Faktorausstattung
Faktorausstattung (engl. factor endowment) bezeichnet in der Volkswirtschaftslehre die gesamte Ausstattung eines Landes mit den drei Produktionsfaktoren: Arbeit, Boden und Kapital. Produktionsfaktoren werden auch Inputs genannt. Die Faktorausstattung einer Volkswirtschaft beeinflusst Vorteilhaftigkeit und Richtung des Außenhandels. Der Begriff Faktor entspringt dem lateinischen Wort facere (tun, machen).
Begriffserläuterung
Die Dreiteilung der Produktionsfaktoren in Arbeit, Boden und Kapital geht auf die Physiokratie des 18. Jahrhunderts zurück. Sie etablierte sich in der klassischen Volkswirtschaftslehre. In neueren Ansätzen werden häufig auch Wissen (Humankapital) oder die Führung eines Unternehmens als Produktionsfaktor angesehen.[1]
Arbeit
Unter Arbeit (Volkswirtschaftslehre) wird jede menschliche Tätigkeit verstanden, die der Bedürfnisbefriedigung dient und darauf abzielt, Einkommen zu erwirtschaften. Der Preis der Arbeit ist dabei der Lohnansatz. Hierzu zählen folglich sowohl die Leistungen der unselbständig beschäftigten Arbeitnehmer, als auch die Leistungen der Unternehmenseigentümer.[2]
Dabei ist zu beachten, dass es bei dem Produktionsfaktor Arbeit erhebliche Qualifikationsunterschiede gibt, die für die Güterproduktion von erheblicher Bedeutung sind. So ist beispielsweise nachgewiesen worden, dass die USA und andere Industrieländer über einen relativ hohen Bestand an hochqualifizierten Arbeitskräften verfügen. Diese Länder zeichnen sich demzufolge durch einen hohen Bestand an Humankapital aus, während Entwicklungsländer reichlich mit ungelernten, unqualifizierten Arbeitskräften ausgestattet sind.[3]
Boden
Der Produktionsfaktor Boden umfasste ursprünglich nur die land- und forstwirtschaftliche Nutzfläche, wie beispielsweise Äcker und Wälder. Derzeit bezeichnet der Produktionsfaktor Boden zusätzlich den Boden als Standort für Unternehmungen und den Fundort für Rohstoffe (Kohle, Eisenerz etc.). In einigen Ansätzen wird heutzutage der Produktionsfaktor Boden durch den Produktionsfaktor Umwelt (natürliche Ressourcen) ersetzt, der dann die Faktoren Boden, Gewässer, Luft und belebte Natur zusammenfasst.[4]
Kapital
Der Produktionsfaktor Kapital untergliedert sich in Sach- bzw. Realkapital und in Geldkapital. Zum Realkapital zählen alle vorher produzierten Produktionsmittel, die an der weiteren Güter- und Dienstleistungsproduktion beteiligt sind. Die Produktionsmittel lassen sich sowohl in dauerhafte Produktionsmittel als auch nicht dauerhafte Produktionsmittel unterscheiden. Zu den dauerhaften Produktionsmitteln gehören z. B. Maschinen, sonstige Ausrüstungen, Gebäude und Lagerbestände. Die nicht dauerhaften Produktionsmittel werden von anderen Unternehmungen bezogen und fließen als Vorleistungen in den Produktionsprozess ein (z. B. Rohstoffe, Energie).[5] Da das Sachkapital folglich den „Bestand an Produktionsausrüstung“ bezeichnet, ist es mit dem Kapitalstock vergleichbar.[6] Das Geldkapital ist vom Sachkapital zu trennen und kritisch zu beurteilen. Es umfasst ungebundene Geldmittel, wie Banknoten und Kasse. Demnach ist es nicht möglich, mit Geldkapital Produktionsmittel herzustellen bzw. zu produzieren. Jedoch kann es als Tauschmittel verwendet werden, wobei mittels Investitionen Geldkapital in Sachkapital umgewandelt werden.[7] Dementsprechend dient es zur Erneuerung und Erweiterung des Kapitalstocks. Dies wirkt sich positiv auf die anderen Produktionsfaktoren (Arbeit und Boden) aus, da durch neue und innovative Maschinen die Arbeit schneller verrichtet werden kann.[8]
Ausprägungen der Faktorausstattung
Absolute Faktorausstattung
Die absolute Faktorausstattung drückt sich in absoluten Zahlen aus, also, wie viele Einheiten eines Produktionsfaktors tatsächlich in einer Volkswirtschaft vorhanden sind. Beispiele dafür wären die absolute Anzahl an Arbeitskräften oder Maschinen. Somit ist die Faktorausstattung auch messbar in Form von absoluten Zahlen. Es können die verschiedenen Produktionsfaktoren der Volkswirtschaften verglichen werden. Untersucht man die Erwerbstätigen zweier Länder, wie beispielsweise Deutschland und Österreich, kann dies nach den absoluten Zahlen erfolgen – Deutschland verzeichnet im Mai 2013 41,8 Millionen Erwerbstätige[9] liegt diese in Österreich im selben Jahr bei 3,48 Millionen.[10] Demnach wäre Deutschland theoretisch die arbeitsreiche Volkswirtschaft. Oft ist es jedoch sinnvoll, den einen Produktionsfaktor in ein Verhältnis mit einem anderen zu setzen, um die Volkswirtschaften zu vergleichen. Mit dieser Thematik befasst sich jedoch der nächste Gliederungspunkt. Grundsätzlich gilt, dass, je mehr Produktionsfaktoren eine Volkswirtschaft – absolut gesehen – vorweisen kann, diese umso mehr Waren herstellen und Dienstleistungen erbringen kann.
Relative Faktorausstattung
Die relative Faktorausstattung setzt, im Gegensatz zur absoluten Faktorausstattung, die Anzahl von vorhandenen Produktionseinheiten eines Produktionsfaktors in das Verhältnis zur Anzahl der Einheiten eines anderen Produktionsfaktors. Man bildet somit einen Quotienten aus den Produktionsfaktoren. Diese Ausprägung macht die Faktorausstattung durch die Verhältnissetzung besser messbar und vergleichbar. Um an das oben genannte Beispiel anzuknüpfen könnte man die Anzahl der Erwerbstätigen in das Verhältnis mit der Fläche eines Landes, beziehungsweise des Bodens, setzten und dies mit einer weiteren Volkswirtschaft vergleichen. Deutschland mit einer Zahl an Erwerbstätigen von 41,8 Millionen (Stand Mai 2013)[11] und einer Gesamtfläche von 357.340 km²[12] hat somit ein Arbeits-Boden-Verhältnis von 116,975 Erwerbstätigen/km². Für Österreich hingegen mit 3,48 Millionen Erwerbstätigen (Stand 2013)[13] und einer Gesamtfläche von 83.858 km²[14] lässt sich ein Arbeits-Boden-Verhältnis von 41,498 Erwerbstätige/km² ermitteln. Demnach wäre Deutschland gegenüber Österreich, beschränkt auf dieses Verhältnis, das arbeitsreichere Land.
Faktorausstattung und Außenhandel
Historische Einordnung
Der englische Ökonom David Ricardo (1772–1823) entwickelte zu Beginn des 19. Jahrhunderts das Prinzip der komparativen Kostenvorteile, welches einen Kernpunkt der Außenhandelstheorie darstellt. Sein Schaffen diesbezüglich erreichte im Jahre 1817 mit der Veröffentlichung seines Werkes On the Principles of Political Economy and Taxation seinen Höhepunkt.[15]
Erklärung
Die ökonomische Theorie versucht bei der Herausarbeitung der Außenhandelsströme die komplexe Realität durch eine einfache Wirkungsanalyse darzustellen. Hierbei sollen Komponenten betrachtet werden, von denen angenommen wird, dass sie die Hauptursachen des Untersuchungsgegenstandes ausmachen. Von besonderem Interesse sind die Hintergründe der Güterauswahl im Import und Export einer Volkswirtschaft, also die Frage nach den Ursachen von Handelsströmen.[16] In seinen theoretischen Ansätzen führt Ricardo den Produktionsaufwand allein auf die Arbeitsleistung zurück. Wird zudem angenommen, dass die Arbeitseinheiten überall qualitativ gleichwertig sind, reduzieren sich die Erklärungsversuche auf die unterschiedlichen Produktionsbedingungen. Diese Produktionsbedingungen äußern sich durch verschiedenartige Produktionsfunktionen, mit Hilfe derer die jeweils international gleichartigen Güter hergestellt werden. Inwiefern Transportkosten den Außenhandel beeinflussen, wird im Modell außer Acht gelassen. Zur Vereinfachung wird außerdem von der Gleichheit der Kosten und Preise – also vollkommener Konkurrenz – ausgegangen.[17]
Unterstellt man neben Ricardos Annahmen, dass die Faktorausstattung bei (vereinfacht) zwei Ländern gleich umfangreich gegeben ist, lassen sich zusätzliche Aussagen treffen. Neben der Aussage über das Produktionspotenzial ermöglicht die Annahme fixer Ausstattung mit Produktionsfaktoren, allein die Wirkung unterschiedlicher Produktionsfunktionen zu betrachten. Anderenfalls könnte theoretisch nicht mehr gesagt werden, in welchem Maße der Außenhandel auf verschiedene Produktionsfunktionen oder unterschiedliche Faktorausstattung zurückzuführen ist. Somit kann jedes Land den Faktor Arbeit produktionstechnisch beliebig auf die Güter aufteilen. Die grafische Darstellung solcher produktionstechnischer Kombinationen bei der Güterherstellung erfolgt mittels einer sogenannten Transformationskurve bzw. Produktionsmöglichkeitenkurve.[18]
Laut Ricardo verfügt ein Land bei der Herstellung eines Gutes dann über einen komparativen Vorteil, wenn die Opportunitätskosten für dessen Produktion in diesem Land niedriger sind als in anderen Ländern.
Die Theorie besagt, dass auch mit einem Kostennachteil bei allen Produkten gegenüber anderen Ländern, erfolgreich am internationalen Handel teilgenommen werden kann. Ebenso ist es für Länder, welche Produkte billiger herstellen können als andere Länder, lohnend den Handel mit den weniger wettbewerbsfähigen Ländern einzugehen und sich selbst zu spezialisieren.
Beispiel der Überlegung von Ricardo: Es handelt sich um die Produktion von Wein und Tuch. Es besteht zunächst kein Handel und ebenso keine Arbeitsteilung zwischen zwei Ländern (hier Portugal und England). Beide Länder stellen beide Produkte (Wein und Tuch) im eigenen Land her. England stellt 1000 Rollen Tuch mit 100 Arbeitern her und 1000 Fässer Wein mit 120 Arbeitern. Dagegen benötigt Portugal für 1000 Rollen Tuch 90 Arbeiter und für 1000 Fässer Wein 80 Arbeiter. Gemeinsam produzieren die beiden Länder eine Anzahl von 2000 Rollen Tuch und 2000 Fässern Wein.
Zwar besitzt Portugal durch die weniger benötigten Arbeitskräfte sowohl bei der Herstellung von Wein, als auch von Tuch einen absoluten Kostenvorteil. Dennoch ist es für Portugal lohnenswert, sich auf die Produktion von Wein zu spezialisieren und England die Produktion von Tuch zu überlassen. Die Produkte können dann vom jeweils anderen Land importiert werden. Es können die Arbeitskräfte in der portugiesischen Weinproduktion produktiver (kostengünstiger) eingesetzt werden als in der Tuchproduktion. Umgekehrt produziert England Tuch mit weniger Arbeitskräften als Wein.
Konzentriert sich also Portugal auf seinen komparativen Vorteil, die Weinproduktion, dann können die 90 Arbeiter welche zuvor für die Tuchproduktion von Portugal zuständig waren, ebenfalls auf die Produktion von Wein spezialisiert werden, sodass dort nun 170 Arbeiter (90+80) den Wein produzieren können. Rechnung pro Kopf (Portugal):
- Vorher: 1000 Fässer Wein geteilt durch 80 Arbeiter = 12,5 Fässer pro Kopf
- Jetzt: 170 Arbeiter multipliziert mit 12,5 Fässern (Pro Kopf) = 2125 Fässer
Somit kann Portugal durch die Spezialisierung 1125 Fässer Wein zusätzlich herstellen. Das sind 125 Fässer mehr, als beide Länder zusammen.
Dagegen spezialisieren sich die Arbeitskräfte aus England auf die Tuchproduktion. Die 120 Arbeiter, die für den Wein zuständig waren, werden auf die Produktion von Tuch spezialisiert. Somit sind nun in England 220 Arbeiter (100+120) für die Tuchproduktion zuständig.
Rechnung pro Kopf (England):
- Vorher: 1000 Rollen Tuch geteilt durch 100 Arbeiter = 10 Rollen pro Kopf
- Jetzt: 220 Arbeiter multipliziert mit 10 Rollen (pro Kopf) = 2200 Rollen
Somit kann England durch die Spezialisierung 1200 Rollen Tuch zusätzlich herstellen. Das sind 200 Rollen mehr, als beide Länder zusammen.
Spezialisiert sich also jedes Land auf das Gut, welches es relativ gesehen zu den anderen Gütern im eigenen Land mit günstigeren Kosten herstellen kann, werden die Arbeitskräfte am produktivsten eingesetzt. Die Versorgung mit dem selbst nicht mehr hergestellten Gut wird durch den Handel mit dem anderen Land gesichert. Folglich können also auch Länder, die bei der Produktion aller Güter einen absoluten Kostennachteil gegenüber anderen Ländern haben, auf diese Weise an der internationalen Arbeitsteilung teilnehmen.[19]
Festzustellen ist, dass bei der Annahme des Modells von Ricardo jedes Land durch die Spezialisierung profitiert. Werden die Annahmen des Faktorproportionenmodells unterstellt, kommt es kurzfristig zu Verlusten bei denjenigen Branchen, welche mit den Importen konkurrieren müssen. Langfristig bedeutet dies das Scheitern der knappen Produktionsfaktoren einer Außenhandel treibenden Volkswirtschaft. Die Aussage, dass der Handel für alle Seiten vorteilhaft sei, kann in dieser Form nicht bestehen bleiben.[20]
Historische Einordnung
Die Bedeutung der Faktorausstattung eines Landes für den Außenhandel wurde erstmals von dem schwedischen Ökonom Eli Filip Heckscher (1879–1952) untersucht. Er entwickelte wesentliche Punkte der Faktorausstattungstheorie des internationalen Handels, die im Jahre 1919 publiziert wurde. Der schwedische Wirtschaftswissenschaftler Bertil Ohlin (1899–1979) galt als Nachfolger von Eli Filip Heckscher. Er entwickelte und baute die Faktorausstattungstheorie in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts weiter aus.[21]
Der Faktorausstattungsansatz ist als Heckscher-Ohlin-Theorem bekannt und gilt als moderne Theorie des internationalen Handels. Die Theorie wurde von vielen Ökonomen in einem Prozess verfeinert und ausgeweitet, der immer noch fortdauert.[22]
Erklärung
Im Heckscher-Ohlin-Theorem werden die Voraussetzungen aus dem Ricardo-Modell umgekehrt. Es werden identische Produktionsfunktionen unterstellt. Die Länder sind lediglich in unterschiedlichem Maße mit Produktionsfaktoren ausgestattet. Dabei ist es unbedeutsam, ob ein Land mehr oder weniger von beiden Produktionsfaktoren besitzt. Entscheidend sind die Unterschiede in den jeweiligen Verhältnissen.[23] Der Reichtum an einem Produktionsfaktor ist folglich nicht durch absolute Zahlen, sondern durch Verhältnisgrößen definiert.
- Beispiel
Angenommen die USA haben 80 Millionen Arbeiter und 200 Millionen Hektar Boden, so entspricht dies einem Arbeits-Boden-Verhältnis von 1:2,5. Großbritannien hat mit 20 Millionen Arbeitern und 20 Millionen Hektar Boden ein Arbeits-Boden-Verhältnis von 1:1. Demnach wird Großbritannien als arbeitsreich gewertet, obwohl es absolut über weniger Arbeiter verfügt als die Vereinigten Staaten.[24]
In der Realität weist die Faktorausstattung der Länder tatsächlich häufig beträchtliche Unterschiede auf. So hat zum Beispiel Land A, welches hier als Inland bezeichnet wird, relativ viel Arbeitskraft und Land B, welches hier als Ausland bezeichnet wird, relativ viel Kapital und Boden. Außerdem wird davon ausgegangen, dass es bodenintensiv gefertigte Güter wie Weizen und arbeitsintensiv gefertigte Güter wie Tuch gibt.[25] Die Länder spezialisieren sich so, dass sie verstärkt jene Güter produzieren, die den im Land relativ reichlich vorhandenen Faktor intensiv nutzen. Das Inland spezialisiert sich folglich auf die Produktion von Tuch, während sich das Ausland auf die Produktion von Weizen spezialisieren wird. Die nicht im eigenen Land abgesetzten „Überschüsse“ werden jeweils exportiert.
Wenn eine Volkswirtschaft relativ arbeitsreich ist, wird demnach Arbeit preiswerter sein als Kapital. Es können somit arbeitsintensive Güter entsprechend kostengünstiger hergestellt werden. Analog kann man sich diese Aussage über eine relativ kapitalreiche Volkswirtschaft vorstellen, in der kapitalintensiv produzierte Güter kostengünstiger hergestellt werden können.[26] Aus dem Zusammenhang zwischen relativer Faktorreichlichkeit und der Faktorintensität in der Produktion ergeben sich komparative Kostenvorteile und internationale Preisvorteile, die wiederum zu Wettbewerbsvorteilen auf internationalen Märkten führen.[27]
Dieser Sachverhalt erklärt, weshalb die Ausfuhr der meisten Entwicklungsländer aus bodenintensiven oder arbeitsintensiven Erzeugnissen besteht, während die hochindustrialisierten Länder zum Großteil kapitalintensive Produkte exportieren.
Zur Vereinfachung werden in den Modellen oftmals Cobb-Douglas-Produktionsfunktionen verwendet. Diese unterstellen, dass die eingesetzten Produktionsfaktoren substitutionale Faktoren sind. Siehe auch der Artikel Faktorsubstitution. So kann beispielsweise ein Land im Gegensatz zu einem anderen in unterschiedlichem Ausmaß mit Produktionsfaktoren, wie Arbeit und Kapital, ausgestattet sein. Daher ist es möglich, in beiden Ländern die Herstellung mehrerer Güter bei je unterschiedlichen Produktionsfunktionen zu betrachten.[28]
Wirtschaftliche Aspekte
Die nationale Produktionsstruktur (differenzierte oder standardisierte Güter) hängt von den Faktorintensitäten der Güter und von der Faktorausstattung eines Landes ab.[29] Die Faktorintensität bezieht sich auf arbeitsintensive oder kapitalintensive Güter.
Jeder Staat weist eine andere Faktorausstattung auf. Unterschiede können dann international ausgeglichen werden, wenn Faktormobilität besteht. Das betrifft die Arbeitsmobilität und die Kapitalmobilität. Da der Boden als Faktor seinen Standort nicht wechseln kann, ist er definitionsgemäß immobil; nur der Grundstückseigentümer kann wechseln. Die Faktorausstattung ändert sich auf dem Arbeitsmarkt, wenn es zu Arbeitsmigration von einem Niedriglohnland in ein Hochlohnland kommt. Dadurch verringert sich das Arbeitsangebot im Niedriglohnland, während es sich im Hochlohnland erhöht. Die Faktorausstattung ändert sich auf den Finanzmärkten (Geld-, Kapital- und Kreditmarkt), wenn sich das Zinsniveau in zwei Staaten unterscheidet. Dann verringert die Kapitalmobilität das Geld-, Kapital- und/oder Kreditangebot im kapitalexportierenden Land und erhöht es im kapitalimportierenden Land. Das Faktorpreisausgleichstheorem geht in beiden Fällen davon aus, dass sich unterschiedliche Faktorpreise bei perfekter Faktormobilität ausgleichen. Letztlich wird durch perfekte Arbeitsmobilität Lohnkonvergenz erreicht, wenn das Grenzprodukt der Arbeit in den betroffenen Staaten identisch ist.[30] Das gilt auch für die perfekte Kapitalmobilität und deren Grenzprodukt des Kapitals.
Das Heckscher-Ohlin-Modell untersucht den Zusammenhang zwischen den Unterschieden der Faktorausstattung und der Handelsstruktur. Ihm liegen folgende Annahmen zugrunde: Es gibt nur zwei Staaten mit identischen, linear homogenen Produktionstechnologien, identischen homothetischen Präferenzen, vollständiger Konkurrenz, perfekte intersektorale Faktormobilität, Vollbeschäftigung und Freihandel. Der Staat A besitzt pro Arbeitskraft mehr Kapital als Staat B (absolute Faktorausstattungen sind irrelevant), Gut I ist das kapitalintensive Gut, Gut II das arbeitsintensive. Unter diesen Annahmen wird das relativ kapitalreiche Land das kapitalintensive Gut I exportieren, umgekehrt auch für Land B und Gut II. Da der Freihandel ein einheitliches Güterpreisverhältnis in beiden Staaten impliziert, muss der kapitalreiche Staat A im Vergleich zum Gut II mehr vom Gut I produzieren als der arbeitsreiche Staat B, um Vollbeschäftigung zu erreichen. Da die Kostenstruktur in beiden Staaten gleich ist, kann sich die erwähnte Handelsstruktur einfinden.[31]
Einfluss auf Produktionspotential und Volkseinkommen
Wenn es in einem Land zu einer Erhöhung der Faktorausstattung kommt, beispielsweise durch einen Anstieg des Arbeitspotenzials, steigt auch das Produktionspotenzial. Infolgedessen verlagert sich die Transformationskurve nach außen, da größere Mengen von Gut 1 und Gut 2 vorhanden sind. Folglich führt dies wiederum zu einem Anstieg der Produktionsmenge des Export- und Importgutes und wirkt sich anschließend auch auf die Export- und Importmenge eines Landes aus. Je größer die Menge des beispielsweise Exportgutes, desto mehr könnte von diesem dann ins Ausland abverkauft werden. Da das Volkseinkommen wiederum die Summe aller in einer Volkswirtschaft produzierten Güter von In- und Ausländern darstellt und die produzierte Menge einiger dieser Güter gestiegen ist, steigt auch das Volkseinkommen in Folge der Zunahme des Produktionspotenzials. Somit ist abschließend zu erkennen, dass sich eine Veränderung der Faktorausstattung auf das Volkseinkommen auswirkt.[32]
Literatur
- Wilfried J. Ethier: Moderne Außenwirtschaftstheorie. 2. Auflage. Oldenbourg, München 1991, ISBN 3-486-21777-1.
- Klaus Rose und Karlhans Sauernheimer: Theorie der Außenwirtschaft. 13. Auflage. Vahlen, München 1999, ISBN 3-8006-2450-8.
- Udo Broll: Einführung in die reale und monetäre Außenwirtschaft. 1. Auflage. Oldenbourg, München 1995, ISBN 3-486-23187-1.
- Manfred Borchert: Außenwirtschaftslehre. 7. Auflage. Gabler, Wiesbaden 2001, ISBN 3-409-63907-1.
- Gustav Dieckheuer: Internationale Wirtschaftsbeziehungen. 3. Auflage. Oldenbourg, München 1995, ISBN 3-486-23148-0.
Belege
- Artur Woll: Wirtschaftslexikon. 10. Auflage. Oldenbourg, München 2008, S. 625.
- Artur Woll: Wirtschaftslexikon. 10. Auflage. Oldenbourg, München 2008, S. 34, S. 625.
- Gustav Dieckheuer: Internationale Wirtschaftsbeziehungen. 5. Auflage. Oldenbourg, München 2001, S. 98.
- Artur Woll: Wirtschaftslexikon. 10. Auflage. Oldenbourg, München 2008, S. 625.
- Artur Woll: Wirtschaftslexikon. 10. Auflage. Oldenbourg, München 2008, S. 625.
- Prof. Dr. Norbert Pfitzer: Kapital. Website vom Springer Gabler Verlag. Gabler Wirtschaftslexikon. Abgerufen am 10. Juni 2015. Zitierfähige URL: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/54789/kapital-v6.html
- Prof. Dr. Siegfried von Känel: Kapital (Produktionsfaktor) (Memento des Originals vom 2. Juni 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. . Website IWK – Prof. Dr. Siegfried von Känel e. Kfm., abgerufen am 10. Juni 2015.
- Produktionsfaktor. Website Wikipedia. Abgerufen am 10. Juni 2015.
- https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2013/06/PD13_215_132.html „Pressemitteilung Nr. 215 vom 27. Juni 2013“ Website des Statistischen Bundesamts. Abgerufen am 31. Mai 2015.
- http://de.statista.com/statistik/daten/studie/217682/umfrage/erwerbstaetige-in-oesterreich/ Abgerufen am 31. Mai 2015.
- https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2013/06/PD13_215_132.html „Pressemitteilung Nr. 215 vom 27. Juni 2013“ Website des Statistischen Bundesamts. Abgerufen am 31. Mai 2015.
- Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 6. Juli 2017 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Abgerufen am 31. Mai 2015.
- http://de.statista.com/statistik/daten/studie/217682/umfrage/erwerbstaetige-in-oesterreich/ Abgerufen am 31. Mai 2015.
- http://www.austria.info/at/wissenswertes-zu-oesterreich/staatsform-und-einwohner-2006789.html Abgerufen am 31. Mai 2015.
- Fritz Söllner: Die Geschichte des ökonomischen Denkens. 2. Auflage. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2001, S. 39.
- Manfred Borchert: Außenwirtschaftslehre. 7. Auflage. Gabler, Wiesbaden 2001 S. 25.
- Manfred Borchert: Außenwirtschaftslehre. 7. Auflage. Gabler, Wiesbaden 2001, S. 26–27.
- Manfred Borchert: Außenwirtschaftslehre. 7. Auflage. Gabler, Wiesbaden 2001, S. 28–30.
- Malte Fischer: David Ricardo, Der Freihändler. Website der Wirtschaftswoche. Abgerufen am 11. Juni 2015.
- Paul R. Krugman und Maurice Obstfeld: Internationale Wirtschaft. 8. Auflage. Pearson, München 2009, S. 111
- Wilfried J. Ethier: Moderne Außenwirtschaftstheorie. 2. Auflage. Oldenbourg, München 1991, S. 138.
- Wilfried J. Ethier: Moderne Außenwirtschaftstheorie. 2. Auflage. Oldenbourg, München 1991, S. 139.
- Klaus Rose und Karlhans Sauernheimer: Theorie der Außenwirtschaft. 13. Auflage. Vahlen, München 1999, S. 413.
- Paul R. Krugman und Maurice Obstfeld: Internationale Wirtschaft. 7. Auflage. Pearson, München 2006, S. 115.
- Wolfgang Maennig und Bernd Wilfling: Außenwirtschaft Theorie und Politik. Vahlen, München, S. 111–112.
- Oliver Lorz und Horst Siebert: Außenwirtschaft. 9. Auflage. UVK/Lucius, München 2014, S. 52
- Udo Broll: Einführung in die reale und monetäre Außenwirtschaft. 1. Auflage. Oldenbourg, München 1995, S. 40, 41.
- Manfred Borchert: Außenwirtschaftslehre. 7. Auflage. Gabler, Wiesbaden 2001, S. 59.
- Ute Arentzen/Heiner Brockmann/Heike Schule/Thorsten Hadeler (Hrsg.), Gabler Volkswirtschafts-Lexikon, Band I, 1996, S. 476
- Paul R. Krugman/Maurice Obstfeld, Internationale Wirtschaft: Theorie und Politik der Außenwirtschaft, 8. Auflage, 2009, S. 219
- Ute Arentzen/Heiner Brockmann/Heike Schule/Thorsten Hadeler (Hrsg.), Gabler Volkswirtschafts-Lexikon, Band I, 1996, S. 476
- Gustav Dieckheuer: Internationale Wirtschaftsbeziehungen. 3. Auflage. Oldenbourg, München 1995, S. 76.