Ferdinand Tellgmann
Johann Otto Carl Ferdinand Tellgmann (* 24. September 1811 in Bischhausen bei Eschwege;[1] † 8. April 1897 in Mühlhausen/Thüringen) war ein deutscher Porträtmaler der Biedermeierzeit und Fotograf.[2]
Er wendete sich frühzeitig der Daguerreotypie zu gilt als Begründer der Fotografen-Dynastie Tellgmann[1] und steht mit seiner Biographie beispielhaft für den Übergang von der Porträtmalerei zur Porträtfotografie in der Mitte des 19. Jahrhunderts.[2]
Familie
Der Maler und spätere Fotograf Tellgmann begründete mit seiner Familie „eine Fotografendynastie aus Söhnen, Enkeln, Schwägern und Neffen“[3] mit insgesamt zehn Fotografen[1], insbesondere in Nordthüringen und Nordhessen:[4] Geboren 1811 als Sohn des Pächters August Tellgmann,[1] heiratete Ferdinand Tellgmann
- am 9. Juli 1843 Cäcilie, geborene Bregazzi (1825–1903), Schwester der Fotografen Eduard und Christian Bregazzi.[4]
- Der erste Sohn August (1843–1912) war bereits vor der Eheschließung geboren und führte später ein Textilgeschäft in Mühlhausen.[1]
Die weiteren Söhne
- Franz Tellgmann (* 23. Januar 1853; † 1933) und
- Oscar Tellgmann (* 20. September 1857; † 1936)
führten später das Geschäft des Vaters weiter, eröffneten eigene Geschäfte und stiegen zu Hoffotografen auf sowie zu Manöver- und Kriegsfotografen.[1] Die beiden Brüder waren bis zum Ersten Weltkrieg zwei von nur insgesamt vier „offiziellen ‚Militärfotografen‘“.[5] Allerdings beteiligte sich kein Fotograf aus der Familie Tellgmann nach dem Bekanntwerden der Kriegspläne Adolf Hitlers an weiteren Manövern.[1]
Werdegang
Tellgmann infizierte sich im Alter von zwei Jahren mit Scharlach, wodurch seine Trommelfelle platzten. In der Folge erlernte er nicht nur nicht die gesprochene Sprache, sondern blieb für den Rest seines Lebens taubstumm. Fünf Jahre später gaben seine Eltern den Knaben in die Obhut des damaligen Pfarrers von Altenburschla, der sich dann persönlich um die schulische Ausbildung Tellgmanns kümmerte. Dabei wurde schon früh ein künstlerisches Talent des Schülers sichtbar. So konnte Tellgmann im Jahr 1827 eine Ausbildung an der damaligen Kurfürstlichen Akademie in Kassel beginnen, wo er sich auf die Porträtmalerei spezialisierte.[1]
Von den Werken aus der Studienzeit Tellgmanns ragt das biedermeierliche Gemälde Im Atelier von 1834 heraus, eine „Momentaufnahme, die in anschaulicher Weise die Ausbildung und Arbeitssituation von Kunststudenten in der damaligen Zeit schildert.“[6]
„In Tellgmanns biedermeierlichen Bildnissen wird seine große Naturnähe und die an den alten Holländern geschulte Koloristik deutlich.“[7]
Nach erfolgreichem Abschluss seines Studiums[1] wurde er ab 1838 als Porträtmaler zunächst in seiner Heimatregion in Eschwege/Wanfried,[8] wo seine Eltern nun wohnten und wo Tellgmanns Vater schon 1829 zusätzlich die Stelle des Posthalters von Thurn- und Taxis überantwortet bekommen hatte,[1] sowie in Mühlhausen tätig.[8] Nachdem Tellgmann von einem Mühlhäuser Bankier den Auftrag für ein Porträtbild von dessen in Eschwege lebender Braut erhalten hatte, überzeugte das Ergebnis so, dass der Maler nach Mühlhausen eingeladen wurde. Dort gründete Tellgmann schließlich, begünstigt von der anfangs konkurrenzlosen Situation als Porträtist und Kunstmaler, mit Datum vom 3. Juli 1841 seine Firma F. Tellgmann.[1]
Nachdem Tellgmann im Weißen Haus 1842 bei einem Tanzvergnügen Cäcilie kennengelernt hatte, heirateten sie am 9. Juli 1843, nachdem ihr erster Sohn August bereits das Licht der Welt erblickt hatte. Ebenfalls 1843, wenige Jahre nach der Erfindung des „Lichtbildes“, der Daguerreotypie, schloss sich Tellgmann 1843 dem in Kassel tätigen Fotopionier Moses J. Landauer an, bei dem er die Geheimnisse der seinerzeit noch erstaunlichen „Photo“graphie erlernte. Die neue und in den Folgejahren immer weiter verfeinerte Technik des Fotografie brachte der jungen Familie einen gewissen Wohlstand.[1]
Acht Jahre nach den Anfängen mit seiner Daguerreotypien, die alle Unikate waren, und nach den bald folgenden, vervielfältigbaren Photographien, malte Ferdinand Tellgmann noch einmal, farbig und in Öl: das auf das Jahr 1851 datierte und signierte, heute im Bestand der Kunstsammlung der Universität Göttingen befindliche Gemälde Porträt einer Frau zeigt vermutlich Tellgmanns Ehefrau Cäcilie. Das Bildnis gilt als Beispiel für den „Umschwung von Porträtmalerei zu Porträtfotografie um die Mitte des 19. Jahrhunderts.“[8]
Nachdem Ferdinand Tellgmann in der eigenen Familie und mittels Heiratspolitik eine regelrechte Fotografendynastie begründet hatte, zog er sich 1877 als Senior aus dem aktiven Geschäftsleben zurück. Die Führung seiner Mühlhäuser Firma übertrug er seinem ältesten Sohn Franz, der zuvor ebenfalls zum Fotografen ausgebildet worden war.[1] Franz eröffnete eine Filiale in Eschwege, die bald von seinem Bruder Oskar geführt wurde. Dieser eröffnete weitere Filialen in Bad Sooden, Wanfried an der Werra und Hersfeld, die jedoch bis zum Tode des Vaters 1897 noch dessen Namen trugen.[5] 1891 konnte der Senior noch an den Feierlichkeiten zum 50-jährigen Gründungsjubiläum der Firma F. Tellgmann teilnehmen, bevor er sechs Jahre später starb.[1]
Auch posthum wirkte die Familienpolitik des Firmengründers weiter: zwischenzeitlich hatte sein Schwager Christian Bregazzi[4] um 1900 den Verlag Christian Bregazzi in Langensalza gegründet. Diesen Verlag mit Motivpostkarten übernahm dann Tellgmanns Sohn Franz. So ist beispielsweise eine postalisch am 2. Januar 1910 gelaufene Postkarte mit dem Impressum „Verlag Frz. Tellgmann, Hofphotogr. (vorm. Ch. Bregazzi)“ dokumentiert.[9]
Bekannte Werke
Vier der dargestellten Ölgemälde finden sich heute in der Sammlung der Kasseler Gemäldegalerie,[10] das Porträt einer Frau befindet sich in der Kunstsammlung der Universität Göttingen.[8] Unter den erhaltenen Fotografien sticht die um 1877 entstandene Architektur- und Landschaftsaufnahme vom Bau des Lengenfelder Viadukts als Teil der Bahnstrecke Leinefelde–Treysa hervor.[1]
- 1834: Kupferstecher
- 1837: Porzellanmaler
- 1851: Ölgemälde, vermutlich Cäcilie, geborene Bregazzi
Das erhaltene Fotoatelier und ein verschollenes Archiv
„[…] das komplette Fotoatelier von Ferdinand Tellgmann (eines der ältesten in Deutschland)“ findet sich heute im Stadtmuseum Eschwege.[11] Hingegen ist über den „Verbleib des gewaltigen Negativarchivs“ des traditionsreichen Familienbetriebes nichts bekannt – es gilt als verschollen.[1]
Literatur
- Tellgmann, Ferdinand. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Band 32: Stephens–Theodotos. E. A. Seemann, Leipzig 1938, S. 512.
- Thomas Wiegand: Atelier Tellgmann - Fotografen in Eschwege 1881–1954. In: Eschweger Geschichtsblätter. Band 1, 1990, S. 4–12.
- Thomas Wiegand: Ferdinand Tellgmann. Gewerbsmäßiges Portraitieren in Malerei und Fotografie um 1850. Jenior und Pressler, Kassel 1994, ISBN 3-928172-36-0 (zugleich Dissertation, Gesamthochschule Kassel 1993).
- Andreas Felmeden: Die Verleihung von Hofprädikaten am Beispiel des „Hofphotographen Sr. Majestät des Kaisers und Königs“ Oscar Tellgmann. In: Orden und Ehrenzeichen. Nr. 39, Oktober 2005, S. 10–16, Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Ordenskunde e.V. (DGO e.V.).
- Andreas Felmeden: Vom Hofphotographen zum Bildberichterstatter. Die Fotografenfamilie Tellgmann im gesellschaftlichen Wandel. In: Orden und Ehrenzeichen. Nr. 40, Dezember 2005, S. 5–9, Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Ordenskunde e.V. (DGO e.V.).
Weblinks
- Ferdinand Tellgmann im FotografenWiki
Einzelnachweise
- Oliver Krebs: Ferdinand Tellgmann … Anbeginn einer Fotografendynastie auf der Seite eichsfeld-archiv.de, abgerufen am 23. Januar 2015.
- Tellgmann, Ferdinand, Bild und Text unter dem Obertitel Bestandskatalog der Gemälde des 19. Jahrhunderts / Museumslandschaft Hessen Kassel auf der Seite museum-kassel.de, abgerufen am 24. Januar 2015.
- Thomas T. Müller (Verantw.): 2009 / Zeitsprünge – Mühlhausen-Bilder im doppelten Fokus / 18. Juni 2009–6. September 2009 / Museum am Lindenbühl, Kommentar zur gleichnamigen Ausstellung auf der Seite muehlhaeuser-museen.de vom Zweckverband Mühlhäuser Museen, abgerufen am 24. Januar 2015
- Reiner Schmalzl: Kostbare Raritäten aus Langensalza aufgetaucht / Bad Langensalza. Im Internet und auf Flohmärkten überraschen immer wieder seltene Zeitzeugnisse aus Langensalza. Manche Dinge gibt es allerdings nicht zum Schnäppchenpreis auf der Seite thueringer-allgemeine.de vom 7. Juni 2014; online zuletzt abgerufen am 23. Januar 2015
- Andrea Fußstetter, Jörg Frieß, Mirko Wiermann (Red.): Oscar Tellgmann (1857–1936) & Gustav Tellgmann (1888–1973) auf der Seite dhm.de der Stiftung Deutsches Historisches Museum, abgerufen am 24. Januar 2015
- Marianne Heinz: Ferdinand Tellgmann, Das Atelier (1834) auf der Seite altertuemliches.at vom 10. November 2010 anlässlich eines Vortrages der Leiterin der Kasseler Neuen Galerie, abgerufen am 24. Januar 2015
- Vergleiche die Bilduntertitelung zum Porträt eines Porzellanmalers auf der Seite museum-kassel.de abgerufen am 24. Januar 2015
- Christian Scholl, Anne-Katrin Sors (Hrsg.): Akademische Strenge und künstlerische Freiheit. Die Gemälde des 19. Jahrhunderts in der Kunstsammlung der Universität Göttingen. Bestandskatalog, Göttingen: Universitäts-Verlag Göttingen, 2013, ISBN 978-3-86395-102-3; (Leseprobe, books.google.de).
- Manfred Lippert: Das Druckerei- und Verlagswesen in (Bad) Langensalza 1680–2010. Ein historischer Überblick, 1. Auflage, Bad Langensalza: Rockstuhl, 2010, ISBN 978-3-86777-112-2; Auszug u. a. des Vorworts, Inhaltsverzeichnis, Vorschau zum Schlagwort Bregazzi
- Bestandskatalog der Gemälde des 19. Jahrhunderts / Museumslandschaft Hessen Kassel (Neueingabe Tellgmann im Suchfeld notwendig), abgerufen am 24. Januar 2015
- Stadtmuseum Eschwege / Im Eschweger Stadtmuseum sehen Sie ... auf der Seite eschwege.de, abgerufen am 24. Januar 2015