Heidelberger Frühling
Das Internationale Musikfestival Heidelberger Frühling ist ein seit 1997 jährlich im März und April in Heidelberg stattfindendes klassisches Musikfestival mit über 100 Veranstaltungen und 47.000 Besuchern (2018).[1] Neben den Produktionen des Festivals und dem Konzertbetrieb mit international etablierten Interpreten, Ensembles und Orchestern konzipiert und veranstaltet der als gemeinnützige GmbH organisierte „Heidelberger Frühling“ weitere Projekte wie das Streichquartettfest Heidelberg, die Heidelberg Festival Akademie für Liedgesang, Kammermusik, Komposition und Musikjournalismus sowie die Heidelberg Music Conference, eine jährliche Tagung der bedeutenden europäischen Festivals und Konzerthäuser. Geschäftsführender Intendant ist Thorsten Schmidt.[2] Der Heidelberger Frühling gehört zur Festivalregion Rhein-Neckar.
Geschichte
Der erste „Heidelberger Frühling“ fand 1996 statt. Nach den ersten beiden Jahren beim Philharmonischen Orchester unter der Leitung seines Generalmusikdirektors Thomas Kalb wurde das Musikfestival eigenständig. Im März 2006 wurde die Heidelberger Frühling gGmbH gegründet. 2010 wurde die Stiftung Heidelberger Frühling ins Leben gerufen und 2011 feierte der Freundeskreis des Heidelberger Frühlings sein 10-jähriges Bestehen. 2016 feierte das Festival seinen 20. Geburtstag.
Streichquartettfest
Seit 2005 schafft das Heidelberger Streichquartettfest eine Atmosphäre der konzentrierten Entschleunigung, des Miteinanders von Künstlern und Besuchern, des Eintauchens in die Beschäftigung mit der Gattung Streichquartett. Von morgens bis in die Nacht gestalten herausragende Ensembles das anspruchsvolle Programm aus Workshops, Vorträgen und Konzerten. Fand das Streichquartettfest zunächst noch im Rahmen des Musikfestivals Heidelberger Frühling statt, ist es seit 2012 ein eigenes kleines Festival, das immer für vier Tage Ende Januar stattfindet. Eingeladen werden jedes Jahr vier bis fünf Ensembles, wobei etablierte Quartette auf junge Newcomer treffen. Die Workshops werden derzeit von Radiomoderator, Regisseur und Drehbuchautor Daniel Finkernagel und dem Geiger Oliver Wille (Kuss Quartett) gehalten und setzen sich vertiefend mit Fragen der Gestaltung und Interpretation auseinander. Spielort für das Streichquartettfest ist die zu diesem Zweck als Festivalforum bezeichnete Alte Pädagogische Hochschule Heidelberg, die neben einem Konzertsaal und Probenräumen auch eine Festivalcafeteria bietet, die zwischen und nach den Veranstaltungen als Treffpunkt für alle Künstler und Gäste dient.
Festival-Akademie
Die 2011 gegründete Festival-Akademie ist das kreative Zentrum des Heidelberger Frühlings. Hier kommen junge herausragende Musiker aus aller Welt zusammen, um gemeinsam zu musizieren, sich auszutauschen, Inspiration zu finden und weiterzugeben, nachzudenken und neue Kontakte zu knüpfen. Die Festival Akademie versteht sich als ein Ort der Verbindung, der Öffnung und der Vertiefung. Sie beschäftigt sich mit der Musik in ihrer gesellschaftspolitischen Dimension, macht Entstehungsprozesse sichtbar und regt zum Diskurs über ihre Bedeutung und Perspektiven an. Open Classes und Open Stages, Werkstattkonzerte und Gesprächsrunden – in diesen und anderen Formaten kann das Publikum die jungen Künstler bei ihrer Arbeit kennenlernen und den Mentoren über die Schulter schauen.
Die Festival Akademie des Heidelberger Frühlings umfasst vier Bereiche: Lied (künstlerischer Leiter: Thomas Hampson), Kammermusik (künstlerischer Leiter: Igor Levit), Komposition (Nachfolge des Heidelberger Ateliers, künstlerischer Leiter: Matthias Pintscher) und Musikjournalismus (seit 2015, Leiterin: Eleonore Büning). Mentoren aktueller und vergangener Akademiejahrgänge sind Barbara Bonney, Ian Bostridge, Brigitte Fassbaender, Graham Johnson, Thomas Quasthoff, Wolfram Rieger, Veronika Eberle, Ning Feng, Matan Porat, Thorleif Thedéen, Frederic Rzewski, Manuel Brug und Sophie Diesselhorst. Hinzu kommen zahlreiche Fachreferenten aus geisteswissenschaftlichen Disziplinen.
Liedschwerpunkt
Heidelberg gilt als Stadt des Liedes – nicht zuletzt durch Clemens Brentanos und Achim von Arnims Liedsammlung Des Knaben Wunderhorn. Deshalb macht es sich der Heidelberger Frühling zur Aufgabe, die von vielen als hermetisch empfundene Gattung des Kunstliedes wieder einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Die Gründung des Internationalen Liedzentrums Heidelberg im Februar 2016 bündelt diese Aktivitäten.[3] Zu den ersten Projekten des Liedzentrums gehört einer der renommiertesten Wettbewerbe für Liedgesang – Thomas Quasthoffs International Song Competition Das Lied, der seit 2009 alle zwei Jahre ausgetragen wird und 2017 erstmals in Heidelberg stattfand.[4]
Einen prominenten Mitstreiter hat das Festival in dem amerikanischen Bariton Thomas Hampson, der Heidelberg und dem Heidelberger Frühling seit der „Wunderhorn-Woche“ 2006 eng verbunden ist. Unter seiner Leitung fanden in der Vergangenheit mehrfach Interpretationskurse und Symposien mit jungen Gesangsstudenten statt, seit 2011 ist Hampson künstlerischer Leiter der Lied Akademie des Heidelberger Frühling. Neben der Lied-Akademie stehen seit jeher zahlreiche klassische Liederabende auf dem Programm. So waren in der Vergangenheit bereits fast alle großen Liedinterpreten in der Neckarstadt zu hören, unter anderem Annette Dasch, Jonas Kaufmann, Christine Schäfer, Christian Gerhaher, Christoph Prégardien, Thomas Hampson und viele andere. Neben etablierten Größen erhalten auch aufstrebende Neuentdeckungen in Heidelberg ein Podium, so etwa die Sopranistin Hanna-Elisabeth Müller und der Bariton Andrè Schuen.
Ein besonderes Anliegen ist es dem Festival, Ansätze herauszuarbeiten, was die Tradition des Liedes in seiner mannigfaltigen Gestalt uns heute und in Zukunft noch zu sagen hat. Dies schlägt sich nieder im 2015 eingeführten Format „Lied.Lab“, bei dem junge Sänger konzeptionellen Freiraum erhalten, ihre persönliche Vision davon zu entwickeln, wie für sie der Liederabend der Zukunft aussehen sollte. Ein Experiment mit neuen Formen, ungewöhnlichen Orten, überraschenden Kombinationen und Grenzaufhebungen.
Musikvermittlung von Jugendlichen für Jugendliche
Unter dem Namen „Classic Scouts“ machen seit 2008 Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren Gleichaltrige mit dem „Frühling“ vertraut und versuchen, sie für klassische Musik zu begeistern. Sie geben Konzerteinführungen und begleiten junge Klassik-Neulinge bei ihrem ersten Konzertbesuch. Sie interviewen Festivalkünstler und verfassen Artikel für das „Classic Scouts Journal“ der Rhein-Neckar-Zeitung. Sie erleben Künstler bei Probenbesuchen, Künstlertreffen und Workshops, zum Teil auch in Schulen, und gestalten im Rahmen des Festivals ihren eigenen Abend, von der Konzeption bis zur Ausführung. Gefördert wird das Projekt von Beginn an vom SAS Institute. Zudem stiftete der Trompeter Reinhold Friedrich das Preisgeld des 2014 an ihn verliehenen Pfalzpreises an das Jugendprojekt. Im Oktober 2015 wurde der Heidelberger Frühling für das Projekt „Classic Scouts“ mit dem ECHO Klassik in der Kategorie Nachwuchsförderung ausgezeichnet.[5]
Heidelberg Music Conference
Seit 2013 veranstaltet der Heidelberger Frühling im Festivalzeitraum eine zweitägige Fachtagung für die klassische Konzert- und Festivalbranche. Die Heidelberg Music Conference[6] widmet sich jedes Jahr einem anderen Thema.
- 2013: „Festivals 3.0 – eine Möglichkeit Zukunft zu gestalten?“, die Eröffnungskeynote hielt Gerard Mortier
- 2014: „Neues schaffen statt Copy & Paste“, u. a. mit Architekt und ausgebildetem Musiker Daniel Libeskind
- 2015: „Die Kunst ist frei – aber wie lange noch?“
- 2018: „Der Kult des Besonderen – Wie eine Gesellschaft im Wandel das Verhältnis von Musikbetrieb und Publikum revolutioniert“
Musikpreis des Heidelberger Frühling
Seit 2013 gibt es den Musikpreis des Heidelberger Frühling.[7] Die Auszeichnung ist mit 10.000 Euro dotiert und wird jährlich im Wechsel an Kulturschaffende oder Kulturjournalisten vergeben, die sich substanziell und nachhaltig für die Vermittlung von klassischer Musik einsetzen. Bisherige Preisträger sind:
- 2013: Klarinettist, Komponist und Dirigent Jörg Widmann
- 2014: Musikjournalistin Eleonore Büning
- 2015: Österreichischer Pianist und Kulturmanager Markus Hinterhäuser
- 2016: Bariton Christian Gerhaher
- 2017: Hotelier und Festivalleiter Klaus Lauer (Römerbad-Musiktage, Badenweiler Musiktage)[8]
- 2018: Pianistin Gabriela Montero
- 2019: John Gilhooly (Direktor Wigmore Hall)
- 2020: Thomas Hampson[9]
Leitgedanken
- 1997 Brahms-Fest
- 1998 Text und Takt
- 1999 Wendezeichen I
- 2000 Wendezeichen II
- 2001 Vom Eise befreit
- 2002 Zwischen Zeit und Ewigkeit
- 2003 Schein und Spiel
- 2004 Aus der Neuen Welt
- 2005 Dialoge
- 2006 Die Gedanken sind frei
- 2007 Das Eigene und das Fremde
- 2008 Zwischentöne
- 2009 Identität
- 2010 Ach Europa
- 2011 Zeitenwechsel
- 2012 Metamorphosen
- 2013 Perspektiven
- 2014 Parallelgeschichten
- 2015 Freiheit wagen
- 2016 essential gifts
- 2017 In der Fremde
- 2018 Freiheit
- 2019 Wie wollen wir leben?
- 2020 Unterwegs
Spielstätten
Der Heidelberger Frühling hat seit seiner Gründung fast 50 Orte in Heidelberg und in der Metropolregion Rhein-Neckar bespielt. Festivalzentrum ist die Kongresshaus Stadthalle Heidelberg aus der Gründerzeit, weitere aktuell bespielte Orte sind unter anderem die Aula der Alten Universität Heidelberg, die Alte Pädagogische Hochschule Heidelberg, die HebelHalle und die Halle02 und das Alte Hallenbad (Heidelberg). Die Spielstätten sind während des Festivals durch die grünen Fahnen zu erkennen. Als ungewöhnliche Konzertorte dienten dem Festival in der Vergangenheit das Atrium des Forschungs- und Entwicklungszentrums der Heidelberger Druckmaschinen AG, das Operon Auditorium Europäisches Laboratorium für Molekularbiologie, das Studio Villa Bosch, das Restaurant Stadtgarten, das Gesellschaftshaus der BASF SE Ludwigshafen, die Backstube der Bäckerei Mantei.
Finanzierung
Die Stadt Heidelberg ist Gesellschafterin der Heidelberger Frühling gGmbH und stellt zusammen mit dem Land Baden-Württemberg über einen jährlichen Zuschuss ca. 22,6 % des Etats von rund 4,52 Mio. Euro (Stand: Oktober 2018[10]). 77,4 % des Etats erwirtschaftet der Heidelberger Frühling über Eigeneinnahmen (v. a. Einnahmen aus dem Verkauf von Eintrittskarten, Medienrechten und Anzeigen in den Druckerzeugnissen), Fundraising und Sponsoring.
Wesentliches Element des Fundraising ist der Freundeskreis des Heidelberger Frühlings e. V., der seit 2001 besteht und in dem sich mehr als 1000 Unternehmen und Privatpersonen zusammengeschlossen haben[11], um das Festival von Seiten der Heidelberger Wirtschaft und Bürgerschaft zu unterstützen.
Hauptförderer des Heidelberger Frühlings sind HeidelbergCement als Gründungspartner, die MLP AG, Octapharma und SAP SE.
Weblinks
Einzelnachweise
- Sophia Pick: Internationales Musikfestival „Heidelberger Frühling“ 2019. 16. März bis 14. April 2010. Pressemappe. Heidelberg, Internationales Musikfestival Heidelberger Frühling gGmbH. Stand: Oktober 2018. Seite 7 ().
- Stipendiaten für „Heidelberger Frühling“ 2012 ausgewählt, musik-heute.de, abgerufen am 10. Dezember 2011.
- Internationales Liedzentrum Heidelberg: ( Archivlink (Memento des Originals vom 24. Juli 2017 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. )
- Das Lied – International Song Competition:
- Preis für Nachwuchsförderung (Memento des Originals vom 8. Dezember 2015 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , abgerufen am 28. November 2015.
- Heidelberger Music Conference. Abgerufen am 25. November 2018.
- Musikpreis des Heidelberger Frühling. Abgerufen am 25. November 2018.
- Musikpreis des Heidelberger Frühling ().
- "Heidelberger Frühling"-Musikpreis an Thomas Hampson. 24. September 2019, abgerufen am 14. Februar 2021 (deutsch).
- Pressemappe Internationales Musikfestival Heidelberger Frühling gGmbH. S. 7, abgerufen am 25. November 2018.
- Birgit Sommer: 1000 Mitglieder – Das große Ziel ist erreicht. In: Rhein-Neckar-Zeitung. 4. April 2018, abgerufen am 25. November 2018.