Hōchō
Hōchō (jap. 包丁, auch 庖丁, in Zusammensetzungen: -bōchō) ist das japanische Wort für Küchenmesser. Es gibt die Unterscheidung zwischen Wabōchō und Yōbōchō, wobei Wa- für japanische Messer (traditionelle Formen, oft auch handgeschmiedet) und Yō- für im westlichen Stil hergestellte Messer (größtenteils aus maschineller Fertigung) steht.
Die Messerklingen bestehen meist aus einem harten, aber spröden Kohlenstoffstahlkern, der mit einer oder mehreren Lagen weicheren, aber elastischeren Stahls feuerverschweißt ist.
Formen
Ähnlich wie bei europäischen Küchenmessern haben sich spezielle Formen und Größen je nach Aufgabenstellung entwickelt. Neben Messern mit beidseitigem Anschliff (Ryō-ba) sind vor allem Messer mit einseitigem (Kata-ba) Anschliff gebräuchlich, da diese einen präziseren Schnitt ermöglichen, um beispielsweise feinere Filetierungen zu ermöglichen. Messer mit einseitigem Schliff werden in Rechts- und (meist teureren) Linkshänderversionen hergestellt.
Klingenform
Die gebräuchlichsten Klingenformen:
- Santoku: bedeutet „Drei Tugenden“, wobei mit drei Tugenden Fleisch, Fisch und Gemüse gemeint ist, daher auch „Vielzweckmesser“. Es verfügt über ein breites Blatt für gute Führung am Fingerrücken und ist ein leichtes Messer mit beidseitigem Schliff, das europäischen Schneidegewohnheiten sehr entgegenkommt, und deshalb ein Messer zum Kennenlernen von echten Hōchō, das „Einsteigermesser“. Es ist allerdings europäischen Messern ähnlicher als traditionellen japanischen.
- Tako hiki, Yanagi-ba, Fugu hiki: eine schlanke, sehr lange Klinge (25–30 cm), die – wenn sie traditionell ist – auf jeden Fall einen einseitigen Schliff hat. Die Klinge des Yanagiba läuft in eine Spitze aus. Es ist eine klassische Klingenform, um rohes Fleisch und rohen Fisch zu schneiden. Die Form erinnert den Japaner an ein Weidenblatt, und Weide heißt auf japanisch Yanagi, daher der Name. Dem Yanagiba ähnlich ist das Tako hiki (蛸引,("Oktopus-Abzieher/-schneider")) und das Fugu biki ("Fugu/Kugelfisch-Abzieher/-schneider"). Diese Messer sind an der "Spitze" rechteckig. Diese drei Messer werden auch als "Sashimi bōchō (Messer)" bezeichnet.
- Deba: das Fischfiletier-Messer. Einseitig geschliffen bis auf den hinteren Teil am Griff, der beidseitig geschliffen[1] wird und der eher für grobere Arbeiten verwendet wird, wie etwa kräftige Mittelgräten zu durchtrennen oder Fischköpfe zu halbieren.
- Nakiri bōchō: zum feinen Schälen von Gemüse und präzisen Schneiden von Gemüsestiften, Salatstreifen etc. Selbst hauchdünne Scheiben bei reifen Tomaten sind kein Problem. Es verfügt über ein breites Blatt für gute Führung am Fingerrücken. Das Nakiri ist beidseitig, das Usuba ist einseitig geschliffen. Mit dem Usuba erfolgt die Schnitttechnik Katsuramuki.
- Gyūtō: Die Klingenform ist dem westlich/europäischen Kochmesser ähnlich. Es ist, wie das Santoku, als Universalmesser anzusehen und wird sowohl mit einseitigem als auch mit beidseitigem Anschliff gefertigt. Es verfügt über eine schlanke Klingenform für feinere Arbeiten mit ziehendem oder schiebendem Schnitt.
- Ajikiri, auch Ko-Deba: Dieses Messer ist eine kleine Debavariante. Die Klinge ist deutlich kleiner und hat einen dünneren Rücken. Es wird zum Filetieren von kleinen Fischen wie den Stachelmakrelen (jap. Aji) verwendet. Auch das Ajikiri wird mit unterschiedlichen Anschliffen gefertigt.
- Petty: kleines Universalmesser für Obst, Schäl- und kleinere Schneidarbeiten mit einer Klingenlänge unter 10 cm, der Name stammt vermutlich von "petit" (französisch: klein)
Spezial-Klingenformen:
- Maguro bōchō (鮪包丁): ein ein bis zwei Meter langes Messer um Thunfisch zu schneiden. Die auf dem Tsukiji-Fischmarkt verwendete große Variante wird auch Oroshi bōchō (おろし包丁) genannt, wobei oroshi ‚Großhandel‘ bedeutet. Die kleinere halblange (han) Variante Hanchō hōchō (半丁包丁).
- Unagisaki (うなぎ裂き) / Unagi bōchō (ウナギ包丁): zum Schneiden von Aal.
- Menkiri bōchō (麺切包丁): Nudelmesser zur Herstellung von Soba und Udon.
- Hanchō Hōchō
- Zwei Mann verwenden ein Messer: das Oroshi Hōchō im Einsatz auf dem Tsukiji-Fischmarkt
- Unagisaki
Griffform
Klassisch werden die Klingen von Hōchō mit einem beinahe zylindrischen Griff aus Magnolienholz eingefasst, welcher von einer Zwinge aus Büffelhorn oder Holz fixiert wird. Yobocho werden auch mit Messergriffen im europäischen Stil hergestellt.
Verwendete Stahlsorten und Klingenaufbau
Wegen des feineren martensitischen Gefüges werden vornehmlich nichtrostfreie Stahlsorten verwendet. Insbesondere die Yasugi-Stähle des japanischen Unternehmens Hitachi finden heutzutage Verwendung (siehe Japanischer Messerstahl). Die Namen der Stahlsorten sind durch das Verpackungspapier entstanden:
- Weißpapier-Stahl (auch falsch weißer Papierstahl, jap. 白紙 shirogami) ist ein unlegierter Kohlenstoffstahl, welcher in seiner Reinheit dem Tamahagane (Stahl für Schwerter) sehr nahekommt. Sehr hohe Schärfe und Schnitthaltigkeit zeichnen ihn aus. Er wird insbesondere für feine Schnittwerkzeuge verwendet.
- Blaupapier-Stahl (auch falsch blauer Papierstahl, jap. 青紙 aogami) ist ein mit Mangan, Chrom und Wolfram legierter Kohlenstoffstahl. Dieser Stahl ist robuster als Weißpapierstahl und wird deshalb für Hackmesser und Ähnliches eingesetzt.
- Silberpapier-Stahl (auch falsch silberner Papierstahl, jap. 銀紙 gingami) ist ein rostfreier Stahl. Er wird für Messer verwendet, welche eine hohe Robustheit, jedoch keine hohe Schärfe erfordern.
- PM-Stähle – Bei Messern in westlichem Design werden inzwischen auch pulvermetallurgisch hergestellte Stähle (sog. PM-Stähle) verwendet, die in ihrer Härte die niedrig legierten Stahlsorten sogar übertreffen und zudem rostfrei sind. Allerdings lassen sie sich nicht so fein ausschleifen wie Weißpapier-Stahl.
Häufig werden auch mehrfach gefaltete Mehrlagenstähle (Suminagashi) verwendet, bei denen mehrere der obigen Stahlsorten kombiniert werden (ähnlich Damaszener Stahl).
Praktisch alle hochwertigen Hōchō haben laminierte Klingen, welche aus mehreren Lagen bestehen (einseitig geschliffene Messer meist aus zwei Lagen, beidseitig geschliffene Messer aus drei Lagen). Dabei wird spröder Stahl mit hoher Härte und feinem Gefüge (zur Bildung der Schneide) mit flexiblerem und pflegeleichterem Stahl feuerverschweißt, um eine hohe Klingenstabilität mit einer perfekten Schneide zu verbinden. Zudem werden auch Monostähle verarbeitet.
Der Unterschied zwischen einfacher Laminierung (Kasumi), Suminagashi (Damaszener Stahl) und Honyaki liegt darin, dass Suminagashi-Stahl sehr viele dünne Lagen aufweist, welche zu einem beinahe homogenen Material verbunden werden während beim Laminat die Stahlsorten deutlich getrennt bleiben, um an unterschiedlichen Stellen der Klinge unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen.
Honyaki-Klingen bestehen aus einem Monostahl, d. h. die Klinge besteht nur aus einem einzigen Stahl. Um höchste Schärfe zu erreichen sind diese Klingen differenziell, nur im Schneidenbereich, gehärtet. Dadurch werden Farbunterschiede auf der Klinge sichtbar („Hamon“). Die Herstellung von Honyaki-Klingen geschieht ausschließlich in Handarbeit, ist sehr aufwändig und erfordert hohes Wissen und Erfahrung. Diese Klingen sind meist sehr teuer.
Verwendung
Handhabung
Hōchō werden gewöhnlich mit ziehendem Schnitt auf einem Schneidbrett aus Kunststoff oder Holz verwendet. Werden klebrige Lebensmittel (wie z. B. Sushi) geschnitten, sollte das Messer vor jedem Schnitt mit Wasser angefeuchtet werden. Bei empfindlichen Klingen sollte der Kontakt mit harten Objekten (z. B. Knochen) vermieden werden.
- Für präzise Schnitte, z. B. für dünne Scheiben, soll das Blatt an Fingerknöcheln der freien Hand anliegen („Vor der Kralle schneiden“).
- Für Schälschnitte, z. B. beim Aufschneiden eines Rettichs oder einer Gurke, wird das Lebensmittel nahe an der Schneide geführt und gedreht.
- Für Zierschnitte wird die Klinge nahe an der Spitze geführt.
- Die hintere Schneidekante dient dem Entfernen von Augen bei Obst und Gemüse. Das Lebensmittel wird dabei gedreht.
- Messerführung beim Filieren und bei Sashimi mit ziehendem Schnitt. Der Anschliff liegt unten.
Schneideunterlage
Die richtige Schneideunterlage (japan.: Manaita) – und das gilt für alle Messer, nicht nur original japanische – besteht aus Holz oder Kunststoff. Das Arbeiten auf Porzellan, Marmor oder Glas macht die Klinge umgehend stumpf. Im Gegensatz zur europäischen Gewohnheit (Buche, Esche, Teak) verwenden japanische Köche bevorzugt weiche Hölzer, z. B. Ginkgo oder Zypresse. Bambus ist ebenfalls nur bedingt als Schneideunterlage geeignet, obwohl es zu japanischen Messern zu passen scheint. Bambus ist ein Gras, welches zwar dicht und hart ist, aber vielfach auskristallisierte Mineralien in winzigen Partikeln enthält, die sich negativ auf die Schärfe auswirken.
Wem das ideal geeignete Holz vom Ginkgo nicht zu Verfügung steht, fährt gut mit Buche und Esche. Abzuraten sind harzhaltige Hölzer (Fichte, Kiefer, andere Nadelhölzer), die nicht geschmacksneutral sind und Hölzer, die störende Aromen auf das Schneidegut übertragen können.
Die Hygiene von Schneidunterlagen aus Holz wird kontrovers diskutiert: Einerseits belegen wissenschaftliche Untersuchungen, dass Inhaltsstoffe von Hölzern eine antibakterielle Wirkung haben können, andererseits wird für die Gastronomie und den Einsatz in Verkaufsstellen für Lebensmittel die Verwendung von (spülmaschinengeeigneten) Kunststoffunterlagen gefordert.
Unbeschadet obiger Diskussion besteht für alle Schneidunterlagen die Pflicht wirksamer Reinigung.
Schärfen
Anders als bei europäischen Messern ist von der Verwendung eines Wetzstahles abzuraten. Die Schneidlage eines Hōchō kann eine Härte 60–65 HRC erreichen und ist damit deutlich empfindlicher als europäische Messer; das Wetzen kann daher leicht zu Ausbrüchen an der Schneide führen. Darüber hinaus ist ein Wetzstahl für die Instandhaltung der Klingen- und Schneidengeometrie bei einseitig geschliffenen Messern ungeeignet. Hōchō werden daher auf japanischen Wassersteinen geschärft (Körnung 400–1500) und abgezogen (Körnung 3000 und feiner).[2] Es kommen sowohl künstliche als auch natürliche Steine zur Anwendung. Keinesfalls sollten ungekühlte, trockenlaufende Schleifmaschinen verwendet werden, da durch die Reibung punktuell hohe Temperaturen entstehen können, welche das Stahlgefüge verändern, wodurch Härte und Schnitthaltigkeit verloren gehen.
Aufbewahrung
Um eine Beschädigung der Schneide zu verhindern, gehören Hōchō keinesfalls in die Besteckschublade. Sofern vorhanden, sollten sie in eine Messerscheide gesteckt oder in einem Holzetui bzw. Messerblock aufbewahrt werden. Es empfiehlt sich hierbei eine Scheide aus gefaltetem Zeitungspapier, da dieses einerseits hygroskopisch wirkt und andererseits durch das in der Druckerschwärze enthaltene Öl korrosionsverhindernd wirkt. Japanische Köche wickeln ihre Messer einzeln in Tücher.
Reinigung und Pflege
Aufgrund der empfindlichen Schneiden und des nicht rostfreien Stahls sollten Hōchō unter keinen Umständen in der Spülmaschine gereinigt werden. Auch die traditionell verwendeten Griffe aus Holz werden in der Spülmaschine geschädigt bzw. zerstört. Stattdessen werden Hōchō mit warmem Wasser und Geschirrreiniger abgespült. Die Verwendung von Bürsten oder Scheuerreinigern ist nicht zu empfehlen. Danach wird das Hōchō mit einem Tuch abgetrocknet.
Bestimmte Lebensmittel (z. B. Zwiebeln, Früchte) können Verfärbungen der Klingen hervorrufen. Sie sind gesundheitlich unbedenklich und können als „Patina“ belassen werden. Traditionell werden zur Entfernung japanische Polierpulver (Kogosa, Uchiko) eingesetzt, ein Reiniger für Kochplatten oder Edelstahlflächen ist gleichermaßen geeignet.
Bei längerer Lagerung, besonders in feuchter Luft, wie sie in einer Küche vorhanden sein kann, ist es ratsam, die Klingen mit einem lebensmittelgeeigneten Öl (z. B. Kamelienöl, "Tsubaki abura") hauchdünn einzureiben. Traditionell wird dazu Reispapier verwendet, ein unparfümiertes Papiertaschentuch hat sich ebenfalls sehr bewährt.
Holzgriffe (auch trockene Schneideunterlagen aus Holz) freuen sich über gelegentliches Abwischen mit Öl, wozu Kamelienöl durchaus auch geeignet ist, besser bewährt hat sich Walnussöl, das geruch- und geschmacklich angenehm ist, trocknet und das Holz nicht „schmierig“ macht.
Ballistol ist lebensmittelecht und für Stahl und Holz gut geeignet. Spezialöl H1 ist eine geruchslose und auch lebensmittelechte Variante von Ballistol.
Trivia
Japanische Köche (auch andere, die Hōchō verwenden) betrachten ihre Messer als eigenes und exklusives Werkzeug, das nicht von anderen berührt oder gar benutzt werden darf. Viele beginnen ihre Arbeit mit dem Schärfen des Messers, das sie sich ebenfalls vorbehalten (siehe hierzu: Honbazuke). Grundsätzlich wird ein Messer vor jedem Gebrauch auf Schärfe geprüft und ggf. geschliffen.
Vielfach wird japanischen Messern eine besondere Schärfe nachgesagt. Diese Eigenschaft hat allerdings weniger mit der Herkunft, Form oder dem Klingenmaterial zu tun. Schärfe ist ein Zustand, den eine Klinge unabhängig von Herkunft, Form oder dem Klingelmaterial erreichen kann und erhalten werden muss. Schärfe ist ein Pflegezustand und keine Eigenschaft. Ein Hōchō nur wegen seiner "besonderen Schärfe" zu kaufen ist daher kritisch zu betrachten.
Weblinks
- Mizuno Tanrenjo. In: mizunotanrenjo.jp. Abgerufen am 11. Oktober 2017 (japanisch).
Einzelnachweise
- 包丁と砥石、柴田書店、ISBN 4-388-05843-2, Seite 51
- 柴田書店: 包丁と砥石. 12. Auflage, 2007, S. 41.