Frederick Roberts, 1. Earl Roberts
Frederick Sleigh Roberts, 1. Earl Roberts, von den von ihm kommandierten Truppen Bobs genannt, VC KG KP GCB OM GCSI GCIE KStJ VD PC (* 30. September 1832 in Kanpur, Indien; † 14. November 1914 in Saint-Omer, Frankreich) war ein britischer Feldmarschall und einer der erfolgreichsten Heerführer des Viktorianischen Zeitalters.
Leben
Frederick Sleigh Roberts war ein Sohn des Brigadegenerals Sir Abraham Roberts, dessen Familie aus Waterford, Irland stammte; seine Mutter war Isabella Bunbury aus Kilfeacle, Tipperary.
Erste Einsätze
Nach seiner Kindheit in Indien wurde er in Eton, in der Royal Military Academy Sandhurst und Addiscombe erzogen. Am 20. Februar 1852 reiste er von Southampton über Ägypten nach Indien. Im April begann er seinen Dienst bei der bengalischen Artillerie der Britischen Ostindien-Kompanie in Calcutta und diente dort als Second Lieutenant. Im November 1852 erreichte er Peschawar, an der North West Frontier, wo die Division seines Vaters stationiert war. Roberts diente dort in einer Gebirgsbatterie. Im April 1854 erhielt Roberts, wegen häufiger Fieberanfälle, einen sechsmonatigen Urlaub, den er in Kaschmir verbrachte. Nach seiner Rückkehr nach Peschawar wurde er als Leutnant zur berittenen Artillerie versetzt. Im Frühjahr 1855 wurde er, wieder wegen des Fiebers, beurlaubt und ging für acht Monate erneut nach Kaschmir. Ab Sommer 1856 erfolgte seine Verwendung als Quartiermeister.[1] Im Mai 1857 wurde Roberts in den Stab der neu aufgestellten fliegenden Kolonne versetzt. Mit dieser kämpfte er 1857/58 im Sepoy-Aufstand bei Delhi und Lakhnau. Für seinen Einsatz bei Khudaganj erhielt er 1858 das Viktoria-Kreuz.
Nach der Auflösung der Armee der Ostindien-Kompanie diente Roberts in der British Indian Army. Mit dieser nahm er 1863 am Umbeyla-Feldzug teil. 1867/68 war er als Quartiermeister der bengalischen Brigade an der Expedition nach Äthiopien (damals Abessinien) von Robert Cornelis Napier beteiligt. In derselben Stellung nahm er auch am Feldzug 1871/72 gegen Luschai teil.
Anglo-Afghanischer Krieg
1878 führte er als Oberst im Zweiten Anglo-Afghanischen Krieg die durch das Tal des Kurum über den Paiwarpass vorrückenden Truppen. Daraufhin wurde er 1879 zum Generalmajor befördert und als Knight Commander des Bathordens in den Ritterstand („Sir“) erhoben.[2] Nach Wiederausbruch des Krieges im September 1879 erhielt er den Oberbefehl über die ca. 10.000 Mann umfassenden Kabul- und Kandahar-Truppen. Am 9. Oktober 1879 besetzte er Kabul, setzte am 22. Juli 1880 Abdur Rahman Khan als Emir von Afghanistan ein und eilte dem nach der Schlacht von Maiwand von Ayub Khan in Kandahar eingeschlossenen General Primrose zu Hilfe, mit dem zusammen er Ayub Khan am 3. September eine entscheidende Niederlage beibrachte. Für seine Leistungen wurde Roberts 1881 zum Baronet, of the Army, ernannt.
Als der Erste Burenkrieg der Briten gegen die Buren im südlichen Afrika sich wenig vorteilhaft entwickelte, erhielt Roberts im März 1881 den Oberbefehl in Natal und Transvaal. Bei seiner Ankunft war allerdings der Friede bereits geschlossen. Noch im gleichen Jahr wurde ihm das Kommando über die Truppen in der Präsidentschaft Madras übergeben. 1883 wurde er zum Generalleutnant und im Juli 1885 zum Oberbefehlshaber über die Truppen in ganz Indien ernannt. In dieser Stellung unterwarf er 1886 das erneut aufständische Birma. 1890 wurde er zum General befördert und 1892 zum Baron Roberts of Kandahar and Waterford erhoben.
Im November 1892 legte er den Oberbefehl nieder und nahm seinen Sitz im House of Lords ein. 1895 wurde Roberts zum Oberbefehlshaber der Truppen in Irland und zum Feldmarschall ernannt. 1897 erhielt er den St.-Patricks-Orden.
Burenkrieg
Nach den anfänglichen Misserfolgen der Truppen im Burenkrieg in Südafrika übertrug man ihm erneut den Oberbefehl. Er entsetzte Kimberley und zwang am 27. Februar 1900 den burischen Oberbefehlshaber Piet Cronjé in der Schlacht von Paardeberg zur Kapitulation. Am 13. März nahm er Bloemfontein und am 5. Juni Pretoria ein, woraufhin er den Oranje-Freistaat und die Südafrikanische Republik zu britischen Kolonien erklärte. Der Krieg schien gewonnen und Roberts kehrte nach England zurück. Sein Nachfolger wurde Lord Kitchener, bis dahin sein Stabschef. Die Buren setzten den Widerstand aber noch bis 1902 fort.
Oberbefehlshaber
Noch vor seiner Rückkehr wurde er zum Oberbefehlshaber der britischen Armee ernannt und 1901 mit den Titeln Earl Roberts, of Kandahar, Pretoria and Waterford, und Viscount St Pierre, mit dem Hosenbandorden und mit 100.000 Pfund Sterling belohnt.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es zwei starke rivalisierende Gruppen in der British Army mit unterschiedlichen Vorstellungen zur Verteidigungspolitik: Der Ashanti-Ring seines Vorgängers im Amt des Oberbefehlshabers Garnet Wolseley, 1. Viscount Wolseley stand dafür, die britischen Truppen im Mutterland zu verstärken, um für einen Krieg gegen Frankreich oder Russland in Europa gerüstet zu sein. Im Gegensatz dazu war die Gruppe um Lord Roberts dafür, die britischen Truppen in Indien zu stärken und dort eine Entscheidung gegen Russland zu suchen (The Great Game).
Aufgrund der Neuordnung der Heeresverwaltung legte er 1904 sein Amt als Oberbefehlshaber nieder, das nun nicht mehr besetzt wurde. Er starb am 14. November 1914, während des Ersten Weltkriegs, in Saint-Omer an einer Lungenentzündung, als er einen Inspektionsbesuch bei den an der Westfront kämpfenden indischen Truppen unternahm.[3] Er wurde in der Westminster Abbey aufgebahrt und in der St Paul’s Cathedral beigesetzt.
Da seine Söhne vor ihm starben, erlosch mit seinem Tod der Baronstitel. Bei der Verleihung der Earls- und Viscounttitel war bereits bestimmt worden, dass diese auch auf weibliche Nachkommen übergehen können, weshalb seine Tochter Aileen sie erbte. Sein Sohn, Leutnant Frederick Hugh Sherston Roberts, erhielt das Viktoria-Kreuz für seinen Einsatz in der Schlacht von Colenso, in der er tödlich verwundet wurde.
Roberts galt als der Brite mit den meisten Namenszusätzen, so genannten post-nominals, außerhalb des Königshauses. Da diese jeweils für einen verliehenen Orden geführt wurden, ist daraus zu schließen, dass kein anderer Brite so viele Auszeichnungen wie er verliehen bekommen hat.
Auszeichnungen, Ehrungen, Mitgliedschaften
- Viktoria-Kreuz (1858)
- Companion des Bathordens (1872)
- Knight Commander des Bathordens (1879)
- Knight Grand Cross des Bathordens (1880)
- Companion des Order of the Indian Empire (1880)
- Knight Grand Commander des Order of the Indian Empire (1887)
- Knight Commander des Order of the Indian Empire (1887)
- Knight Grand Commander des Order of the Star of India (1893)
- Mitglied des Privy Council für Irland (1895)
- Knight Companion des Order of Saint Patrick (1897)
- Knight Companion des Hosenbandordens (1901)
- Ritter des Schwarzen Adlerordens (Deutsches Reich, 1901)
- Knight of Grace des Order of Saint John (1901)
- Knight of Justice des Order of Saint John (1901)
- Order of Merit (1902)
- Volunteer Officers’ Decoration (1908)
Kandahar-Rennen im Skisport
Roberts als Earl of Kandahar war Namensgeber des Kandahar Ski Club, dessen Ziel es war, Ski Alpin in Form von Abfahrt und Slalom in der FIS zu etablieren. Der Kandahar Ski Club war wiederum Namensgeber der Arlberg-Kandahar-Rennen in St. Anton am Arlberg, welche zu diesem Zweck ab 1928 veranstaltet wurden und die erste Alpine Kombination in der Geschichte des Skisports darstellten. Neben St. Anton kamen später Mürren (1931), Chamonix (1948), Sestriere (1951) und Garmisch (1954) als Austragungsorte von Kandahar-Rennen hinzu, welche sich alle bis auf Mürren noch regelmäßig im Rennkalender des FIS wiederfinden.
Veröffentlichungen
- The Rise of Wellington. Low, Marston & Co., London 1895.
- Forty-one years in India. 1st Edition in one volume. Richard Bentley & Sons, London 1898 – a Project Gutenberg e-book (deutscher Titel: Einundvierzig Jahre in Indien. Verlag Siegismund, Berlin 1904).
- The Supreme Duty of the Citizen at the Present Crisis. The Last Message to his Fellow-Countrymen by Field-Marshal Earl Roberts. Williams & Norgate, London 1914.
Literatur
- William Henry Hannah: Bobs, Kipling’s general. The Life of Field-Marshal Earl Roberts of Kandahar, V. C. Lee Cooper, London 1972.
- Roberts, Frederick Sleigh Roberts, Earl. In: Encyclopædia Britannica. 11. Auflage. Band 23: Refectory – Sainte-Beuve. London 1911, S. 405 (englisch, Volltext [Wikisource]).
Weblinks
Einzelnachweise
- Roberts, Frederick Sleigh Roberts, Earl. In: Encyclopædia Britannica. 11. Auflage. Band 23: Refectory – Sainte-Beuve. London 1911, S. 405 (englisch, Volltext [Wikisource]).
- Knights and Dames: RAE–SEK bei Leigh Rayment’s Peerage (englisch).
- Rugby Union Footballers are Doing their Duty. Over 90% Have Enlisted. British Athletes! Will You Follow this Glorious Example?. In: World Digital Library. 1915. Abgerufen am 27. Oktober 2013.
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
---|---|---|
Donald Stewart, 1. Baronet | Oberbefehlshaber in Indien 1885–1892 | George Stuart White |
Garnet Wolseley, 1. Viscount Wolseley | Oberbefehlshaber in Irland 1895–1900 | Arthur, 1. Duke of Connaught and Strathearn |
Sir Redvers Buller | Oberbefehlshaber in Südafrika Dezember 1899 bis Dezember 1900 | Herbert Kitchener, 1. Baron Kitchener of Khartoum |
Garnet Wolseley, 1. Viscount Wolseley | Oberbefehlshaber der britischen Armee 1900–1904 | Amt abgeschafft |
Titel neu geschaffen | Baronet, of the Army 1881–1914 | Titel erloschen |
Titel neu geschaffen | Baron Roberts of Kandahar 1892–1914 | Titel erloschen |
Titel neu geschaffen | Earl Roberts 1901–1914 | Aileen Mary Roberts |