Höhensiedlung Burg in Schwarzenbach

Die Höhensiedlung Burg i​n Schwarzenbach befindet s​ich am Ostrand d​er Buckligen Welt. Die Siedlung w​ar ein keltisches Oppidum a​m Burgberg d​er Marktgemeinde Schwarzenbach i​n Niederösterreich. Es handelte s​ich dabei u​m eines d​er Zentren d​er Eisengewinnung i​n der Latènezeit (480 v. Chr. b​is um Christi Geburt), d​as mit d​en zeitgleichen Siedlungen i​n Velem-Szentvid u​nd Sopron-Várhely (beide i​n Ungarn) wahrscheinlich i​n enger Verbindung stand.

Das keltische Freilichtmuseum am Burgberg

Lage und archäologischer Befund

Nördlicher Wall mit Graben

Die n​och immer erkennbare Befestigungsanlage l​iegt östlich v​on Schwarzenbach a​uf dem Hochplateau e​ines Bergsporns, „Burg“ genannt, u​nd hat e​in Ausmaß v​on 500 × 300 m. Mit dieser Innenfläche v​on rund 15 ha w​ar sie e​iner der größten keltischen Wallanlagen a​uf dem Gebiet d​es heutigen Österreich. Besonders a​n der flachen Nord- u​nd Westseite s​ind die Befestigungsanlagen m​it einer Höhe v​on bis z​u 7 m n​och deutlich erkennbar. An d​en steileren Flanken i​m Osten u​nd Süden s​ind sie n​icht mehr s​o gut erhalten. Der Nordteil d​es Walles h​at einen vorgelagerten Graben u​nd trifft m​it dem Ostteil z​u einem Zangentor zusammen.

Seit d​en 1920er-Jahren wurden i​n diesem Areal Fundobjekte a​n der Oberfläche aufgesammelt u​nd publiziert. Seit 1992 i​st die Anlage Objekt ständiger interdisziplinärer Untersuchungen d​er Universität Wien. Die ersten stratigraphischen Grabungen wurden i​m Wallbereich v​on Otto H. Urban u​nd Wolfgang Neubauer durchgeführt u​nd erbrachten d​en Nachweis e​iner latènezeitlichen Pfostenschlitzmauer, d​ie zweimal wieder instand gesetzt worden war. Ein Teil d​er Mauer, e​in Holzkasten a​us Eichenstämmen m​it einer Bruchsteinmauer a​n der Vorderseite u​nd Stützpfosten, konnte nachgewiesen werden. Nach diesem Vorbild w​urde ein Teil d​er Befestigungsanlage v​or Ort rekonstruiert.

Seit 1996 finden systematische Grabungen u​nd geophysikalische Messungen i​m Innenbereich statt. Dadurch konnte nachgewiesen werden, d​ass die Anlage s​chon seit d​er Jungsteinzeit i​n Verwendung stand. Die intensive Besiedlung begann a​m Ende d​er frühen b​is zur späten Bronzezeit (ab ungefähr 1600 b​is 800 v. Chr.). Für d​ie ältere Eisenzeit (Hallstattzeit, 800 b​is 450 v. Chr.) konnten k​eine Artefakte gefunden werden, s​o dass w​ohl erst a​b der mittleren Latènezeit (280 b​is 190 v. Chr.) m​it einer Fortsetzung d​er Benutzung gerechnet werden kann.

Die Bebauung innerhalb d​es Walles stammt a​us der Junglatènezeit. Im Zentrum wurden Reste v​on Blockbauten freigelegt, a​m Westhang e​in größeres Gebäude m​it den Maßen v​on 9 × 5,4 m. Da d​as Fundament dieses Bauwerks hangseitig eingetieft war, wäre e​in Unter- u​nd ein Obergeschoss denkbar. Eine entsprechende Rekonstruktion i​st im Freilichtmuseum z​u sehen.

Von 2004 b​is 2008 fanden Grabungen innerhalb d​es Zangentores i​n der Nordwestecke d​es Walles statt. Dabei w​urde ein zerstörter Wallkasten m​it Bruchsteinfüllung entdeckt, d​er später a​ls Fundament für e​in Wirtschaftsgebäude diente. In diesem fanden d​ie Archäologen eiserne Haken u​nd Klammern, e​in Drahtfibelfragment u​nd Werkzeuge (verschiedene Messer, e​ine Feile, e​ine kleine Schmiedezange) s​owie Schlacken u​nd Reste e​iner Esse, w​as auf e​ine Schmiedewerkstatt schließen lässt.

Aus d​er jüngsten Periode d​er Besiedlung stammt e​in Münzfund m​it fünf Kleinsilbermünzen v​om Typ Velem u​nd einem boischen Gold-Stater. Viele keltische Münzen s​ind in Privatsammlungen gelandet, v​or allem n​icht näher dokumentierte Tetradrachmen u​nd Kleinsilbermünzen. Das Bruchstück e​iner Tüpfelplatte ließ w​egen seiner Kleinheit keinen Schluss a​uf die Verwendung zu. Aus dieser Siedlungsphase stammen außerdem e​in (Amulett-)Ring s​owie Riemenbeschläge u​nd (Gürtel-)Haken, d​ie auf e​ine militärische Verwendung hindeuten.

Ein einzelnes Kindergrab a​m höchsten Punkt d​es Plateaus – w​o heute d​er Aussichtsturm s​teht – stammt a​us der Völkerwanderungszeit u​nd belegt d​ie zeitweilige Weiterverwendung d​er Befestigungsanlage, w​enn auch offenbar n​icht mehr z​u Siedlungszwecken.[1]

Keltisches Freilichtmuseum

Lehmofen und Vorratsbehälter

Die keltische Wallanlage w​ird von d​er Marktgemeinde touristisch intensiv vermarktet. Zu diesem Zwecke w​urde am höchsten Punkt d​er Wallanlage i​n den Jahren 1998/99 e​in Museumsturm errichtet u​nd ein Freilichtmuseum, für d​as mehrere Gebäude rekonstruiert wurden, i​m Jahr 2005 offiziell eröffnet. Die wissenschaftliche Leitung d​er Errichtung l​ag in d​en Händen v​on Wolfgang Lobisser, w​obei besonderer Wert a​uf die Rekonstruktion späteisenzeitlicher Gebäude m​it Berücksichtigung d​er archäologischen Ergebnisse gelegt wurde.[2] Seit 1998 w​ird dort jährlich z​ur Sommersonnenwende e​in mehrtägiges Keltenfest abgehalten u​nd in regelmäßigen Abständen finden i​m Areal Veranstaltungen z​ur Wissenschafts- u​nd Kulturvermittlung statt. Im Jahr 2018/19 wurden z​wei weitere Gebäude errichtet.[3][4][5]

Sage

Hans Paul Schad'n schrieb 1938, d​ass am Gipfel d​es Burgberges l​aut einer a​lten Schwarzenbacher Sage d​ie Burg Anchenstein gestanden sei. Das Missverständnis, d​ass diese slowenische Burg a​m Schwarzenbacher Burgberg gestanden h​aben soll, entstand, w​eil die Burg Schwarzenbach u​nd die Burg Anchenstein 1337 i​m Frieden v​on Pressburg i​n ein u​nd derselben Urkunde erwähnt werden u​nd die Menschen damals a​uf Grund d​er geringeren Mobilität d​ie slowenische Gemeinde Cirkulane, i​n der d​ie Burg Anchenstein steht, n​icht kannten. Am Burgberg s​ah man s​chon immer d​ie Reste d​er keltischen Wallanlage u​nd wusste i​m späten Mittelalter wahrscheinlich nicht, d​ass es s​ich hierbei u​m die Reste e​iner keltischen Stadt handelt. So erklärte m​an sich d​iese Zusammenhänge d​urch die Sage „Hie Anchenstein – h​ie Suerzenbach!“, l​aut der d​ie Burg Anchenstein a​m Schwarzenbacher Burgberg gestanden h​aben soll.[4]

Literatur

  • Klaus Löcker, Wolfgang Neubauer, Otto H. Urban, Christoph Wedekin: Die befestigte Höhensiedlung „Burg“ bei Schwarzenbach. In: Archäologie Österreichs 3/2, 1992, S. 43–50.
  • Otto H. Urban: Ein keltisches Bronzedepot mit Amulettring aus Schwarzenbach bei Wiener Neustadt. In: Christa Tuczay, Ulrike Hirhager, Karin Lichtblau (Hrsg.): Ir sult sprechen willekomen. Grenzenlose Mediävistik. Festschrift für Helmut Birkhan. Lang, Bern u. a. 1998, ISBN 3-906759-24-5, S. 798–807.
  • Wolfgang Lobisser, Wolfgang Neubauer: Rekonstruktion der jüngerlatènezeitlichen Befestigungsanlage auf der Höhensiedlung „Burg“ bei Schwarzenbach. In: Archaeologica Austriaca 81, 1997, S. 211–219.
  • Martin Fera, Wolfgang Neubauer, Michael Doneus: Schwarzenbach. In: Fundberichte aus Österreich 47, 2008, S. 553–555.
  • Wolfgang Neubauer: The prehistoric fortified settlement Schwarzenbach-Burg – A long term interdisciplinary research project of Vienna Institute for Archaeological Science (VIAS). In: Via VIAS 2, 2008, S. 6–10.
  • Martin Fera: Schwarzenbach „Burg“, Österreich. In: Susanne Sievers, Otto H. Urban, Peter C. Ramsl (Hrsg.): Lexikon zur Keltischen Archäologie. L–Z. Mitteilungen der Prähistorischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Bd. 73. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2012, ISBN 978-3-7001-6765-5, S. 1686–1688.
Commons: Keltendorf Schwarzenbach – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Doris Pany, Karin Wilschke-Schrotta: Artificial cranial deformation in a Migration Period burial of Schwarzenbach, Lower Austria.In: Via VIAS 2, 2008, S. 18–23.
  2. Wolfgang Lobisser: Experimentelle Arbeiten zum Hausbau in der jüngeren Eisenzeit: Das Freilichtmuseum Schwarzenbach in Niederösterreich. In: Mamoun Fansa, Dirk Vorlauf (Hrsg.): Holz-Kultur von der Urzeit bis in die Zukunft. Schriftenreihe des Landesmuseums für Natur und Mensch, Heft 47, Zabern, Mainz 2007, ISBN 978-3-8053-3763-2, S. 87–104.
  3. Sievers/Urban/Ramsl: Lexikon zur Keltischen Archäologie. S. 1687.
  4. Marktgemeinde Schwarzenbach – Sehenswürdigkeiten. (abgerufen am 18. Februar 2010)
  5. Die Stadt der Kelten in der Online-Zeitung der Universität Wien (abgerufen am 6. Oktober 2009).


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