Giorgio da Sebenico
Giorgio da Sebenico („Georg von Šibenik“), auch genannt Giorgio di Matteo da Zara („Georg, Sohn des Matthäus aus Zadar“), Juraj Dalmatinac (Georgius Dalmaticus/„Georg von Dalmatien“) sowie postum Giorgio Orsini (* um 1410 möglicherweise in Zadar; † 10. Oktober 1473 in Šibenik) war ein dalmatischer Bildhauer und Architekt, der vor allem in Dalmatien und Ancona tätig war.
Leben
Ob und wo Giorgio da Sebenico vor seinem Erscheinen in Venedig tätig war, ist bisher nicht nachzuweisen. Als Architekt und Bildhauer wurde Giorgio wahrscheinlich in der Werkstatt von Giovanni und Bartolomeo Buon in Venedig ausgebildet, wo er als Mitglied der Buon-Werkstatt wahrscheinlich an der bildnerischen Ausgestaltung der Porta della Carta am Dogenpalast beteiligt war.[1]
In Venedig heiratete Giorgio Elizabetta da Monte, die ihm als Mitgift Geld und Häuser in die Ehe brachte. Er investierte Elizabettas Geld in ein Lebensmittelgeschäft und in ein Handelsschiff, die beide gute Renditen brachten. Giorgio gab seiner Frau eine Vollmacht, die sie berechtigte während seiner Abwesenheit die Geschäfte zu führen.
Ab 1450 war er in Ancona tätig, wo er einen Vertrag wegen der Lieferung von Istrischem Stein zum Bau der Kathedrale von Rimini unterzeichnete, aber nicht erfüllte, weswegen er vor Gericht angeklagt wurde. 1459 kaufte er ein Haus in Ancona.
Giorgio und Elizabettas Tochter Flavia heiratete 1463 den dalmatinischen Maler Giorgio Culinovich (Schiavone), kroatisch Juraj Čulinović.[2]
Giorgio starb 1473, wahrscheinlich in Šibenik.[3]
Giorgio unterzeichnete Verträge und signierte seine Kunstwerke oft mit dem Namen Georgius Dalmaticus.
Werk
Giorgio da Sebenico war neben seinen Anfängen in Venedig vor allem in Dalmatien im damaligen venezianischen Stato da Mar, vor allem in Šibenik und Dubrovnik sowie in Ancona tätig. Sein Werk ist gekennzeichnet durch eine Zwischenstellung zwischen der traditionellen Kunst der Gotik, venezianisch-byzantinischen Elementen und den neuen Entwicklungen der Renaissancekunst in Italien.
Venedig
Zugeschrieben wird ihm in Venedig die Mitarbeit an der Porta della Carta des Dogenpalastes sowie bei der skulpturalen Ausstattung der Scuola di San Marco.[4]
Šibenik
Als sein Hauptwerk gilt die Kathedrale des Heiligen Jakob in Šibenik, ein eindrucksvolles Bauwerk aus istrischem Stein, deren Architektur von der zeitgenössischen venezianischen Kirchenbaukunst beeinflusst ist. Entworfen hatte die Kathedrale ein gewisser Girolamo da Giacomo, die Bautätigkeit war aber wegen Baumängel eingestellt worden. Giorgio nahm 1451 die Bautätigkeit wieder auf und war mit der Kathedrale bis 1460 beschäftigt. Er erweiterte Girolamos Entwurf um zwei Seitenschiffe, das Querschiff und zwei Kapellen an der Apsis. Von seiner Hand stammen die Statuen von Petrus und Paulus am Seitenportal, die Statuen von Simeon und David im Baptisterium sowie Reliefs im Gewölbe des Kirchenschiffs. 1452 ließ er die Sakristei anbauen.
Eine Besonderheit der Kathedrale ist, dass sie völlig ohne Bauholz und Ziegelsteine, sondern nur aus dem Istrischen Kalkstein errichtet wurde. Die Kirche zählt zum UNESCO-Welterbe.
Ancona
Von 1441 bis 1460 hielt sich Giorgio vor allem in Ancona auf. Beauftragt war er dort mit dem Bau der Loggia dei medicanti, die er auch mit allegorischen Figuren, u. a. mit einer Caritas schmückte. 1459 vollendete er die Fassade der Kirche San Francesco alle Scale, 1490 das Portal von Sant’Agostino, wo er die Lünette des Portals mit einer Figur des Kirchenvaters Augustinus ausstattete.
Ragusa/Dubrovnik
1464 wurde Giorgio zum Staatsingenieur von Ragusa, dem heutigen Dubrovnik, ernannt, musste die Stadt aber wegen der Pest bereits im folgenden Jahr wieder verlassen.
Seine Aufträge in Dubrovnik betrafen vorrangig die von Michelozzo seit 1461 begonnenen Befestigungsanlagen der Stadt.[5] Zwei Türme der Stadtbefestigung, der Minceta-Turm und der Katarina-Turm wurden unter seiner Leitung gebaut.[6] Von seiner Hand stammt der elegante Renaissance-Porticus am Rektorenpalast in Dubrovnik.
Sonstige Bauten in Dalmatien
Zu seinen zahlreichen Bauten in Dalmatien zählen u. a. der noch in gotischem Stil erbaute Palazzo Papali und ein Altar aus Marmor in der Kathedrale von Split, die Kapelle San Ranieri in der heute weitgehend zerstörten Kirche Sant'Eufemia und das Grabmal des Hl. Ranierus in Castel Vitturi.
Familiäre Beziehungen
In älterer italienischer und englischer Literatur wird angenommen, dass Giorgio der römischen Adelsfamilie der Orsini entstammte. Im Juni 1455 hatte Giorgio in Šibenik ein Haus von dem Adligen Michele Simeonich gekauft, in dessen Türsturz er einen Bären (Orso, it. Bär) einmeißelte, der auch das Wappentier der Orsini ist.[7][8][9] Federico Galvani (1883) vermutete, dass Giorgio da Sebenico einem Zweig der Familie Orsini entstammte, sein Sohn habe nach dem Tod des Vaters den Familiennamen angenommen.[10] Aus wirtschaftlichen Gründen sei Giorgios Vater gezwungen gewesen, seine Familie mit eigener Hände Arbeit durchzubringen. 65 Jahre nach Giorgios Tod sei sein Enkel Giacomo, ein Anwalt, als legitimer Nachkomme des Hauses Orsini anerkannt worden. Laut Cvito Fisković (1963) gebrauchte Giorgio zu seinen Lebzeiten allerdings nie den Namen Orsini.[11] In der aktuellen Forschungsliteratur wird nicht mehr von einer Verwandtschaft zu den Orsini ausgegangen.
Literatur
- Hans Folnesics: Giorgio da Sebenico. In: Ulrich Thieme, Fred. C. Willis (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Band 14: Giddens–Gress. E. A. Seemann, Leipzig 1921, S. 84–85 (Textarchiv – Internet Archive).
- Anne Markham Schulz: Giorgio da Sebenico and the Workshop of Giovanni Bon. In: Radovi Instituta za povijest umjetnosti. 3–6 (1979–82), S. 77–92 (Digitalisat; PDF; 5,3 MB).
- Grove Dictionary of Art (Memento vom 2. Dezember 2008 im Internet Archive)
- Giorgio da Sebenico. In: Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker (AKL). Band 54, Saur, München u. a. 2007, ISBN 978-3-598-22794-3, S. 454 f.
- Maria Grazia Ercolino: Giorgio di Matteo da Zara. In: Mario Caravale (Hrsg.): Dizionario Biografico degli Italiani (DBI). Band 55: Ginammi–Giovanni da Crema. Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom 2000.
Weblinks
- enciklopedija.hr (kroatisch)
Einzelnachweise
- Giuseppe Mazzariol, Terisio Pignatti: Storia dell’arte italiana: Il Trecento e il Quattrocento. Edizioni Scolastiche Mondadori, Mailand 1961, S. 138.
- Pietro Zampetti: Paintings from the Marches: Gentile to Raphael. Phaidon, London 1971, S. 97.
- Vincenzo Miagostovich (Hrsg.): I nobili e il clero di Sevenico nes 1449 per la fabbrica della cattedrale. Ubo Fosco, Sebenico 1910, S. 9 (Textarchiv – Internet Archive).
- Markham Schulz S. 69.
- (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven: Le mura di Ragusa di Dalmazia)
- ucalgary.ca (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Cultural Life of the Dubrovnik Republic (14th–18th Centuries)
- Thomas Graham Jackson: Dalmatia: The Quarnero and Istria. Band I. Clarendon Press, Oxford 1887, S. 406 (Textarchiv – Internet Archive).
- Alice Lee Hornor Moqué: Delightful Dalmatia. 1914, S. 109 (digital.library.upenn.edu)
“But alas, only the doorway now remains of the house which ‘Michelle u, a nobleman of Sebenico, sold to Giorgio Orsini for two hundred golden ducats of just and good weight’, in the month of June and the year 1455. On the lintel of this old doorway is carved a bear, the heraldic emblem of the great house of Orsini – carved, no doubt, by George’s own hand, over this door through which he must have passed so often.” - Sir Thomas Graham Jackson: A holiday in Umbria: with an account of Urbino and the Cortegiano of Castiglione. J. Murray, London 1917, S. 38 (Textarchiv – Internet Archive).
- F. A. Galvani: Il re d'armi di Sebenico. Naratovich, Venezia 1883, S. 158–166 (Textarchiv – Internet Archive).
- Cvito Fisković, Nenad Gattin: Juraj Dalmatinac. Zora, Zagreb 1963, S. 73.