Florilegium
Florilegium (Plural florilegia, aus lateinisch flos ‚Blume‘ und legere ‚(zugrunde) legen, sammeln‘, für „Blütenlese“ oder „Sammlung von Blumen“) bezeichnet:
- im 16./17. Jahrhundert eine Art repräsentativer sowie dokumentierender Katalog des botanischen Inventars eines (fürstlichen) Gartens;[1]
- eine Zusammenstellung von Textstellen (Zitate, Redewendungen, Bibelstellen), welche als „Blume“ bzw. „Blüte“ verstanden werden;
- eine Auswahl von Texten, somit eine Anthologie oder „Blütenlese“;
- in der Musik auch eine Zusammenstellung von Motetten.
Sammlung von Textstellen
Diese literarische Form war im Mittelalter und der frühen Neuzeit gebräuchlich. Sie umfasste Auszüge aus Schriften antiker und mittelalterlicher Autoren, meist Versdichtern (aber auch Prosaisten) oder Zusammenstellungen von Sprüchen, auch Bibelzitaten, und hatte oft enzyklopädischen Charakter.
Verwendet wurden sie im Unterricht und in der Schriftstellerei. In der Regel wurden aus einer Anzahl von Dichtern der Reihe nach die dem Exzerptor zusagenden Verse herausgeschrieben. Oft wurden die vielfach textlich veränderten Exzerpte alphabetisch oder systematisch geordnet. Die Florilegien gaben Auskunft über Vorhandensein und Beliebtheit der Autoren. Andererseits wurde durch die Anwendung der Florilegien bei wenig belesenen Schriftstellern größere Literaturkenntnis vorgetäuscht.
Häufige Abschriften mit Verkürzungen, Veränderungen und Zusätzen erschweren allerdings die philologische Forschung.
Botanische Kataloge
Botanische Florilegia behandeln Blumen und sind im Ursprung mittelalterliche Bücher. Sie dienen eher der kunstvollen ornamentalen Darstellung als der medizinischen Verwendung oder anderweitig nützlichem Gebrauch bestimmter Pflanzen oder Kräuter.[2]
Als erste naturgetreue Pflanzendarstellungen und somit Vorläufer (wissenschaftlicher) botanischer Illustrationen gelten die Pflanzenreliefs an den Wänden des Großen Tempels von Thutmosis III. in Karnak.[3] Etwa 400 v. Chr. entstand eine botanische Illustration auf Papyrus (Fragment des „Johnson Papyrus“).[4] Die Entstehung der botanischen Illustration als eigenes Kunstgenre entspringt dem 15. Jahrhundert, wo Bücher über Kräuter mit Illustrationen von Blumen gedruckt wurden, welche die kulinarischen und in Kräuterbüchern (die ersten illustrierten Kodizes) die medizinischen Verwendungen von Pflanzen beschreiben. Sie ist eng mit der Entstehung des Buchdrucks überhaupt verbunden. Als sich die Drucktechniken entwickelten und im 16. Jahrhundert neue Pflanzen u. A. aus der osmanischen Türkei nach Europa kamen, beauftragten wohlhabende Personen und botanische Gärten Kunstschaffende, die Schönheit dieser Exoten in Florilegia festzuhalten.
Ihre Blütezeit hatten die kunstvollen Druckwerke im 17. Jahrhundert, als sie seltene und exotische Pflanzen zeigten. Moderne Florilegien versuchen, Pflanzen von bestimmten Gärten oder Orten zu dokumentieren und zu präsentieren, die heute als gefährdet gelten.
Florilegia zählen aufgrund des zu ihrer Herstellung erforderlichen Aufwands zu den aufwändigsten und teuersten Büchern.
- Seite 10 des Sweerts-Florilegiums
- Seite aus dem 2. Band des Badminton-Florilegiums (Mary Somerset, um 1705)
- Bank’s Florilegium: Banksia integrifolia (Aquarell)
- Titelseite eines Florilegiums von J. Theodor de Bry
Siehe auch
- Anthologie
- Buntschriftstellerei
- Chrestomathie
- Katene
- en.wikipedia.org: List of florilegia and botanical codices ("Liste von Florilegien und botanischen Verzeichnissen")
- Maria Sibylla Merian
Literatur
- Benjamin Bühler, Stefan Rieger: Das Wuchern der Pflanzen: Ein Florilegium des Wissens. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 2009
- Gilbert Heß: Formen der Validierung in frühneuzeitlichen Florilegien. In: Eule oder Nachtigall? Tendenzen und Perspektiven kulturwissenschaftlicher Werteforschung, hrsg. von Marie Luisa Allemeyer u. a., Wallstein, Göttingen 2007, S. 73–103
- Florilegien. Genese, Wirkungsweisen und Transformationen frühneuzeitlicher Kompilationsliteratur. In: Wissensspeicher der Frühen Neuzeit: Formen und Funktionen, hrsg. von Frank Grunert und Anette Syndikus, Walter de Gruyter, Berlin 2015, S. 97–138
- Konstanz und Beweglichkeit in frühneuzeitlichen Florilegien und Enzyklopädien[5]
- Hanne Kolind Poulsen: Das Grüne Florilegium[6]
- Philipp Otto Roelli: Asketische Schriften des Mönchs Markos (s. XIII)[7]
- Loris Sturlese: Philosophische Florilegien im mittelalterlichen Deutschland. In: Ders., Homo divinus: philosophische Projekte in Deutschland zwischen Meister Eckhart und Heinrich Seuse, Kohlhammer, Stuttgart 2007, 155–168, ISBN 978-3-17019790-9
Weblinks
Einzelnachweise
- Mein Schloss, meine Kutsche – meine Blumen. In: Städel Blog. 14. Dezember 2017 (staedelmuseum.de [abgerufen am 17. Juni 2018]).
- Benjamin D. Jackson, 1900: A Glossary of Botanical Terms. London: Duckworth & Co., S. 102
- Wilfried Blunt: The art of botanical illustration. London 1950; 2. Auflage ebenda 1951, S. 5–8.
- Christina Becela-Deller: Ruta graveolens L. Eine Heilpflanze in kunst- und kulturhistorischer Bedeutung. (Mathematisch-naturwissenschaftliche Dissertation Würzburg 1994) Königshausen & Neumann, Würzburg 1998 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen. Band 65). ISBN 3-8260-1667-X, S. 142 f.
- fb-frueheneuzeit.uni-muenchen.de (PDF; 67 kB, 23. Juni 2018)
- Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 16. Oktober 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF; 2,6 MB, Prestel, München u. a., 23. Juni 2018)
- zora.uzh.ch/ (PDF, 5,6 MB, Einleitung, Erstedition und Übersetzung eines Florilegiums und dreier Sermones. Universität Zürich, Kunst-Fakultät, 2009, MB, 23. Juni 2018)