Gefängnisse von La Roquette
Die Gefängnisse von La Roquette waren zwei Strafvollzugseinrichtungen im Pariser Quartier de La Roquette im 11. Arrondissement, auf beiden Seiten der Rue de la Roquette. Das ältere bestand von 1830 bis 1974, das jüngere von 1836 bis 1900. Heute befindet sich an der Stelle des ersten Gefängnisses der Park Square de la Roquette.
Geschichte
Die Entstehung der Gefängnisse
1826, unter der Herrschaft von Karl X., wurde der Bau eines Jugendgefängnisses in Paris beschlossen. Als Bauplatz wurde eine Stelle in der Nähe des Friedhofs Père Lachaise gewählt, in Höhe der Rue de la Roquette Nr. 143. Dort hatte sich zuvor ein Konvent befunden, der während der Französischen Revolution geschlossen worden war. Architekt war Louis-Hippolyte Lebas, der auch die Kirche Notre-Dame-de-Lorette gebaut hatte. Für den Entwurf orientierte er sich am Modell des Panopticons des britischen Philosophen Jeremy Bentham. Das sechseckige Gebäude[1] wurde am 11. September 1830 eröffnet und von den Parisern La Roquette genannt. (Lage)
Im selben Jahr beschloss König Louis-Philippe I. seinerseits, beunruhigt durch einen Anstieg der Zahl von Häftlingen in Paris, den Bau eines weiteren Gefängnisses, obwohl es schon rund zwölf gab. Der aus Köln stammende Architekt François-Chrétien Gau legte den Plan für ein viereckiges Gebäude mit Innenhof vor, das von einer ringförmigen Mauer umgeben war. Dieses neue Gebäude wurde gegenüber dem schon bestehenden angelegt (Lage) . Während des Baus dieses zweiten Gefängnisses gab es Proteste gegen Hinrichtungen an dieser Stelle. Als Folge wurde 1832 die Guillotine zum fünf Kilometer entfernten Place de Gréve verlegt, südlich der heutigen Metro-Station Saint Jacques.
Das zweite Gefängnis wurde am 24. Dezember 1836 in Betrieb genommen und zunächst 187 Häftlinge aus dem Gefängnis Bicêtre dorthin verlegt. Die offizielle Bezeichnung dieses neuen Gefängnisses lautete Dépôt de condamnés, weil hier Gefangene vor ihrer Deportation in die Strafkolonien von Île de Ré, Cayenne und Neu-Kaledonien untergebracht wurden. Auch befanden sich hier zum Tode Verurteilte. Die Pariser unterschieden schon bald die beiden Gefängnisse in Petite Roquette (das erste Gefängnis) und Grande Roquette.
Die Guillotine in der Grande Roquette
Am 29. November 1851 wurde per Dekret ein neuer Ort für Hinrichtungen in Paris festgelegt. Die Guillotine wurde am Eingang der Grande Roquette errichtet: Zu diesem Zwecke wurden an fünf Punkten zum Aufbau der Apparatur spezielle Platten auf dem Straßenpflaster angebracht; diese Stellen sind noch heute zu sehen. Schon drei Wochen später fand die erste Hinrichtung statt. Insgesamt wurden bis 1899 mit dieser Guillotine 69 Gefangene hingerichtet. Einer von ihnen war 1870 der achtfache Mörder Jean-Baptiste Troppmann. 1871 wurden in der Grande Roquette während der Pariser Kommune sechs Geiseln für die Freilassung von Kommunarden von den Aufständischen standrechtlich erschossen, darunter der Erzbischof von Paris, Georges Darboy, weitere Geistliche und ein Richter.
Im Laufe der 1890er Jahre mehrten sich die öffentlichen Stimmen, die die Zustände in dem Gefängnis kritisierten. Der französische Präsident Félix Faure ließ daraufhin die Grande Roquette schließen und die Häftlinge nach La Santé verlegen. Im Jahre 1900 wurde das Gefängnis abgerissen, und an seiner Stelle wurden Wohnhäuser errichtet.
Die Petite Roquette
Das Gefängnis Petite Roquette hingegen blieb in Betrieb, wenn auch ab den 1920er Jahren unter anderen Bedingungen. Die jugendlichen Straftäter wurden verlegt; die Petite Roquette wurde zum Frauengefängnis umgewandelt und blieb dies bis zu ihrer Schließung im Jahre 1974.
Nach einem Gesetz von 1939, das die Hinrichtung von Frauen in der Öffentlichkeit untersagte, wurden diese – es waren letztlich zwei – fortan in diesem Gefängnis durchgeführt. Eine der beiden hingerichteten Frauen war 1943 Marie-Louise Giraud, die wegen der Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen zum Tode verurteilt worden war. Während der Besatzung wurde die Petite Roquette von den Deutschen zur Inhaftierung von Widerstandskämpferinnen genutzt, darunter die Schauspielerin Steffie Spira-Ruschin, die Journalistin Lenka Reinerová, die Gewerkschafterinnen Suzanne Masson und Cläre Quast sowie Dora Schaul.
Nach seiner Schließung wurde das Gefängnis abgerissen und an seiner Stelle der Park Square de la Roquette angelegt. Ein ehemaliges Pförtnerhäuschen des Gefängnisses dient als Eingang.
Literatur
- Dominique Leborgne, Danièle Chadych: Vie et histoire du XI. arrondissement. Èd. Hervas 1990, ISBN 978-2-903118-27-3
- Yvette Sémard, Gilles Perrault: En souvenir de l'avenir. Au jour le jour dans les camps de Vichy 1942-1944. La Petite Roquette, les camps des Tourelles, d'Aincourt, de Gaillon, de La Lande et de Mérignac. Éd. L'Arbre verdoyant. Montreuil. 1991. ISBN 978-2-86718-023-1
Weblinks
Einzelnachweise
- Laurent (1819-1896) Auteur du texte Amodru: La Roquette : hommage à Notre-Dame-des-Victoires et souvenirs affectueux à tous mes chers compagnons de captivité : journées des 24, 25, 26, 27 et 28 mai 1871 (7e édition, revue, considérablement augmentée, enrichie de planches...) / par M. l'abbé Laurent Amodru,... 1873 (bnf.fr [abgerufen am 8. April 2021]).