Fraktion (Bundestag)
Die Fraktionen des Deutschen Bundestages sind Zusammenschlüsse von mindestens 5 % der Bundestagsmitglieder (vgl. § 10 Abs. 1 GoBT). Sie stellen zentrale Handlungseinheiten des Bundestages dar[1] und sind das politische Gliederungsprinzip für dessen Arbeit.[2]
Rechtsgrundlagen
Fraktionen bilden sich aus Parlamentariern derselben Partei oder aus Parteien, die in den einzelnen Bundesländern nicht miteinander konkurrieren. Die gesetzlichen Regelungen über Fraktionen finden sich nicht im Grundgesetz, wo der Rechtsbegriff nur einmal in Art. 53a GG im Zusammenhang des Gemeinsamen Ausschusses genannt wird. Die Bedingungen ihrer Bildung, ihre Aufgaben und Rechte sind im Abgeordnetengesetz in den §§ 45 bis 54 AbgG geregelt. Weitere Regelungen finden sich gemäß § 45 Abs. 2 AbgG nachrangig in der Geschäftsordnung des Bundestages.
Eine Gruppierung von mindestens drei Abgeordneten, die weniger als 5 % der Sitze hält, wird als Gruppe anerkannt. Ihnen stehen weniger Rechte als den Fraktionen zu, sie haben jedoch Antrags-, Mitgliedschafts- und Rederechte in den Ausschüssen. Einzelpersonen oder Personen aus Gruppierungen, die nicht als Gruppe anerkannt sind, gelten als fraktionslose Abgeordnete.
Rechte
Fraktionen besitzen gemäß § 46 Abs. 1 und 2 AbgG im Deutschen Bundestag (Teil-)Rechtsfähigkeit. Sie sind nicht Teil der öffentlichen Verwaltung und üben auch keine öffentliche Gewalt aus (vgl. § 46 Abs. 3 AbgG).
Fraktionen genießen zahlreiche Rechte: Ihnen steht ein Sitzungszimmer in den Räumen des Deutschen Bundestags zu, sie stellen Mitglieder des Ältestenrates und erhalten zusätzliche Finanzmittel für die Fraktionsführung.
Als teilrechtsfähiger Verband können Fraktionen Parlamentsrechte des Bundestages im eigenen Namen geltend machen. Ihnen steht etwa das Recht zu, Große Anfragen zu stellen oder eine Aktuelle Stunde zu beantragen.
Die Mitglieder der Bundestagsausschüsse sowie der Untersuchungsausschüsse werden von den Fraktionen entsandt, auch die Redezeit der Abgeordneten des Bundestages wird maßgeblich über sie organisiert. Durch ihre Kompetenzen in Bezug auf die Karriere- und Profilierungsmöglichkeiten der Abgeordneten wird in Deutschland gelegentlich eine zu hohe Fraktionsdisziplin beklagt, die dem freien Mandat gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG entgegen stehe.
Finanzierung
Die Fraktionen des Deutschen Bundestags werden aus öffentlichen Mitteln finanziert. Rechtsgrundlage ist ein entsprechender Ansatz im Bundeshaushaltsplan. Die Mittel werden zum großen Teil für Löhne und Gehälter der Fraktionsmitarbeiter verwendet. Der Zuschuss setzt sich zusammen aus einem Grundbetrag, den jede Fraktion erhält, und einem Zuschlag entsprechend der Stärke der jeweiligen Fraktion. Im Jahr 2020 wurden insgesamt 119,4 Mio. € an die Fraktionen des Deutschen Bundestags gezahlt.[3] Die geprüften Rechnungen der Fraktionen werden alljährlich (im August) als Drucksache des Bundestags bekannt gemacht.[4]
Fraktionen aus unterschiedlichen Parteien
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist ein Beispiel für eine Fraktion, deren Mitglieder verschiedenen Parteien angehören. Die CSU kann nur in Bayern gewählt werden und die CDU nur in den restlichen Bundesländern. Die beiden Parteien konkurrieren also nicht miteinander und können somit im Bundestag eine gemeinsame Fraktion bilden.
Die Linksfraktion bestand bis zum Beitritt der WASG zu der Linken aus Mitgliedern der Linkspartei.PDS und der WASG und einigen Parteilosen. Die beiden Parteien traten jedoch zur Bundestagswahl bundesweit nirgends im Wettbewerb gegeneinander an, sondern jeweils als eine gemeinsame Wahlliste. Die WASG-Landesverbände Mecklenburg-Vorpommern und Berlin waren jedoch in ihren Bundesländern bei Landtags- bzw. Abgeordnetenhauswahlen gegen die jeweiligen PDS-Landesverbände angetreten. Es gab Bedenken, dass dieses Vorgehen der gemeinsamen Bundestagsfraktion die Grundlage der Existenz hätte entziehen können.
Im ersten Bundestag gab es ab Dezember 1951 mit der Föderalistischen Union eine weitere Fraktion mehrerer nicht konkurrierender Parteien: Bayernpartei, Zentrumspartei und SSW.
Fraktionen können auch Abgeordnete anderer Parteien oder parteilose Abgeordnete als Gäste aufnehmen.
Archive der Fraktionen
Die Unterlagen der Fraktionen des Deutschen Bundestages werden in den Archiven der Parteinahen Stiftungen aufbewahrt.
Aktuelle und ehemalige Fraktionen
Fraktionen und Gruppen im Deutschen Bundestag seit 1949
Schmale Balken kennzeichnen Gruppen.
Für die Bildung einer Fraktion waren bis zum Dezember 1951/Januar 1952 zehn Abgeordnete, danach 15 Abgeordnete notwendig. Mit Beginn der 6. Wahlperiode wurde am 27. März 1969 diese Hürde auf 5 % der Mitglieder des Bundestages erhöht. Dies waren 26 Abgeordnete, ab dem 3. Oktober 1990 34 Abgeordnete. Von 2002 bis 2009 waren 31 Abgeordnete notwendig und von 2009 bis 2017 32 Abgeordnete. Durch den Anstieg auf 709 Abgeordnete im 19. Deutschen Bundestag sind von 2017 bis 2021 36 Abgeordnete zur Fraktionsbildung erforderlich.
Aktuelle Fraktionen
- CDU/CSU-Fraktion seit September 1949
- Oktober 1990 bis Dezember 1990 CDU/CSU/DSU-Fraktion
- SPD-Fraktion seit September 1949
- FDP-Fraktion September 1949 bis Oktober 2013 und seit September 2017
- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen seit Oktober 1994
- Fraktion Die Grünen März 1983 bis Oktober 1990
- Fraktion Die Grünen/Bündnis 90 Oktober 1990 bis Dezember 1990
- Gruppe Bündnis 90/Die Grünen, Dezember 1990 bis Oktober 1994
- Fraktion Die Linke seit September 2005
- Gruppe der PDS Oktober 1990 bis September 1998
- PDS-Fraktion September 1998 bis September 2002
- AfD-Fraktion seit September 2017
Ehemalige Fraktionen
- DP-Fraktion September 1949 bis Juli 1960 (Fraktionsstatus verloren)
- Dezember 1951 bis Dezember 1952 DP/DPB-Fraktion
- März 1957 bis September 1957 DP/FVP-Fraktion
- DP-Gruppe, Juli 1960 bis Mai 1961 (aufgelöst nach Parteifusion mit GB/BHE zur GDP)
- FVP-Bundestagsfraktion Juni 1956 bis März 1957 (Fusion mit DP-Fraktion)
- März 1956 Arbeitsgemeinschaft Freier Demokraten
- März 1956 bis Juni 1956 Demokratische Arbeitsgemeinschaft
- KPD-Fraktion, September 1949 bis Dezember 1951 (Fraktionsstatus verloren)
- Gruppe der KPD Januar 1952 bis September 1953 (aus dem Bundestag ausgeschieden)
- Fraktion der Föderalistischen Union, Dezember 1951 bis September 1953 (aus dem Bundestag ausgeschieden)
- Fraktion des Zentrums, September 1949 bis Dezember 1951 (Fusion zur Fraktion der Föderalistischen Union)
- BP-Fraktion September 1949 bis Dezember 1951 (Fusion zur Fraktion der Föderalistischen Union)
- WAV-Fraktion, September 1949 bis Oktober 1950 (Fraktionsstatus verloren, teilweiser Übertritt zur BHE/DG-Gruppe)
- Gruppe der WAV, Oktober 1950 bis Dezember 1951 (teilweiser Übertritt zur DP/DPB-Fraktion) und April 1953 bis September 1953 (aus dem Bundestag ausgeschieden)
- GB/BHE-Fraktion September 1953 bis September 1957 (aus dem Bundestag ausgeschieden)
- Deutscher Gemeinschaftsblock der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE/DG), Oktober 1950 bis März 1952 (Übertritt zu DP/DPB-Fraktion)
Ehemalige Gruppen
- Gruppe Nationale Rechte, September 1949 bis Dezember 1950
- September 1949 DRP-Gruppe
- Gruppe Kraft/Oberländer, Juli 1955
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- Paul Kevenhörster: Fraktion, In: Uwe Andersen/Wichard Woyke (Hrsg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 7. aktualisierte Auflage Heidelberg: Springer 2013.
- BVerfGE 80, 188
- Geldleistungen an die Fraktionen. In: Datenhandbuch. Deutscher Bundestag, 2021, abgerufen am 26. September 2021.
- Eine aktuelle Drucksache erschließt: BT-Drs. 18/2380.