Georg Hermann

Georg Hermann, eigentlich Georg Hermann Borchardt (geboren a​m 7. Oktober 1871 i​n Berlin; gestorben a​m 19. November 1943 i​m KZ Auschwitz-Birkenau)[1] w​ar ein deutscher Schriftsteller u​nd ein jüdisches Opfer d​es Holocaust.

Georg Hermann mit seiner Ehefrau, 1908. Foto von Marta Wolff
Porträt von Georg Hermann, Künstler: Hermann Struck
Georg Hermann (1917), gemalt von Erich Büttner

Leben

Familie und Jugend

Georg Hermann w​urde 1871 a​ls jüngstes v​on sechs Kindern e​iner alteingesessenen jüdischen Familie i​n Berlin m​it dem Namen Georg Borchardt geboren. Der gewählte Name Hermann w​ar der Vorname seines Vaters,[2] „dessen Leben u​nd Sterben d​as harte Leben u​nd bittere Sterben d​es hoffnungslos Unterliegenden war.“ Den Namen d​es Vaters sollte e​r wieder z​u Ehren bringen – s​o Georg Hermann z​ur Wahl seines Pseudonyms.

Der Ägyptologe u​nd Archäologe Ludwig Borchardt w​ar sein Bruder. Georg Hermann arbeitete a​ls kaufmännischer Lehrling u​nd besuchte v​on 1896 b​is 1899 literarische, kunstgeschichtliche u​nd philosophische Vorlesungen a​n der Universität Berlin. Später w​ar er b​eim Statistischen Amt Berlin beschäftigt u​nd schrieb für vierzig Zeitungen u​nd Zeitschriften, v​or allem a​us dem Ullstein-Verlag.

Schriftsteller

Georg Hermann w​ar im ersten Drittel d​es 20. Jahrhunderts e​in vielgelesener Schriftsteller. Sein literarisches Vorbild w​ar Theodor Fontane, w​as ihm a​uch die Bezeichnung „jüdischer Fontane“ eintrug.[3] Die Romane Jettchen Gebert u​nd Henriette Jacoby, d​ie im Berlin d​er Jahre 1839/40 spielen u​nd ein Bild d​es liberalen Geistes dieser Zeit i​n einer jüdischen Familie zeichnen, w​aren seinerzeit Bestseller u​nd konnten zusammen m​ehr als 260 Auflagen aufweisen. Seine anderen Romane erreichten n​icht die gleiche Popularität.

Georg Hermann w​ar 1909 Mitgründer u​nd 1910–1913 erster Vorsitzender d​es Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller, d​em bald f​ast alle prominenten Schriftsteller deutscher Sprache beitraten.

Hermann z​og noch v​or Ausbruch d​es Ersten Weltkriegs n​ach Neckargemünd.

Verfolgung und Exil

Gedenktafel am Haus Kreuznacher Str. 28 in der Künstlerkolonie Berlin


Durch die Nationalsozialisten ständig bedroht, entschloss sich Hermann nach dem Reichstagsbrand im Jahre 1933, Deutschland zu verlassen. Mit seinen zwei jüngsten Töchtern und seiner geschiedenen Frau ging er nach Holland ins Exil. Georg Hermanns Werke standen auf der „Schwarzen Liste“ und wurden bei den Bücherverbrennungen im Mai 1933 den Flammen übergeben. Im Exil schrieb Hermann unter schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen Eine Zeit stirbt sowie drei weitere Romane.

Nach der Besetzung durch die deutsche Wehrmacht wurde er Anfang 1943 gezwungen, sich von seinem Wohnort Hilversum nach Amsterdam zu begeben.[4] Aus Amsterdam wurde Hermann mit der Tochter aus zweiter Ehe Ursula und deren Sohn Michael in das Durchgangslager Westerbork und am 16. November 1943 ohne Tochter und Enkel in das KZ Auschwitz deportiert. Der Transport mit 995 „Juden aus dem Lager Westerbork“ – 166 Kinder, 281 Männer und 291 Frauen bis zu 50 Jahren sowie 257 ältere Menschen – erreichte Auschwitz-Birkenau am 17. November 1943. Unmittelbar nach der Selektion an der „Alten Rampe“ wurden 531 Menschen aus diesem Transport, darunter der 72-jährige Georg Hermann, in den Gaskammern getötet. Als Todesdatum gilt bislang der 19. November 1943.[5][6]

Gedenkstein und Straßenname

Gedenkstein im Georg-Hermann-Garten

Dem Schriftsteller ist der parkähnliche Georg-Hermann-Garten in Berlin-Friedenau gewidmet. Dieser Garten wurde 1962 als Gedenkort eingeweiht. In seinem Roman Der kleine Gast aus dem Jahr 1925 beschrieb Hermann seinen damaligen Wohnort Friedenau liebevoll als idyllisches Gartenviertel und als „Eldorado der Tonzwerge“. Die Zugänge zum Garten liegen in der Goßlerstraße 24–25 und in der Stubenrauchstraße 6. Der Zugang Bundesallee 79–81 führt jetzt nur noch zur Kindertagesstätte Pestalozzi-Fröbel-Haus. Im Garten wurde ein Gedenkstein für Georg Hermann aufgestellt, der etwas versteckt auf dem eingezäunten Kita-Spielplatz steht. Der Gedenkstein nennt als Todesjahr Hermanns fälschlicherweise 1944 statt 1943. In Potsdam ist die Georg-Hermann-Allee nach ihm benannt.

Werke

Romane/Erzählungen

  • Spielkinder, 1896. Digitalisiert von der Zentral- und Landesbibliothek Berlin, 2020. URN urn:nbn:de:kobv:109-1-15418197
  • Modelle, 1897
  • Die Zukunftsfrohen, 1898
  • Aus dem letzten Hause, 1900
  • Jettchen Geberts Geschichte, 1906–1909 (120. Auflage 1927), verfilmt als Jettchen Geberts Geschichte 1. Teil: Jettchen Gebert 1918
  • Henriette Jacoby, 1908, verfilmt als Jettchen Geberts Geschichte 2. Teil: Henriette Jacoby 1918
  • Kubinke, 1910 (Die Geschichte eines Berliner Frisörs, 18. Aufl. 1922; zuletzt als 414. Band der Anderen Bibliothek: Georg Hermann: Kubinke. Mit einem Nachwort von Lothar Müller, Berlin, Die Andere Bibliothek 2019, ISBN 978-3-8477-0414-0.)
  • Aus guter alter Zeit, 1911
  • Die Nacht des Doktor Herzfeld, 1912 (19. Aufl. 1922)
  • Heinrich Schön jr., 1915 (26. Aufl. 1922)
  • Vom gesicherten und ungesicherten Leben, 1915 (5. Aufl. 1922)
  • Der Guckkasten, 1916
  • Einen Sommer lang, 4. Aufl. 1917
  • Kleine Erlebnisse, 1920
  • Schnee, 1921 (über den Weltkrieg)
  • Die steile Treppe, 1925
  • Der kleine Gast, 1925
  • Spaziergang in Potsdam, 1926
  • Tränen um Modesta Zamboni, 1927
  • Träume der Ellen Stein, 1929
  • Grenadier Wordelmann, 1930 (1980 mit Grenadier Wordelmann verfilmt).
  • November 18, 1930
  • Das Buch Ruth, 1931
  • Ruths schwere Stunde, Amsterdam 1934
  • Rosenemil, 1935 (verfilmt 1993)
  • Der etruskische Spiegel. Zeichnungen von Charles Eyck, Verlag Menno Hertzberger, Amsterdam 1936. Charles Eyck war ein in den Niederlanden sehr bekannter Künstler.
  • Nur für Herrschaften, 1949

Dramen

  • Der Wüstling, 1911
  • Frau Antonie, 1917
  • Mein Nachbar Ameise, 1918

Sonstiges

  • Die deutsche Karikatur im 19. Jahrhundert, 1901
  • Wilhelm Busch, Berlin 1902
  • Skizzen und Silhouetten, Darmstadt 1902
  • Moritz Coschell , Berlin 1904
  • Max Liebermann, Berlin 1904
  • Die Kette, 1917–1934 (fünfbändige Darstellung jüdischen Lebens des Deutschland von 1899–1923)
  • Randbemerkungen, 1919 (politische Kommentare, 3. Aufl. 1920)
  • Der doppelte Spiegel, Berlin 1926 (polemische Schrift über die Judenproblematik in Deutschland)
  • Eine Zeit stirbt, 1933 (autobiographisch)
  • M. B., der unbekannte Fussgänger, 1935 (autobiographisch)
  • Weltabschied, 1935 (Essay, Reflexionen über sein eigenes Judentum)

Werkausgaben

  • Georg Hermann. Gesammelte Werke. Berlin und Leipzig, 1922 (5 Bände).
  • Unvorhanden und stumm, doch zu den Menschen noch reden. Briefe aus dem Exil 1933–1941 an seine Tochter Hilde. Mit einem Essay: Weltabschied von Hilde Borchardt. Hrsg. und editorisches Nachwort: Laureen Nussbaum. Mannheim : persona, 1991
  • Gert Mattenklott, Gundel Mattenklott (Hrsg.): Georg Hermann. Werke und Briefe in 21 Bänden. Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1996 bis 2001 (davon 10 Bände erschienen)

Herausgebertätigkeit

  • Das Biedermeier im Spiegel seiner Zeit, Briefe, Tagebücher, Memoiren, Volksszenen und ähnliche Dokumente, Berlin 1913.[7]

Vorworte

  • Felix Eberty: Jugenderinnerungen eines alten Berliners, Berlin 1925

Zeitschriftenbeiträge (Auswahl)

In: Der sozialistische Arzt

  • Stimmen gegen den § 218. 7. Jg. (1931), Heft 4 (April), S. 103 Digitalisat

Bearbeitungen

Literatur

  • John Craig-Sharples: Georg Hermann. A Writer’s Life. Legenda/Modern Humanities Research Association, Cambridge 2019, ISBN 9781781888551.
  • Martin Glaubrecht: Hermann, Georg. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 8, Duncker & Humblot, Berlin 1969, ISBN 3-428-00189-3, S. 656 f. (Digitalisat).
  • Hermann, Georg. In: Lexikon deutsch-jüdischer Autoren. Band 3: Birk–Braun. Hrsg. vom Archiv Bibliographia Judaica. Saur, München 1995, ISBN 3-598-22683-7, S. 300–326.
  • Hans Kohn: „Die Nacht des Dr. Herzfeld“ von Georg Hermann. In: Die Juden in der deutschen Literatur. Berlin 1922, online bei lexikus.de.
  • C. G. van Liere: Georg Hermann, Materialien zur Kenntnis seines Lebens und seines Werkes. Amsterdam 1974, ISBN 90-6203-378-4.
  • Kerstin Schoor (Hrsg.): … aber ihr Ruf verhallt ins Leere hinein. Der Schriftsteller Georg Hermann (1871 Berlin – 1943 Auschwitz). 1999, ISBN 3-89693-129-6.
  • Godela Weiss-Sussex (Hrsg.): Georg Hermann, deutsch-jüdischer Schriftsteller und Journalist, 1871–1943. Tübingen 2004, ISBN 3-484-65148-2.
  • Volker Weidermann: Das Buch der verbrannten Bücher. Köln 2008, ISBN 978-3-462-03962-7 (zu Hermann: Seite 98–100)
  • Laureen Nussbaum: 1926: Georg Hermann writes a pamphlet attacking the special issue of Martin Buber’s „Der Jude“ devoted to the topic of anti-Semitism and Jewish national characteristics. In: Sander L. Gilman, Jack Zipes (Hrsg.): Yale Companion to Jewish Writing and Thought in German Culture 1096–1996. Yale University Press, New Haven 1997, S. 448–454.
Commons: Georg Hermann – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. John F. Oppenheimer (Red.) u. a.: Lexikon des Judentums. 2. Auflage. Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh u. a. 1971, ISBN 3-570-05964-2, Sp. 285.
  2. ein nicht sehr erfolgreicher Kaufmann, der 1875 bankrottging
  3. Tilman Krause: Endlich ist Fontanes kleiner Bruder wieder da Die Welt, 29. Juni 2019.
  4. Digital Monument to the Jewish Community in the Netherlands.
  5. Vgl. Danuta Czech: Kalendarium der Ereignisse im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau 1939-1945, Reinbek bei Hamburg, Rowohlt 1989, S. 656.
  6. Bundesarchiv 2007: Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933–1945
  7. Das Biedermeier im Spiegel seiner Zeit : Briefe, Tagebücher, Memoiren, Volksszenen und ähnlichen Dokumenten : Borchardt, Georg Hermann, 1871- : Free Download, Borrow, and Streaming. kellylibrary toronto, 25. November 2008, abgerufen am 27. August 2020 (englisch).
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