Hans Walther (Bildhauer, 1888)
Hans Walther (* 28. Mai 1888 in Apolda; † 4. November 1961 in Erfurt) war ein deutscher Bildhauer.
Leben und Wirken
Hans Walther war der Sohn des Apoldaer Steinmetzen Carl Walther, der an der damaligen Friedhofstraße (heute Lessingstraße) im Auftrag seiner Kunden Grabdenkmale zur Aufstellung auf dem damaligen alten Friedhof (später Parkanlage, heute mit der Lessingschule bebaut) herstellte. Nachdem die Familie 1896 nach Erfurt übersiedelt war, richtete der Vater dort eine neue Werkstätte ein, die florierte und bald den Bau eines eigenen Hauses in der Alsen-Straße (seit 1950: Schulze-Delitzsch-Straße) ermöglichte.
Nach dem Besuch des Gymnasiums und der Erlangung des Abiturs begann Hans 1908 an der Großherzoglichen Kunstschule Weimar ein Studium bei Adolf Brütt. Bald danach wechselte er nach Berlin, wo er bei Hugo Lederer weiter lernte. Hier wurde er bei der Suche nach einem eigenen künstlerischen Stil beeinflusst von der Berliner Künstlersezession und dem Expressionismus eines Herwarth Walden. Bei einem Studienaufenthalt in Paris traf er mit Auguste Rodin zusammen. Auf Vorschlag von Max Klinger wurde er 1910 in den Deutschen Künstlerbund aufgenommen. Seither hinterließ er im Erfurter Stadtbild zahlreiche Spuren seines Wirkens – etwa mit einem Fassadenschmuck an einer Speditionsfirma.
Die traumatischen Erfahrungen als Heeressoldat im Ersten Weltkrieg formten ihn in seinem Weltbild und in seiner Kunstauffassung. Die zahlreichen Gefallenen-Denkmäler, die er in der Nachkriegszeit gestaltet hat, verzichten auf jede Gewaltverherrlichung und nationalen Chauvinismus. Einige dieser Kunstwerke lösten umgehend hämische Kommentare, Ablehnung und Empörung aus – so etwa das 1924 entstandene Monument für die getöteten Soldaten des Erfurter Jäger-Regiments zu Pferde Nr. 6, das von Mitgliedern des „Stahlhelm“ und nach 1933 von den zur Macht gekommenen Nationalsozialisten denunziert und schließlich 1939 beseitigt wurde. Das in Straußfurt bei Sömmerda entstandene Denkmal überstand hingegen die NS-Zeit.
Die Ausdrucksformen der Figuren erinnern an die Handschrift des ihm seelenverwandten Künstlers Ernst Barlach. In der NS-Zeit wurden zahlreiche seiner Grabdenkmale auf dem Erfurter Hauptfriedhof als „entartete Kunst“ beseitigt oder verstümmelt. Dagegen blieben Steine in kristallinen, expressionistischen Formen verschont – darunter allein fünf Denkmale auf dem Neuen jüdischen Friedhof, aber auch die expressionistische Gruftanlage für einen Gärtnermeister aus dem Jahr 1920.
Ab 1934 war „baugebundene Kunst“ Pflicht bei neuen öffentlichen Bauten geworden. Davon profitierte auch Hans Walther. So konnte er 1935 die Schauseite der neuen Sparkasse am Fischmarkt in Erfurt figürlich gestalten, wie bereits 1930 die Sparkasse am Anger.
- Gruftanlage von Hans Walther, auf dem Hauptfriedhof in Erfurt, 1920
- Reliefs von Hans Walther, an Sparkasse am Anger in Erfurt, 1930
- „Winterhilfswerk“: Relief an Sparkasse am Fischmarkt in Erfurt, Hans Walther 1935
- Bronzerelief von 1947 an der Ruine der Erfurter Barfüßerkirche als Erinnerung an deren Zerstörung 1944
Julie Siegfried finanzierte 1935 mit ihrer „Wilhelm-Siegfried-Stiftung“ auch zwei von Walther geschaffene Bronze-Figuren im Brühler Garten in Erfurt: Froschkönig und Mutter mit (fünf) Kindern.[1]
Das 1922 entstandene und 1924 erweiterte Atelier von Hans Walther in der Gartenstraße (und seine zwei Wohnhäuser) wurden bei dem Bombenangriff auf Erfurt am Karfreitag 1945 schwer beschädigt. Inzwischen erinnert nichts mehr an die Existenz des von dem Architekten Karl Meinhardt geschaffenen großzügigen Arbeitsraums des Künstlers.
Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus widmete sich Walther neben zahlreichen steinernen Porträts ihm nahestehender Menschen auch der Gestaltung eines Totentanz-Zyklus von 1947, der an die Zerstörung der Erfurter Barfüßerkirche durch eine britische Luftmine am Totensonntag 1944 im Zweiten Weltkrieg erinnert. Der „Initiativkreis Barfüßerkirche“ hat im November 2012 ein Bronzerelief auf der Basis eines wiedergefundenen Gipsabdrucks anfertigen lassen.[2]
Hans Walther starb 1961 und fand auf dem Erfurter Hauptfriedhof seine Ruhestätte, die von einer durch ihn selbst gehauenen Frauengestalt geschmückt wird.
Werke
- Grabdenkmal für den Samenzüchter Carl Schmidt auf dem Hauptfriedhof Erfurt, 1921
- Kriegerdenkmal auf dem Kirchhof in Straußfurt, Muschelkalk, 1923
- Monument für das Jägerregiment zu Pferde Nr. 6, Sandstein, 1924 vor der Reglerkirche in Erfurt errichtet, 1939 von den Nazis beseitigt
- Fassadenrelief am Katholischen Krankenhaus Victoria-Straße (heute Puschkin-Straße) Erfurt, Sandstein, 1925
- Portalgestaltung am Großen Hospital in Erfurt am Johannes-Ring (heute Teil des Juri-Gagarin-Rings), Muschelkalk, 1925
- Richard Wetz: Portrait-Büste im Hochschularchiv/Thüringischen Landesmusikarchiv Weimar, 1926
- Skulpturen am Neubau des AOK-Gebäudes in der Augustinerstraße in Erfurt, 1930
- Figürliche Gestaltung der Fassade der Sparkasse am Anger in Erfurt, 1930
- Kriegerdenkmal (zeitgemäße Umgestaltung) im Kiliani-Park in Gispersleben, 1934
- Gestaltung der Schauseite der Sparkasse am Fischmarkt in Erfurt, 1935
- Mutter mit fünf Kindern, Bronze-Plastik im Brühler Garten in Erfurt, 1935
- Froschkönig und Prinzessin, Bronze-Plastik für einen Trinkbrunnen im Brühler Garten in Erfurt, 1936
- Erinnerungsmal in Bronze für die gefallenen und durch Hochspannungsunfälle ums Leben gekommenen Kraftwerker im Kameradschaftsraum des Kraftwerks Gispersleben, 1937
- Bronzefigur eines Ziehharmonika spielenden Knaben für einen Brunnen in Gispersleben, 1938
- Zyklus „Totentanz“ von 1947 mit fünf Reliefs: Zerstörung der Barfüßerkirche (Erfurt) durch eine Luftmine am Totensonntag 1944, „Tod als Richter“, „Tod der Kinder“, „Tod als Trommler“ und „Tod als Pflüger“.[3]
- Triumphkreuz 1952 in der nach Teilzerstörung durch Bomben wiederhergestellten Thomaskirche (Erfurt)
- Figurenfries am Hörsaalanbau des Lehrgebäudes 1 des Pädagogischen Instituts Erfurt, Anfang der 1950er Jahre
- Alfred Machol: Bronze-Büste vor der Chirurgischen Klinik des Städtischen Klinikums Erfurt, 1953
- Rattenfängerrelief für die Fassade der Aula der Frauenfachschule Hameln, 1960
Literatur
- Eberhard Menzel: Der Bildhauer Hans Walther (1881–1961). In: Apoldaer Heimat. Beiträge zur Natur und Heimatgeschichte des Kreises Apolda. 1995, S. 16ff.
- Peter Franz: Martialische Idole. Die Sprache der Kriegerdenkmäler in Thüringen. Eine landesweite Darstellung des Bestands und eine kritische Analyse ihrer ikonografischen und verbalen Botschaften, Hg. Thüringer Forum für Bildung und Wissenschaft e. V. Jena 2001, ISBN 3-935850-04-2, S. 92 ff.
- Ruth Menzel: Denkmale in Gispersleben. In: Stadt und Geschichte, November 2006, S. 29ff.
Weblinks
Einzelnachweise
- Ruth und Eberhard Menzel: Knabe mit Springseil blieb die einzige Spur. In: Thüringische Landeszeitung, 18. September 2010.
- Steffen Raßloff: Der Tod aus der Luft. Hans Walthers Totentanz an der Barfüßerkirche. In: Thüringer Allgemeine vom 2. März 2013.
- Broschüre des „Initiativkreises Barfüßerkirche“ Erfurt, November 2011.