Friedrich Simon Archenhold
Friedrich Simon Archenhold (* 2. Oktober 1861 in Lichtenau in Ostwestfalen; † 14. Oktober 1939 in Berlin) war ein deutscher Astronom. Er war Mitbegründer der seit 1946 nach ihm benannten Archenhold-Sternwarte in der damaligen Landgemeinde Treptow bei Berlin (heute im Berliner Ortsteil Alt-Treptow).
Leben und Wirken
Friedrich Simon Archenhold legte Ostern 1882 an der Realschule 1. Ordnung zu Lippstadt (heute Ostendorf-Gymnasium) seine Maturitätsprüfung ab und studierte von 1882 bis 1887 in Berlin und Straßburg.
Sein ehemaliger Professor, Wilhelm Foerster, unterstützte ihn bei seinen Forschungen. 1889 wurde Archenhold erster Astronom der von Foerster mitbegründeten und in jenem Jahr eingeweihten Berliner Volksbildungsanstalt Urania.[1] 1890 wurde er Mitarbeiter der Berliner Sternwarte, dessen Direktor Foerster war, und richtete in seinem Auftrag am Halensee im Grunewald für diese eine fotografische Außenstelle ein. Am 27. Oktober 1891 entdeckte er dort nahe dem Stern ξ-Persei im Sternbild Perseus mit Hilfe der Fotografie einen ausgedehnten Nebel (den Perseus-Nebel) und veröffentlichte diese Entdeckung in den Astronomischen Nachrichten.
Schwierigkeiten aufgrund fehlender technischer Mittel bei dem Nachweis, dass es sich um einen eigenständigen Nebel handelt, führten wohl zu ersten Planungen Archenholds für ein neues großes Teleskop. Auf Grund seiner Planungen und im Zuge der Vorbereitungen für die Berliner Gewerbeausstellung 1896 entstand dann das – manchmal auch Himmelskanone genannte – Fernrohr mit 21 m Brennweite, bis heute das längste Linsenfernrohr der Erde.
Am 1. Mai 1896 eröffnete die Berliner Gewerbeausstellung, endgültig fertiggestellt unter der Leitung von Archenhold wurde das Fernrohr jedoch erst im September. Durch den großen Besucherandrang zum Fernrohr und das starke Interesse vieler Bevölkerungsschichten kam es zu dem Entschluss, das Fernrohr und das umgebende Gebäude im Treptower Park zu belassen. Dies war faktisch die Gründung der Volkssternwarte, die damals Treptow-Sternwarte genannt wurde und seit 1946 Archenhold-Sternwarte heißt.
1898 wurde als Rechtsträger der Verein Treptow-Sternwarte e. V. gegründet, der die Sternwarte führte und dessen Vorsitzender Archenhold war. Archenhold hielt einerseits viele Vorträge in der Sternwarte und außerhalb und war andererseits für den Betrieb und die Finanzierung verantwortlich. 1912 hatte er die Idee, Filme als Medium für die Wissensvermittlung in der Sternwarte einzusetzen.[2]
Archenhold führte mehrere Reisen zu Sonnenfinsternissen durch und betrieb Forschungen zu der Natur der Sonnenflecken. 1904 traf er dabei in England erstmals mit Andrew Carnegie zusammen, der später auch die Treptow-Sternwarte in Berlin besuchte. 1907 absolviert er eine längere Reise in die USA, wo er unter anderem mit Thomas Alva Edison, Simon Newcomb, Edward Charles Pickering und Williamina Fleming zusammentraf. Bei dieser Reise erhielt er auch die Ehrendoktorwürde der Western University of Pennsylvania. Archenhold war am Berliner Programm der Physik der Hochatmosphäre mit Otto Jesse und Wilhelm Foerster beteiligt. Er beobachtete auf der Sternwarte Leuchtende Nachtwolken und arbeitete eng mit Jesse zusammen.
Archenhold konnte zahlreiche bekannte Wissenschaftler und Forscher zu Vorträgen in der Sternwarte gewinnen, einer der im Nachhinein wohl wichtigsten Vorträge dürfte am 2. Juni 1915 der erste öffentliche Vortrag Albert Einsteins zur Relativitätstheorie gewesen sein. Archenhold war Kriegsgegner und sympathisierte mit dem 1914 gegründeten Bund Neues Vaterland. 1925 bei der Gründung der Panterra-Gesellschaft wurde Archenhold neben dem 1. Vorsitzenden Professor Kapp und dem 2. Vorsitzenden Rudolf Nebel Geschäftsführer.
Archenhold wurde Ehrenvorsitzender des am 17. Juli 1928 gegründeten Berliner Flugvereins, der das Flugwesen in jeder Richtung fördern wollte. 1931, zu seinem 70. Geburtstag, legte Archenhold das Amt des Direktors nieder. Nachfolger wurde sein Sohn Günter Archenhold (1904–1999). Die Grabstätte Friedrich Simon Archenholds befindet sich im Mittelweg des landeseigenen Zentralfriedhofs Friedrichsfelde.
Friedrich Simon Archenhold war seit dem 3. Juli 1897 mit Alice Archenhold, geb. Markus (* 27. August 1874), verheiratet. Das Paar hatte fünf Kinder. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 kam es zu Übergriffen gegen die jüdische Familie Archenhold. Alice Archenhold und ihre Tochter Hilde wurden von den Nationalsozialisten verhaftet und ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, wo beide ums Leben kamen. Alice Archenhold verstarb am 9. Februar 1943. An ihrem Todestag wurde 2010 in Berlin-Niederschöneweide eine Straße nach ihr umbenannt.[3]
Ehrungen
Nachdem die Sternwarte 1946 den Ehrennamen seines Gründers erhalten hatte, ließ die DDR von Bildhauer Theo Balden eine Büste aus Granit schlagen. Die Büste wurde 1961 vor dem Hauptgebäude der Sternwarte aufgestellt.[4]
1999 wurde der Asteroid (4030) Archenhold nach Friedrich Simon Archenhold benannt.[5]
Seit dem 14. Oktober 1992 trägt ein Gymnasium in Berlin-Niederschöneweide den Namen Archenholds.[6]
Werke
- Herausgeber und Begründer der Zeitschrift Das Weltall (1900–1944)
- Raphael Loewenfeld (Hrsg.): Kongress für Volksunterhaltung. Die Volksunterhaltung; Vorträge und Berichte von F. S. Archenhold, Albert Dresdner [et al.] Stenographischer Bericht über den Ersten Kongress … am 13. & 14. Nov. 1897 zu Berlin. Berlin: F. Duemmler, 1898 (Standort: Leo Baeck Institut New York)
- Friedrich Simon Archenhold produzierte gemeinsam mit Oskar Messter im Jahr 1912 den weltweit ersten Film einer Sonnenfinsternis.[7]
Literatur
- Reichshandbuch der Deutschen Gesellschaft – Das Handbuch der Persönlichkeiten in Wort und Bild, Erster Band, Deutscher Wirtschaftsverlag, Berlin 1930, S. 32, ISBN 3-598-30664-4.
- Felix Schmeidler: Archenhold, Friedrich Simon. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 1, Duncker & Humblot, Berlin 1953, ISBN 3-428-00182-6, S. 335 (Digitalisat).
- Dieter B. Herrmann: Friedrich Simon Archenhold und seine Treptower Sternwarte. Vorträge und Schriften der Archenhold-Sternwarte Nr. 65, Berlin-Treptow 1986 (40 Seiten, 80 Literaturverweise).
- Andreas W. Daum: Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert. Bürgerliche Kultur, naturwissenschaftliche Bildung und die deutsche Öffentlichkeit, 1848–1914. Oldenbourg, München 1998, ISBN 3-486-56337-8.
Weblinks
- Literatur von und über Friedrich Simon Archenhold im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke Archenholds. Suchtreffer. In: ui.adsabs.harvard.edu. Astrophysics Data System
- Förderverein AStW und ZGP Berlin e. V. In: astw.de.
- Abbildung einer Broschüre Zur Wiederkehr des Halley'schen Kometen von Archenhold
Einzelnachweise
- Andreas W. Daum: Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert. Bürgerliche Kultur, naturwissenschaftliche Bildung und die deutsche Öffentlichkeit, 1848–1914. Oldenbourg, München 1998, ISBN 3-486-56337-8, S. 178–181, 473.
- Dieter B. Herrmann: Vom Wert des Films für die Bildung. Initiativen der Treptower Sternwarte sowie der Berliner und Wiener Urania (1904–1924). In: Rolf Aurich, Ralf Forster (Hg.): Wie der Film unsterblich wurde. Vorakademische Filmwissenschaft in Deutschland. Edition Text + Kritik, München 2015, S. 142–149.
- Gabriele Schöttler: Straßenumbenennung in Niederschöneweide. In: www.berlin.de. 20. Februar 2010, archiviert vom Original am 20. Februar 2010; abgerufen am 5. August 2019.
- Institut für Denkmalpflege (Hrsg.): Die Bau- und Kunstdenkmale der DDR. Hauptstadt Berlin-II. Henschelverlag, Berlin 1984, S. 368/369.
- MINOR PLANET CIRCULARS/MINOR PLANETS AND COMETS. (PDF; 3 MB) In: minorplanetcenter.net. Minor Planet Center, Smithsonian Astrophysical Observatory, Cambridge, MA 02138, U.S.A., 2. April 1999, S. 252, abgerufen am 5. August 2019 (englisch).
- Schulgeschichte - Archenhold-Gymnasium Berlin. In: pi.archenhold.de. Abgerufen am 5. August 2019.
- Konrad Guhl: Beobachtungen am Großen Refraktor. Veröffentlichung des Fördervereins der Archenhold Sternwarte Nr. 6, Berlin 2004.