Harry Meyen
Harry Meyen (* 31. August 1924 in Hamburg; † 14. April 1979 ebenda; eigentlich Harald Haubenstock) war ein deutscher Schauspieler und Regisseur.
Leben
Meyen wurde 1924 als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren, der während der Zeit des Nationalsozialismus in ein Konzentrationslager verschleppt wurde. Als Achtzehnjähriger wurde Meyen als sogenannter „jüdischer Mischling ersten Grades“ verhaftet. Er überlebte das KZ Neuengamme und wurde am 3. Mai 1945 von Amerikanern befreit.
Meyens berufliche Laufbahn begann 1945 bei Willy Maertens am Hamburger Thalia Theater, dem er sieben Jahre angehörte. Danach spielte er drei Jahre am Aachener Stadttheater und ab 1955 an Berliner Bühnen. Er wirkte auch in zahlreichen Kinoproduktionen mit, in denen er meist als junger Mann aus gutem Hause besetzt wurde, und drehte mit solch renommierten Regisseuren wie Helmut Käutner, Falk Harnack und Wolfgang Staudte. In der Zuckmayer-Verfilmung Des Teufels General spielte er 1955 einen jungen Fliegeroffizier, dem Curd Jürgens als General Harras ins Gewissen redet. Dass Meyen im Laufe seiner Karriere immer wieder Filmrollen in Nazi-Uniform angeboten wurden, mag im Hinblick auf seine eigenen Erfahrungen während der NS-Zeit nicht ohne einen Beigeschmack gewesen sein.
Ab Mitte der sechziger Jahre wandte er sich wieder verstärkt der Bühnentätigkeit zu und erwarb sich den Ruf eines bekannten und versierten Boulevard-Schauspielers und -Regisseurs.[1][2] Gegen Ende seines Lebens war Meyen häufig in Fernsehspielen zu sehen.
Als Synchronsprecher lieh er seine Stimme u. a. Dirk Bogarde (Verbrechen ohne Schuld), Robert Mitchum (Dick und Doof – Die Tanzmeister; erste Synchronfassung), Michel Piccoli (Trio Infernal), Peter Sellers (Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben – jedoch nur in der Rolle als Präsident) und Jean-Louis Trintignant (Le Train).
Meyen war von 1953 bis zur Scheidung 1966 mit der Schauspielerin Anneliese Römer verheiratet. 1965 lernte er Romy Schneider kennen und heiratete sie 1966 in Saint-Jean-Cap-Ferrat. Am 3. Dezember 1966 kam der gemeinsame Sohn David Christopher zur Welt. Meyen verlangte von Romy Schneiders Stiefvater Hans Herbert Blatzheim, dass die Verwaltung des Vermögens seiner Frau auf ihn übertragen würde. Die Familie lebte anfangs in Berlin, später in Hamburg. Romy Schneider verhalf ihrem Ehemann bei einigen ihrer Filme zu Gastrollen sowie zu Arbeiten als Synchronregisseur. Bei den Salzburger Festspielen vermittelte sie ihrem Mann die Inszenierung eines Stückes von Thomas Bernhard, die allerdings zum Misserfolg geriet. Auch bei zwei Operninszenierungen, Richard Wagners Tannhäuser und Rossinis Der Barbier von Sevilla, konnte Meyen die in ihn gesetzten Erwartungen als Regisseur weder bei der Kritik noch beim Publikum erfüllen.[3] 1973 trennten sich Schneider und Meyen; 1975 folgte die Scheidung. Romy Schneider zahlte Harry Meyen eine Abfindung von ca. 1,4 Millionen DM.[4] Danach zog sie mit dem gemeinsamen Sohn nach Frankreich.
Meyen litt sehr unter der Trennung von seinem Kind. Engagements blieben aus, und seine Alkohol- und Tablettensucht bewirkte Depressionen. Sein Leben lang litt Meyen unter starker Migräne und nahm dagegen unter anderem Optalidon und Staurodorm. Verbunden mit Alkohol führen diese Medikamente häufig zu Benommenheit, Müdigkeit, Lichtempfindlichkeit, Angst und Suizidgefährdung. Meyens Rauschmittelkonsum steigerte sich im Laufe der Jahre. Am Ostersonntag 1979 wurde er von seiner Lebensgefährtin, der Schauspielerin Anita Lochner, tot aufgefunden: Er hatte sich an der Feuerleiter seines Hauses in Hamburg-Harvestehude erhängt.[5] Beigesetzt wurde er im Grab seiner Familie auf dem Friedhof Ohlsdorf in Hamburg im Planquadrat BO 63 (nördlich Mittelallee/östlich Prökelmoorteich).[6][7]
Filmografie
- 1948: Arche Nora
- 1951: K – Das Haus des Schweigens
- 1952: Der große Zapfenstreich
- 1952: Alraune
- 1952: Wir tanzen auf dem Regenbogen
- 1953: Träume auf Raten (Fernsehfilm)
- 1953: Geliebtes Leben
- 1953: Regina Amstetten
- 1954: Der treue Husar
- 1954: Fräulein vom Amt
- 1955: Des Teufels General
- 1955: Die Galerie der großen Detektive – Sergeant Cuff kann den Mondstein nicht finden
- 1956: Das Konzert (Fernsehfilm)
- 1956: Meine 16 Söhne
- 1956: Nacht der Entscheidung
- 1957: Skandal in Ischl
- 1957: Junger Mann, der alles kann
- 1958: Penelope oder Die Lorbeermaske (Fernsehfilm; Regie)
- 1958: Der eiserne Gustav
- 1958: Petersburger Nächte
- 1958: Madeleine und der Legionär
- 1959: Alt Heidelberg
- 1959: Freddy, die Gitarre und das Meer
- 1960: Eine Frau fürs ganze Leben
- 1960: Sturm im Wasserglas
- 1960: Liebling der Götter
- 1960: Das kunstseidene Mädchen
- 1961: Mörderspiel
- 1961: Mrs. Billings’ Scheidung (Fernsehfilm)
- 1961: Lebensborn
- 1962: Die Rote
- 1962: Frauenarzt Dr. Sibelius
- 1963: Die fünfte Kolonne (Fernsehserie, eine Folge)
- 1963: Der Mörder (Le Meurtrier)
- 1964: Die Gruft mit dem Rätselschloß
- 1966: Spion zwischen zwei Fronten (Triple Cross)
- 1966: Brennt Paris? (Paris brûle-t-il?)
- 1966: Der Tag des Zornes (Fernsehfilm)
- 1970: Endspurt (Fernsehfilm; auch Regie)
- 1971: Einer muß der Dumme sein (Fernsehfilm)
- 1972–1974: Der Kommissar (Fernsehserie, drei Folgen)
- 1975: Schließfach 763 (Fernsehfilm)
- 1975–1977: Derrick (Fernsehserie, zwei Folgen)
- 1975: Ein Fall für Sie! – Sprechstunde nach Vereinbarung (Fernsehfilm)
- 1977: Der Alte – (Folge 4: Toccata und Fuge) (Fernsehserie)
Literatur
- Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 5: L – N. Rudolf Lettinger – Lloyd Nolan. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 420.
Weblinks
- Literatur von und über Harry Meyen im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Harry Meyen in der Internet Movie Database (englisch)
- Harry Meyen bei filmportal.de
- Harry Meyen in der Deutschen Synchronkartei
Einzelnachweise
- Schneider, Romy (1938–1982). Austrian National Tourist Office. Abgerufen am 21. März 2008. (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)
- Klaus Völker: Pressemitteilung. Akademie der Künste. Dezember 2006. Abgerufen am 21. März 2008.
- http://www.derrick-fanclub.de/Meyen_Harry.htm
- Matthias Matussek, Lars-Olav Beier: Die Königin der Schmerzen. In: Der Spiegel. Nr. 21, 2007, S. 163 (online – 21. Mai 2007).
- So starb Harry Meyen, Liebling der Frauen (Memento vom 30. Juli 2012 im Webarchiv archive.today), Hamburger Abendblatt vom 17. April 1979. Abgerufen am 1. September 2010.
- Prominenten-Gräber
- knerger.de: Das Grab von Harry Meyen