Franziskanerinnen von Reute
Die Franziskanerinnen von Reute sind eine römisch-katholische Ordensgemeinschaft bischöflichen Rechts der Diözese Rottenburg-Stuttgart, die nach den Ordensregeln des Heiligen Franziskus lebt.
Vorbild Selige Elisabeth
1848 begann die Geschichte mit einer Gemeinschaft von fünf Frauen in Ehingen, welche Gott in der leidenden Menschheit dienten. Über Schwäbisch Hall und den Roten Bau in Biberach gelangte die Gemeinschaft 1869 ins oberschwäbische Reute.
Dort lebte und wirkte ab 1403 Elisabeth Achler, später die „Gute Beth“ genannt. Sie wurde 1386 im oberschwäbischen Waldsee geboren. Sie begann mit vier Gefährtinnen 1403 in der Klause zu Reute ein zurückgezogenes Leben nach der Regel des Heiligen Franziskus. Elisabeth Achler starb 1420 im Alter von 34 Jahren. Sie wurde 1766 seliggesprochen und wird bis heute vom Volk sehr verehrt.
Gemeinschaft: Kloster Reute & Filialen
Das Kloster Reute befindet sich in einem Ortsteil der Stadt Bad Waldsee im Landkreis Ravensburg. Es ist die Zentrale der Gemeinschaft – ein Ort, an dem Schwestern, Wallfahrer und Gäste Kraft schöpfen durch die Präsenz der seligen Guten Beth von Reute. Die Franziskanerinnen leben in kleinen und großen Konventen im Kloster Reute und in verschiedenen Gemeinden, vor allem in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Als Franziskanerinnen sind sie auch in Indonesien und Brasilien präsent. An allen Orten verwirklichen sie den Auftrag der Gründerinnen: „Gott in der leidenden Menschheit dienen“.
Die Schwestern arbeiten in unterschiedlichen Bereichen: In der Pflege bei kranken, behinderten und alten Menschen, in der Hospizbewegung, bei Flüchtlingen, in Bildung und Pastoral, in Hauswirtschaft, Verwaltung und handwerklichen Berufen. Mit dem Bildungshaus Maximilian Kolbe, dem Jugendgästehaus St. Josef, Pilgerstätte, dem Ort des Gebets sind die Franziskanerinnen ein geistliches Zentrum in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Zu den Betrieben im Kloster Reute gehören u. a. auch die Paramentenstickerei, sowie die hauseigene Hostienbäckerei.
Filialen der Schwesterngemeinschaft sind in der Diözese Rottenburg-Stuttgart – vom Norden in Schöntal bis in den Süden nach Ravensburg, in Einrichtungen der St. Elisabeth-Stiftung oder in Gemeinden, wie z. B. im Citykloster Ulm.
Die Schwestern haben außerdem Niederlassungen in Indonesien und Brasilien, wo sie sich in der Mission engagieren.
St. Elisabeth-Stiftung
Die „Franziskanerinnen von Reute“ haben 1999 für die Fortführung ihres karitativen Auftrages eine gemeinnützige kirchliche Stiftung privaten Rechts gegründet.
Die St. Elisabeth-Stiftung ist heute Träger verschiedener sozialer Einrichtungen, Dienste und Betriebe. Die Aufgabenschwerpunkte liegen in der Altenhilfe, Behindertenhilfe und im Gesundheitswesen. Hier waren im Jahre 2012 rund 1600 Mitarbeiter für über 2700 hilfebedürftige Menschen tätig.
Daneben ist die St. Elisabeth-Stiftung an verschiedenen Gesellschaften mit sozialem Auftrag beteiligt.
Regional ist die Stiftung in der Stadt Ulm, dem Alb-Donau-Kreis, dem Landkreis Biberach, dem Landkreis Ravensburg und in Stuttgart aktiv.
Mission als Hilfe zur Selbsthilfe
Im Jahre 1964 gingen fünf Schwestern als Missionarinnen nach Indonesien, weitere folgten. Ihr Leitsatz ist „Gott in der leidenden Menschheit dienen“. Inzwischen sind bereits 60 einheimische Schwestern in zwölf Orten auf Sumatra, Nias, Telo und Java in diesem Auftrag tätig. Die wichtigsten Tätigkeiten der Schwestern sind Hilfe und Unterstützung, aber auch Neugründung von sozialen Einrichtungen wie z. B. Schulen, Kindergärten, Kinderheimen und Krankenhäusern. Außerdem sind sie in der Gemeindepastoral tätig. In Brasilien sind die Franziskanerinnen seit 1992 tätig.
Indonesien
Von größter Bedeutung in Indonesien sind die „Asramen“. Das sind Internate für Mädchen aus entlegenen Dörfern, in denen es keine Schulen gibt. Diese Mädchen können im Asrama wohnen, dort zu Schule gehen, lernen hauswirtschaftliche Kenntnisse und erhalten eine christlich fundierte Allgemeinbildung. Damit soll einerseits das Selbstbewusstsein der Mädchen gestärkt werden und andererseits den Mädchen Kenntnisse vermittelt werden, wie man Kinder mit den wenigen verfügbaren Mitteln vor Krankheiten und Mangelernährung schützen kann. Damit sollen die Auswirkungen der Armut abgeschwächt werden. Eine bessere Zukunft für die vielen jungen Leute, ist ein Grundsatz für die Schwestern.
Station Tetehösi (Insel Nias)
Das Kinderheim „Tetehösi“ beherbergt meistens etwa 20 Säuglinge, die dort bleiben, bis sie Reis essen können. Hintergrund für die Errichtung eines Säuglingsheims ist die frühzeitige Verheiratung der Mädchen bereits mit 12–13 Jahren. Aufgrund der ungenügenden physischen und seelischen Reife kommt es oft bei der Geburt des 1. Kindes zur hohen Müttersterblichkeit. Der Säugling wird auch nicht von den übrigen Dorfbewohnern aufgenommen, weil sie für ihre eigenen Kinder Essen aufbringen müssen. Auf der Insel gibt es kein Gras, somit keine Kühe und keine Milch.
Zur Station Tetehösi gehören auch eine Frauenbildungsstätte sowie eine Poliklinik und eine Entbindungsklinik. In der Frauenbildungsstätte versuchen die Schwestern, ähnlich wie im Asrama, die Stellung der Frau durch Aufklärungsarbeit zu verbessern und ihr Selbstbewusstsein zu stärken. In die Poliklinik kommen vorwiegend Frauen zur Beratung. Zur Behandlung jedoch kommen Menschen jeden Alters und Geschlechts. Angesichts einer fehlenden Sozialversicherung werden hier auch Patienten behandelt, wenn sie kein Geld haben: Verletzungen von z. B. Stürzen von Palmen dort, aber auch Patienten, die Malaria, Tropengeschwüre oder Durchfall haben. Wenn etwas Schwerwiegenderes anliegt, kann man in der Poliklinik auch eine Beratung erhalten, wie man das Krankenhaus finanzieren soll.
Die Station wurde durch die Erdbeben und Flutwellen der Tsunami-Katastrophe an Weihnachten 2004 komplett zerstört. Kinderheim und Frauenbildungsstätte sind daher zurzeit in dem Kinderdorf Hilliweto integriert, und die Poliklinik wird in notdürftig eingerichteten Zelten aufrechterhalten. Auch viele Häuser und landwirtschaftliche Schuppen und Felder der Bevölkerung wurden zerstört. Die Schwestern versuchen Gärten, Häuser und Nahrungsversorgung wiederherzustellen, um den Hunger zu stillen. Die Aufbauarbeiten auf Nias sind noch in vollem Gange.
Brasilien
Im Nordosten Brasiliens, in Arari und Alto Alegre, kämpfen die Schwestern gegen klimatische Herausforderungen wie Dürre, aber auch Hochwasser, an sowie gegen Probleme wie Unterernährung, Krankheiten und mangelnde Schulbildung. Auch hier wurden bereits einige Einheimische zu jungen Ordensschwestern geweiht.
Bildung: Das Projekt „Nova Esperanca“ (Neue Hoffnung) bietet Kindern und Jugendlichen als Mittags- oder Ganztagesbetreuung verschiedene Unterstützung: Hausaufgabenhilfe und sinnvolle Beschäftigung für Grundschulkinder, Lese- und Schreibunterricht für Kinder, die nicht schulisch registriert sind, regelmäßige tägliche Mahlzeit. Ziel dieser Betreuung ist es, Jugendliche vor dem Abrutschen in die Drogen- und Gewaltszene zu bewahren, die in Brasilien ein großes Problem darstellt. Ferner werden Beratungsgespräche mit jungen Mädchen geführt.
Trinkwasserversorgung: In Arari herrschte 2007 eine sehr lange Trockenzeit, so dass die Zivilbevölkerung Trinkwasser in der Missionsstation holen musste, wo eine Wasseraufbereitung eingerichtet wurde.
Kinderpastoral: Die Kinderpastoral ist das größte Hilfsprojekt, das hier stattfindet. Die Anregung kam ursprünglich von der Brasilianischen Bischofskonferenz. Organisatorisch ist die Kinderpastoral in die kirchlichen Strukturen eingegliedert und verschiedene Missionare helfen bei der Umsetzung des Projektes. In Arari gibt es dieses Projekt seit 13 Jahren, wobei neben Ordensschwestern aus Reute auch viele ehrenamtliche Mitarbeiter aus der ganzen Welt beschäftigt sind. Sie befassen sich mit der medizinischen Versorgung von unterernährten Kindern und deren Müttern. Aber vor allem befassen sie sich mit der Aufklärung über Hygiene und Krankheiten.
Dieses Jahr wurde auch die Eucharistiehelfergruppe, die es bereits seit einigen Jahren gibt, vergrößert. Diese Gruppe bringt regelmäßig alten und kranken Menschen die Kommunion.
Subsistenzwirtschaft durch Babacu
In der Kinderpastoral wird auch Babacu-Mehl hergestellt und zum Verkauf angeboten. Das Mehl wird aus der Zwischenschicht der Babacunuss hergestellt. Dieses wird aus der Nuss herausgebrochen, zermahlen und gesiebt. Das Mehl wird dann zu Schulspeisungen oder zur Vorbeugung gegen Mangelernährung genutzt.
Die Babacu-Nuss hat in Brasilien eine sehr große wirtschaftliche Bedeutung, denn sie wird auch zur Erstellung von teurem Öl und Kosmetika genutzt. Da aber das Aufbrechen und das Verarbeiten die Nutzung von Maschinen bzw. viele Arbeitskräfte erfordert, ist dieser Reichtum nur Großgrundbesitzern vorbehalten. Die Familien, die dennoch die Babacu-Nuss anbauen, müssen hart arbeiten und erhalten am Ende des Tages gerade mal einen Lohn, der für eine einzige Mahlzeit reicht. Die Schwestern unterstützen hier die Familien, indem sie ihnen die Babacu-Nüsse und Produkte daraus zu einem gerechten Preis abkaufen und in Deutschland verkaufen (Fair Trade).
Außerdem verkaufen die Franziskanerinnen schwarze Ringe, die aus der Frucht der Tucum-Palme hergestellt werden. Pro Nuss kann man durch Aufsägen, Säubern und Polieren der Nuss etwa 1–3 Ringe erhalten. Ein Ring nimmt eine Stunde Arbeit in Anspruch. Die Franziskanerinnen organisieren in Arari die Herstellung und den Verkauf der Ringe. Straßenkindern, Arbeitslosen und behinderten Menschen wird so ein kleiner Verdienst ermöglicht. Der Ring wird „Alianca“ genannt und wird in der ganzen Welt als Zeichen der Solidarität mit den Armen und mit dem Gott der Armen getragen.
Generaloberinnen
- 1850–1855: M. Margaretha Bloching (1816–1855)
- 1855–1858: M. Thaddäa Braig (1817–1868)
- 1858–1868: M. Coletta Deußer (1825–1877)
- 1868–1901: M. Rosa Bauer (1833–1904)
- 1901–1905: M. Bonaventura Schoßer (1833–1905)
- 1905–1914: M. Wilfrida Walzer (1861–1914)
- 1914–1926: M. Reinharda Stehle (1866–1940)
- 1926–1950: M. Karpa Saile (1885–1968)
- 1950–1958: M. Parmenia Bidell (1891–1958)
- 1959–1966: M. Magdalena Kiem (1897–1966)
- 1966–1984: M. Coletta Baumann (1926–1984)
- 1984–1990: M. Magdalena Vesenmayer (* 1946)
- 1990–2002: Walburga M. Scheibel (* 1949), von 2008 bis 2014 Generalsekretärin der Deutschen Ordensobernkonferenz
- 2002–2014: M. Paulin Link (* 1949)
- 2014–2016: M. Erika Eisenbarth (1955–2022)
- 2016– : Sr. Maria Hanna Löhlein (* 1966)
Literatur
- Franziskanerinnen. Kloster Reute-Bad Waldsee. (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bad Waldsee; Nr. 9) Eppe, Bergatreute 1994, ISBN 3-89089-024-5 – mit Aufsätzen von Sr. M. Ruth Banzhaf zur Guten Beth und zum ehemaligen Kloster Reute und zum neuen Kloster Reute 1870–1995, von Michael Barczyk zum Kloster als Waldburgischem Schlösschen, und von Sr. M. Paulin Link zur weltweiten Gemeinschaft