Finite-Differenzen-Methode
Finite-Differenzen-Methoden (kurz: FDM), auch Methoden der endlichen (finiten) Differenzen sind eine Klasse numerischer Verfahren zur Lösung gewöhnlicher und partieller Differentialgleichungen.
Die grundlegende Idee des Verfahrens ist es, die Ortsableitungen in der Differenzialgleichung an endlich vielen (= „finiten“), äquidistanten Gitterpunkten durch Differenzenquotienten zu approximieren. Die approximierten Lösungen der Differenzialgleichung an den Gitterpunkten lassen sich dann durch das entsprechende Gleichungssystem berechnen.
Verfahren dieser Art finden verbreitete Anwendung unter anderem bei fluiddynamischen Simulationen, zum Beispiel in der Meteorologie und der Astrophysik. In den Jahren von 1950 bis 1980 dominierte die FDM in den numerischen Programmen der Reaktorphysik zur Berechnung des Neutronenflusses. Eine gewisse Verbreitung findet das Differenzenverfahren in der Baustatik. Schon 1904 analysierte Friedrich Bleich den Durchlaufträger; 1909 untersuchte Lewis Fry Richardson elastische Scheiben und 1919 Henri Marcus elastische Platten mit dem Differenzenverfahren.
Eine spezielle Finite-Differenzen-Methode zur numerischen Lösung der Wärmeleitungsgleichung ist das Crank-Nicolson-Verfahren.
Zu den Pionieren des Finite-Differenzen-Verfahrens für partielle Differentialgleichungen zählen Lewis Fry Richardson, Richard Southwell, Richard Courant, Kurt Friedrichs, Hans Lewy, Peter Lax und John von Neumann.
Beispiel zur numerischen Lösung einer gewöhnlichen DGL
Gegeben sei das Randwertproblem
- für ,
- .
Die Lösungsfunktion lässt sich hier exakt berechnen zu .
Zur Lösung mit der Differenzenmethode wird das Intervall diskretisiert durch die Gitterpunkte für mit der Maschenweite . Die Diskretisierung der zweiten Ableitung erfolgt mit den zentralen Differenzenquotienten der zweiten Ableitung
Dies ergibt an den inneren Gitterpunkten die Differenzengleichungen
- für
für die numerischen Näherungswerte der Lösungswerte . Unter Verwendung der gegebenen Randwerte und ist dies ein lineares Gleichungssystem mit Gleichungen für die Unbekannten .
In Matrixform lautet das zu lösende System hier:
Da in jeder Zeile maximal nur drei Unbekannte vorkommen, handelt es sich um ein System mit dünnbesetzter Koeffizientenmatrix, genauer um ein System mit Tridiagonal-Toeplitz-Matrix.
Beispiel zur numerischen Lösung einer partiellen DGL
Im Folgenden wird die numerische Lösung der Wärmeleitungsgleichung auf einem beschränkten Gebiet betrachtet:
Numerische Lösung im 1D
Im 1D-Fall ist ein beschränktes Intervall. Da in diesem Fall nur eine Ortsableitung betrachtet wird, kann die Wärmeleitungsgleichung folgendermaßen geschrieben werden:
Diskretisierung
Um die Finite-Differenzen-Methode anwenden zu können, muss das Intervall zunächst in endlich viele Teilintervalle unterteilt werden. Hierfür werden äquidistante Stützstellen verwendet:
- , für .
Die Gitterweite dieser Diskretisierung ist also . Nach Voraussetzung verschwindet die gesuchte Funktion an den Randwerten, d. h. , sodass diese Werte nicht weiter betrachtet werden müssen. Damit lassen sich die Funktionsauswertungen von an Stützstellen als Vektor im darstellen:
Approximation der Ableitung
Die zweite Ableitung von bzgl. des Orts kann nun an den Stützstellen durch Differenzenquotienten zweiter Ordnung approximiert werden:
Wird die Wärmeleitungsgleichung nach umgestellt, ergibt sich damit folgendes System gewöhnlicher Differenzialgleichungen erster Ordnung:
wobei und .
Dieses System kann nun durch beliebige Verfahren zur Lösung von gewöhnlichen Differenzialgleichungen, wie z. B. das Runge-Kutta-Verfahren oder das Euler-Verfahren, gelöst werden.
Güte der Approximation
Eine Finite-Differenzen-Methode erzeugt ein lineares Gleichungssystem (analog Gleichung im Kapitel Beispiel)
wobei die numerische Approximation der Lösung ist und die Abhängigkeit vom Gitter explizit darstellen soll. Sei die exakte Lösung und die endliche Darstellung mittels .
Eine FDM heißt konsistent von Ordnung , falls es ein gibt mit
Eine FDM heißt stabil, falls es ein gibt, sodass für alle gilt
Man kann zeigen, dass aus Konsistenz und Stabilität schon Konvergenz folgt, also
Lösen von Randwertproblemen
Ein Beispiel für ein solches Randwertproblem ist folgende partielle Differentialgleichung zweiter Ordnung:
Die unbekannte Funktion soll an vorgegebenen Punkten des zweidimensionalen Bereichs bestimmte feste Werte (Randbedingungen) annehmen. Die Funktionen , , , , und sind Koeffizienten und sollten daher beschränkt und im gegebenen Integrationsbereich stetig sein. Bei vielen Gleichungen, die spezielle technische Probleme beschreiben, nehmen diese Funktionen konstante Werte an. Diese Gleichungen vom werden oft nach dem Wert der Diskriminante in eine der folgenden Gruppen eingeteilt: hyperbolisch für , parabolisch für und elliptisch für .
Beispiele für partielle Differentialgleichungen, die für physikalische Probleme formuliert werden, sind:
Literatur
- Christian Großmann, Hans-Görg Roos: Numerische Behandlung partieller Differentialgleichungen. 3. Auflage. B. G. Teubner Verlag, Wiesbaden 2005, ISBN 3-519-22089-X.
- Stig Larsson, Vidar Thomée: Partielle Differentialgleichungen und numerische Methoden. Springer-Verlag, Berlin 2005, ISBN 3-540-20823-2.
- Claus-Dieter Munz, Thomas Westermann: Numerische Behandlung gewöhnlicher und partieller Differenzialgleichungen. 3. Auflage. Springer-Verlag, ISBN 978-3-642-24334-9