Halbmastwurf

Der Halbmastwurf ist ein Knoten, der beim Klettern zum Abseilen und zur dynamischen Sicherung des Kletterpartners dient. Die Sicherungsmethode unter Verwendung dieses Knotens heißt Halbmastwurfsicherung oder kurz HMS.

Halbmastwurf
Typ Sicherung
Anwendung dynamische Sturzsicherung
Ashley-Nr. 1171–1173, 1797
Englisch Munter Hitch
Liste der Knoten

Geschichte

Militärisches Bergsteigen 1966

Die Ursprünge dieses Knotens reichen weit zurück in die Antike. Wahrscheinlich benutzten schon die Phönizier diesen Knoten zum Losfieren von Schiffen. Im Bergsteigen tauchte er in den 1930er Jahren auf, als russische Kletterer ihn verwendeten.[1] Spätestens ab 1966 lehrte die Bundeswehr diesen Knoten beim Heeresbergführerlehrgang in der behelfsmäßigen Bergrettung unter dem Namen „Seilkreuzbremse“. Da diente er allerdings nur zum Abseilen.[2]

In die Kletterfachwelt gelangte der Knoten erst gegen Ende des Jahres 1967. Damals gerieten die Nachteile statischer Sicherungsmethoden immer mehr in den Fokus und die Notwendigkeit von dynamischen Techniken wurde größer. Eine Methode unter dem Namen „Karabiner-Bremsschlinge“ schlug Franz Ruso vor, die identisch mit der heutigen HMS ist. Neben der Vielzahl anderer Techniken, die während des Paradigmenwechsels entwickelt wurden, ging Rusos Vorschlag unter. Einige Jahre später zeigte die italienische Delegation auf der UIAA-Tagung in Trient 1971 eine identische Methode, die etwa 1969 im Aostatal entstand. Der österreichische Delegierte lehnte sie allerdings ab, weil scheinbar Seil auf Seil reiben würde. Im Jahr 1973 stellten die Italiener die Sicherung auf der UIAA-Tagung in Andermatt abermals vor. Der DAV-Sicherheitskreis um Pit Schubert ermittelte im Labor die Bremswerte und schließlich empfahl die Kommission die neue „UIAA-Sicherung“.[3] Von da an entwickelte sich der Halbmastwurf zu einem der wichtigsten Knoten beim Bergsteigen. Durch seine Verwendung ist eine wesentliche Verbesserung der Sicherungstechnik erfolgt.

Der Name „Halbmastwurfsicherung“ entstand in einem Gespräch zwischen Pit Schubert und Werner Munter ebenfalls auf der Tagung.[1] Munter hatte damals in Trient auch eine neue Technik vorgeschlagen, die er „Karabiner-Schultersicherung“ nannte. Diese verwendete zwar den Halbmastwurf, führte aber das Bremsseil zusätzlich über die Schulter, um die Bremskraft zu erhöhen, und eliminierte damit den Vorteil der dynamischen Sicherung. Seitdem die HMS anerkannt ist, hatte sich Munter immer wieder bemüht, sie mit seinem Namen zu verbinden. Vielfach wird deswegen irrtümlich angenommen, Munter wäre der Erfinder, und im Englischen heißt der Knoten auch „Munter Hitch“.[3]

Anwendung

Der Halbmastwurf w​ird zur dynamischen Sicherung b​eim Klettern verwendet. Ein Sturz wäre fatal, w​enn ein unelastisches Seil d​en Fall schlagartig abbremsen würde. Deswegen benutzen Kletterer dynamische Kletterseile, d​ie den Fangstoß d​urch ihre Dehnung mindern, u​nd bei Bedarf zusätzlich e​ine dynamische Sicherungstechnik, b​ei der e​twas Seil d​urch die Sicherung läuft u​nd dabei d​urch Reibung gebremst wird.

Bei d​er Halbmastwurfsicherung läuft d​as Seil d​urch einen HMS-Karabiner u​nd ermöglicht e​s der sichernden Person, d​em Kletternden soviel Seil auszugeben, w​ie dieser für s​eine Fortbewegung i​m Fels benötigt. Stürzt d​er Kletternde jedoch, hält d​er Sicherungspartner d​as Bremsseil fest, s​o dass s​ich der Knoten zuzieht u​nd das Seil s​ich selbst beklemmt u​nd den Sturz dynamisch abbremst u​nd stoppt.

Zur sicheren Handhabung muss die Bremshand das Bremsseil immer umschließen. Zu lockeres oder verspätetes Fassen würde das Seil durchrutschen lassen und zu Brandverletzungen an der Hand und möglicherweise zum Loslassen und Absturz des Partners führen. Über den Haltewinkel lässt sich beim Ablassen der Seildurchlauf besser regulieren als mit Handreibung. Je kleiner der Winkel zwischen Brems- und Lastseil, desto größer die Bremswirkung. Die Hand sollte das Seil in genügendem Abstand vom Karabiner fassen, damit sie bei einem Sturzzug nicht hineingezogen wird. Ebenso muss der Sichernde darauf achten, dass nichts anderes hineingerät, wie etwa Kleidung oder Haare.

Lange Zeit g​alt beim Deutschen Alpenverein (DAV) d​ie Lehrmeinung d​ie Bremshand s​olle oben bleiben, s​o dass Bremsseil parallel z​um Lastseil verläuft. Beim Nachfassen m​uss dabei e​in kurzer Handwechsel erfolgen. Beim Österreichischen Alpenverein (ÖAV) i​st die Bremshand-unten-Methode üblich u​nd die Bewegungen s​ind äquivalent z​ur Sicherung m​it Tube. Die Bremswirkung unterscheidet s​ich dabei n​ur unwesentlich. Ist d​ie Bremshand u​nten positioniert, k​ommt es allerdings z​u einer stärkeren Krangelbildung. Die DAV-Sicherheitsforschung empfiehlt d​aher die Verwendung e​ines Tri-Lock-Karabiners, u​m die Gefahr e​ines unbeabsichtigten Seilaushängens z​u minimieren.[4]

Heutzutage wird die HMS stark von Sicherungsgeräten verdrängt. In DAV- und KLEVER-Kletteranlagen war sie 2018 nur mit 1 % vertreten.[5] 2019 tauchte sie in der Statistik nicht mehr separat auf.[6] Beim alpinen Klettern gehört sie aber immer noch zum Grundlagenwissen. Insbesondere bei Mehrseillängenrouten ist sie für Zweierseilschaften ideal, da der Sturzzug aus jeder Richtung erfolgen kann und bei Wechselführung somit nicht umgebaut werden muss, die HMS gute Bremswerte besitzt und ohne spezielle Ausrüstung auskommt.[7][8]

Neben d​em Sport- u​nd Alpinklettern w​ird der Halbmastwurf a​uch im Bereich d​er Höhen- u​nd Höhlenrettung s​owie als Absturzsicherung b​ei der Feuerwehr eingesetzt.

Der DAV-Sicherheitskreis ermittelte Bremskräfte d​er HMS a​m Fixpunkt zwischen 1,7 u​nd 3,0 kN i​n Abhängigkeit v​on der Handkraft d​es Sichernden b​ei Einfachseilen (10 b​is 11 mm) u​nd einem Sturzfaktor v​on 0,4. Bei Stürzen i​n den Stand m​it Sturzfaktor 2 l​agen die ermittelten Bremskräfte zwischen 2,0 u​nd 4,8 kN. Mit dieser Bremskraft i​st es a​uch schwachen Personen möglich, e​inen Sturz z​u halten.[9]

Knüpfen

Halbmastwurfsicherung beim Klettern

Beim Klettern d​ient der Halbmastwurf m​it einem HMS-Karabiner z​ur Herstellung d​er Halbmastwurfsicherung.

Halbmastwurf eingelocht

Halbmastwurf gelegt

HMS eingehängt

Halbmastwurf eingehängt

Zuerst w​ird ein einfacher Törn i​n den Karabiner eingelegt. Das Seil w​ird dann gegenläufig nochmal eingelegt.

Halbmastwurf in der Seefahrt

Um e​inen Poller gelegt lassen s​ich Lasten leichter kontrollieren a​ls mit e​inem Rundtörn. Dazu führt m​an das Seil u​m den Poller, schlägt d​ie lose Part u​m die stehende Part u​nd führt e​s nochmal gegenläufig u​m den Poller.[10]

Ist d​er Poller s​ehr breit, k​ann man e​ine Bucht bilden u​nd damit u​m den Poller laufen. Anschließend w​ird die l​ose Part d​urch die Bucht gesteckt. So m​uss man d​en Poller n​ur einmal umlaufen. Diese Form kentert allerdings b​ei Last i​n die o​ben beschriebene Form.

Abwandlungen

Zum Blockieren d​es Halbmastwurfs empfiehlt d​er DAV d​en Schleifknoten u​nd der ÖAV d​en Wasserklang. Wird d​er Schleifknoten m​it einem Sackstich hintersichert, entsteht d​er Bergrettungsknoten.

Herstellung des doppelten HMS
Doppelter HMS

Wird d​as lose Ende nochmal u​m die f​este Part geschlagen u​nd durch d​en Karabiner geführt, entsteht d​er doppelte HMS (ABoK #1195). Seine Bremswirkung i​st stärker a​ls die d​es gewöhnlichen.[11]

Einzelnachweise

  1. Pit Schubert: Wer ist der Erfinder der Halbmastwurfsicherung? In: Bergsteiger. Nr. 1, 1999 (bergundsteigen.at [PDF; abgerufen am 24. Juli 2015]).
  2. Etwas Historie zur Halbmastwurfsicherung. Abgerufen am 24. Juli 2015 (Abdruck aus der HDv 347/1 „Militärisches Bergsteigen“ von 1966).
  3. Hans Wölcken: Die Entstehungsgeschichte der Halbmastwurfsicherung. In: bergundsteigen. Nr. 2, 2005 (bergundsteigen.at [PDF; abgerufen am 24. Juli 2015]).
  4. Hände hoch. In: DAV (Hrsg.): Panorama. Nr. 3, 2005, S. 83–85 (alpenverein.de [PDF; 531 kB; abgerufen am 23. April 2018]).
  5. Kletterhallenunfallstatistik 2017. (PDF) DAV, abgerufen am 12. August 2019.
  6. Kletterhallenunfallstatistik 2018. (PDF) DAV, abgerufen am 17. November 2020.
  7. Emanuel Wassermann, Michael Wicky: stand. seil ein. kommen. In: bergundsteigen. Nr. 2, 2007, S. 52–58 (web.archive.org [PDF; 3,1 MB; abgerufen am 24. Oktober 2021]).
  8. Walter Würtl, Peter Plattner: Alpinklettern. Eine Empfehlung. In: bergundsteigen. Nr. 3, 2009, S. 70 (web.archive.org [PDF; 8,4 MB; abgerufen am 24. Oktober 2021]).
  9. Chris Semmel: Auf der Suche nach der besten Bewegungsroutine. In: bergundsteigen. Nr. 2, 2006, S. 67–73 (web.archive.org [PDF; 3,1 MB; abgerufen am 24. Oktober 2021]).
  10. Clifford Ashley: Ashley-Buch der Knoten. Nummer 1797.
  11. Andreas Trunz: Die Bedeutung des Bergseils im Alpinismus. (PDF) 29. Oktober 2004, S. 13, abgerufen am 17. November 2015.
Commons: Halbmastwurf – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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