.[12] Im F.I.E.F bei Avignon (Frankreich) arbeitete er im Auftrag des Deutsch-Französischen Jugendwerkes als Schauspieldozent über die Differenz zeitgenössischer deutscher und französischer Schauspielstilistik.[13]
Kritik
Michels’ Arbeiten sind anti-psychologisch. Es entstehen keine Figuren, in die man sich einfühlen kann, sondern es wird bewusst mit Effekt und auf Affekt inszeniert. Diese Arbeitsform wird, auch im Zusammenhang mit der Regietheater-Debatte, als Effekthascherei kritisiert.[14]
Der Berliner Tagesspiegel debattierte, ob seine Inszenierung es gärt mit Weinausschank im Berliner Stadtteil Neukölln nicht im Zeichen der Gentrifizierung als „Lifestyle-Stuss“[15] begriffen werden müsse.
Weblinks
Einzelnachweise
- Miese Mörder tauchen im Schwimmbad unter Berliner Kurier vom 15. Mai 2002, abgerufen am 6. März 2015.
- Manipulation im Dunkeln Hamburger Abendblatt vom 14. März 2009, abgerufen am 6. März 2015.
- Regie im Klima-Theater Neon Magazin, abgerufen am 6. März 2015.
- Funken der Liebe – Live-Hörspiel-Performance auf Grundlage des Hörspiels "SOS…rao rao…Foyn" von Friedrich Wolf von 1929. In: rbb-online.de, abgerufen am 21. Dezember 2021.
- www.weinkoerper.de, abgerufen am 6. März 2015.
- Ende der Nüchternheit. Thalia Theater, abgerufen am 6. März 2015.
- Nicht nur Menschen haben Charakter. Berliner Zeitung vom 28. Oktober 2011, abgerufen am 6. März 2015.
- Es gärt - frisch und spritzig.Deutsches Handwerksblatt, Mai 2011, abgerufen am 6. März 2015.
- therme.art, abgerufen am 27. März 2019.
- Therme Art Events, abgerufen am 24. September 2020.
- Häfen, Möwen, Meer, Wind, Freiheit und Liebe. Potsdamer Neueste Nachrichten, 17. April 2012, abgerufen am 6. März 2015.
- trafo.org, abgerufen am 10. Oktober 2015.
- www.forum-forum.org, abgerufen am 10. Oktober 2015.
- vlg. dazu die Debatte im Kommentar-Teil einer Kritik auf nachtkritik.de: Jens Wellhöhner: Revolution im Kopf nachtkritik.de vom 5. September 2008. (Gesichtet am 6. März 2015)
- Gunda Bartels: Die Weinflüsterer. Tagesspiegel, 9. März 2012, abgerufen am 6. März 2015