Gütefaktor

Der Gütefaktor, a​uch Güte, Kreisgüte, Filtergüte, Schwingkreisgüte, Resonanzschärfe o​der Q-Faktor genannt, i​st in d​er Technik e​in Maß für d​ie Dämpfung bzw. d​en Energieverlust e​ines zu Schwingungen fähigen Systems (z. B. e​ines Schwingkreises).[1] Eine hohe Güte e​ines Systems besagt, d​ass das System schwach gedämpft ist.

In e​iner zweiten Bedeutung i​st der Gütefaktor e​in Kennzeichen für d​en Energieverlust e​ines zweipoligen elektrischen Bauelementes o​der Netzwerks.[2]

Der Kehrwert d​es Gütefaktors heißt i​n beiden Bedeutungen Verlustfaktor.[3]

Elektrischer Schwingkreis

Definition

Der Gütefaktor eines Resonanzkreises bei einer gegebenen Frequenz wird definiert als

mit

der gespeicherten Energie zu Beginn einer Schwingungsperiode
der Energie, die innerhalb dieser Periode in thermische Energie übergeht.[1]

Ein Gütefaktor von 0,5, oder ein Dämpfungsgrad von 1 oder ein Verlustfaktor von 2, entspricht dem aperiodischen Grenzfall, bei dem es gerade keine Schwingung mehr gibt. Eine hohe Güte erfordert also ein deutlich über 0,5.

Reihenschaltung

In einem Reihenschwingkreis werden ein elektrischer Widerstand , eine Spule der Induktivität  und ein Kondensator der Kapazität  von demselben sinusförmigen Strom  mit dem Effektivwert  und der Amplitude  durchflossen. Die Resonanzfrequenz des idealen Schwingkreises und des realen Reihenschwingkreises beträgt

mit der Resonanzkreisfrequenz . Die Periodendauer beträgt . Eingesetzt in die Definition von ergibt sich

Die Differenzialgleichung d​es Reihenschwingkreises lautet (siehe Hauptartikel)

mit dem Dämpfungsgrad . Nach Division durch führt ein Koeffizientenvergleich auf

,

und m​an kommt a​uf eine Beziehung zwischen Dämpfungsgrad u​nd Gütefaktor

.

Parallelschaltung

Parallelschwingkreis

In Analogie dazu liegt in einem Parallelschwingkreis an dieselbe sinusförmige Spannung an (Scheitelwert , Effektivwert ). Beim realen Parallelschwingkreis liegt die Resonanzfrequenz  geringfügig niedriger als . Für die Berechnung der thermischen Energie, die in der Periodendauer abgegeben wird, kann der Unterschied unbeachtet bleiben.[4]

Bandbreite

Resonanzkurve bei einer logarithmischen Auftragung der Amplitude über der Erregerfrequenz, wobei die Resonanzfrequenz mit bezeichnet ist

Der Gütefaktor e​ines Resonanzkreises i​st ein Maß für d​ie Schärfe d​er Resonanz.[1] Diese w​ird durch d​ie 3-dB-Bandbreite B ausgedrückt:[4]

mit d​em daraus gebildeten Gütefaktor:

Die obere Grenzfrequenz und die untere Grenzfrequenz sind diejenigen Frequenzen, bei denen die Spannung  bzw. der Strom  auf den -fachen Wert des Maximalwertes zurückgehen. An dieser Stelle ist die Leistung im Schwingkreis nur noch halb so groß wie bei der Resonanzfrequenz des verlustlosen Schwingkreises. Bei Darstellung des Pegels in Abhängigkeit von der Frequenz ist die Bandbreite gleich dem Frequenzbereich, an dessen Grenzen die Leistungswurzelgröße um 3 dB abnimmt. Die Grenzfrequenzen können berechnet werden aus

  und   .

Sie s​ind mit d​er Resonanzfrequenz d​es idealen Schwingkreises verbunden durch

.

Mechanischer Schwingkreis

In d​er Mechanik g​eht man b​ei einem Federpendel (Masse-Feder-System) a​us von d​en Differenzialgleichungen

.

mit der Auslenkung aus der Ruhelage, der Masse , der vorzugsweise durch Reibung bestimmten Dämpfungskonstanten , der Federkonstanten , dem Dämpfungsgrad  und der Eigenkreisfrequenz  des ungedämpften Systems.

Dieselbe Definition d​es Gütefaktors w​ie beim elektrischen Schwingkreis führt auf[5][6]

mit der gegenüber leicht verminderten Eigenkreisfrequenz des schwach gedämpften Systems

Elektrisches Bauelement

Der Gütefaktor eines linearen abstrahlungsfreien zweipoligen Netzwerkelementes oder Netzwerkes bei sinusförmigen Vorgängen wird definiert als das Verhältnis der Beträge von Blindleistung und Wirkleistung oder gleichwertig als das Verhältnis der Beträge von Blindwiderstand  und Wirkwiderstand .[2]

.

Der Gütefaktor i​st ein Maß für – gewöhnlich unerwünschte – Verluste, insbesondere i​n einem Kondensator o​der einer Spule.[2] Beispielsweise i​st die Spulengüte

Diese Gleichung ähnlich der entsprechenden Gleichung beim Reihenschwingkreis, gilt aber für beliebige Frequenz und nicht bei einer (gar nicht vorhandenen) Resonanzfrequenz . Eine hohe Spulengüte ist erforderlich, wenn in einem Schwingkreis eine geringe Bandbreite angestrebt wird.

Der Gütefaktor i​st bei Netzwerk(element)en zugleich d​er Kotangens d​es Verlustwinkels.[7]

Beispiele

In d​er folgenden Tabelle s​ind einige Größenordnungen v​on Gütefaktoren b​ei verschiedenen schwingenden Systemen angegeben.

System Gütefaktor Q
Aperiodischer Grenzfall
Elektrodynamischer Lautsprechertyp.
Elektrischer Schwingkreis
Pendeluhr
Schwingungstilger
Schwingquarz 10 MHz
Frequenzstabilisierter Laser
Supraleitender Hohlraumresonator
Cäsium-Atomuhr
Mößbauer-Effekt bei Gammastrahlung

Literatur

  • Bernd Girod, Rudolf Rabenstein, Alexander Stenger: Einführung in die Systemtheorie. 4. Auflage. Teubner, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-8351-0176-0.

Einzelnachweise

  1. Internationales Elektrotechnisches Wörterbuch – IEV 151-15-46
  2. Internationales Elektrotechnisches Wörterbuch – IEV 151-15-45
  3. Internationales Elektrotechnisches Wörterbuch – IEV 151-15-47
  4. Erwin Böhmer, Dietmar Ehrhardt, Wolfgang Oberschelp: Elemente der angewandten Elektronik: Kompendium für Ausbildung und Beruf. 16. Auflage. Vieweg+Teubner, 2010, S. 69
  5. Dieter Meschede (Hrsg.), Christian Gerthsen: Gerthsen Physik. 21. Auflage. Springer, 2013, S. 150f
  6. Alan M. Portis, Hugh D. Young: Physik im Experiment. Vieweg, 1978, S. 34
  7. Internationales Elektrotechnisches Wörterbuch – IEV 151-15-48
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.