Fahrtrichtungswechsel
Als Fahrtrichtungswechsel oder Fahrtrichtungsänderung wird eine Änderung der Fahrtrichtung eines Fahrzeuges bezeichnet. Dies betrifft überwiegend die Verkehrssysteme Schienenverkehr, Straßenverkehr und Schiffsverkehr. Dieser Artikel erklärt mehrere sinnverwandte Begriffe.
Fahrzeugdisposition und Fahrplanerstellung
Generell werden im Nahverkehr Fahrpläne als Umlaufpläne geplant, das sind Pläne der aufeinanderfolgenden Fahrten eines eingesetzten Fahrzeuges – man spricht auch vom Einsatzplan. Das Erstellen der Umlaufpläne ist Aufgabe der Fahrplansachbearbeiter. Die Fahrzeugdisposition ordnet den am Betriebstag gewünschten Plänen verfügbare Fahrzeuge zu. Aus der Sicht des Fahrzeugführers versteht sich der Fahrplan als Umlaufplan.
So verstehen sich folgende Begriffe:
Wendefahrt
Eine fahrplanmäßig nach Ende der Fahrt anzutretende Fahrt.
Vorzeitige Wende
Eine Fahrt wird nicht bis zum planmäßigen Endziel durchgeführt, sondern der Fahrtweg wird aufgrund dispositiver Entscheidungen verkürzt.[1]
Kurzwende, auch Bahnsteigwende
Nach Erreichen des planmäßigen Zugendbahnhofes wendet der Zug auf die nächste beginnende Zugleistung in die entgegengesetzte Richtung, ohne den Bahnsteig zu verlassen.
Langwende
Die Fahrt wird über den planmäßigen Endpunkt hinaus verlängert.[1]
Dispositives Wenden
Kurz- und Langwenden werden nicht isoliert disponiert, sie treten nur in Kombination auf, um ausgefallene Fahrten infolge von Fahrzeugstörungen oder Störungen im Fahrweg (etwa wegen Bauarbeiten) auszugleichen, um die eine Linie bedienenden Fahrten gleichmäßig auszulasten.[1]
Überschlagende Wende
Eine Fahrtleistung (Kurs) geht nicht auf die direkt folgende Fahrt über, sondern auf die darauf folgende Fahrt. Die direkt folgende Fahrt wird vom vorherigen Fahrzeug übernommen. Zwischen Ankunft und Abfahrt im Wendebereich befinden sich dort somit zwei Fahrzeuge.
Personaldisposition
Überschlagene Wende
Der Fahrer eines Fahrzeuges verlässt es, um eine gesetzlich vorgeschriebene Dienstpause anzutreten, und übernimmt ein folgendes Fahrzeug.
Kurzwende
Eine Wende wird auf das technisch erforderliche Mindestmaß reduziert, sodass keine Pausenzeiten auftreten.
Langwende
Die Wendezeit ist so lang bemessen, dass gesetzlich vorgeschriebene Ruhepausen währenddessen möglich sind.
Verkehrssystem Schienenverkehr
Bei der Eisenbahn unterscheidet man verschiedene Arten des Fahrtrichtungswechsels:
Kehren
- Beim Kehren wird durch die Fahrt auf einen anderen Gleisabschnitt mittels einer Wendeschleife oder eines Gleisdreiecks der komplette Zug (Wagen mit Lokomotive) umgedreht.
Wenden
- Beim Wenden „mit“ Lokomotivwechsel wird das Triebfahrzeug durch ein anderes ersetzt.
- Das Wenden „ohne“ Lokomotivwechsel ist nur mit einem Triebzug oder einem Wendezug möglich, also einem Zug, bei dem am anderen Ende des Zuges entweder ein Steuerwagen oder ebenfalls eine Lokomotive angekuppelt ist, hier muss der Lokführer den Führerstand wechseln oder wird durch einen Kollegen abgelöst. Häufig erfolgt ein solches Wenden auf einem speziellen, bei Stadtverkehrssystemen oft zwischen den durchgehenden Streckengleisen gelegenen Ausziehgleis (Kehrgleis). Die gesamte dazu notwendige Infrastruktur wird dann als Kehranlage bezeichnet.
- Als „Umsetzen“ bezeichnet man den Wechsel der vorhandenen Lokomotive von einem Ende des Zuges zum anderen. Zum Umsetzen kann ein speziell dazu vorgesehenes Ausziehgleis oder ein anderes Gleis in geeigneter Lage dienen.
Damit sich Reisende auf die Änderung der Fahrtrichtung einstellen können, wird in einigen Ländern in den Informationsmedien im Zug ein Fahrtrichtungswechsel gekennzeichnet. Im Fernverkehr der DB war dies bis 2020 das Faltblatt Ihr Reiseplan.
Rangieren zum Wenden
- Mittels Drehscheibe kann ein Fahrzeug gewendet werden, das nicht länger ist als das Gleisstück der Drehscheibe. Solche Anlagen wurden anfangs und bis in Mitte des 20. Jahrhunderts häufig gebaut. Sie sind inzwischen veraltet, da die modernen Schienen-Triebfahrzeuge in beide Richtungen gleichermaßen fahren können, ohne dass dabei in eine der Richtungen eine geringere Geschwindigkeit in Kauf genommen werden müsste, wie es bei den meisten früheren Schlepptender-Dampflokomotiven der Fall war. Zudem ist für das Drehen auch ein hoher Zeitaufwand erforderlich, etwa für die Fahrt zur Drehscheibe und zurück.
- Alle Formen des Wendens können auch mittels einer Spitzkehre, Gleisdreieck, Gleisfünfeck oder in einem Kopfbahnhof ausgeführt werden.
- Eine „Sägefahrt“ braucht ein freies Gleis, auf das der wendende Zug vor- und über Weichen zurückrangiert wird.
Andere Begriffe
- Beim „Kopfmachen“ fährt der Zug im Wendebahnhof auf einem Teil der zuvor befahrenen Gleise in die Gegenrichtung. Dazu wird vom Stellwerk eine Fahrstraße in Gegenrichtung eingestellt.
- Ein Kopfbahnsteig ist ein Bahnsteig in einer Bahnhofsanlage, an dem Züge nur durch „Kopfmachen“ gewendet werden können.
- Das „Stürzen“ ist ein vorwiegend in der Schweiz und in Österreich benutzter Begriff für das Wenden in einem Bahnhof, in dem mehrere Strecken zusammentreffen, wenn die andere Strecke nur durch Fahrtrichtungswechsel erreicht werden kann. Der Begriff Stürzen wird hauptsächlich bei Güterzügen verwendet, aber auch bei Personenzügen kann ein Stürzen notwendig sein.
- Bei einer „Drehfahrt“ wird aus dispositiven Gründen die Wagenreihenfolge umgekehrt, indem eine geeignete Fahrtstrecke gewählt und anschließend kopfgemacht wird. Vielfach ist das Ziel die Wiederherstellung der planmäßigen Wagenreihung zum Beispiel nach einer Umleitung. Gleisbaumaschinen, die nur auf eine Arbeitsrichtung ausgelegt sind, müssen regelmäßig Drehfahrten absolvieren, wenn sie wegen ihrer Länge nicht auf Drehscheiben gewendet werden können.
Straßenbahn
- An Kuppelendstellen wenden aus Trieb- und Beiwagen bestehende Straßenbahnzüge, indem der Triebwagen abgekuppelt wird und den oder die Beiwagen umfährt, wieder gekuppelt wird und in Gegenrichtung weiterfährt. Bei lebhaftem Betrieb wurden in der Vergangenheit Standbei- oder Standtriebwagen genutzt. Dies betraf hauptsächlich Straßenbahnzüge aus mehreren Wagen in Zweirichtungsbauart mit nur einem Triebwagen, die bis in die 1970er Jahre eingesetzt wurden. Bei heute in vielen Betrieben üblichen Zweirichtungstriebzügen mit zwei Führerständen wird einfach die Fahrtrichtung geändert. Züge aus Einrichtungswagen durchfahren Wendeschleifen, die an allen Linienenden erforderlich sind und auch in Form von Blockumfahrungen angelegt sein können oder wenden über ein Gleisdreieck. Letzteres erforderte vor der Einführung von Hilfsfahrschaltern an den führerstandslosen Wagenenden zusätzliches Rangierpersonal.
Verkehrssystem Straßenverkehr
Im Gegensatz zum schienengebundenen Verkehr kann in anderen Verkehrsarten ein Fahrzeug durch eine Kehrtwende (auch Halbkreiswende) in die Gegenfahrtrichtung wechseln. Hier bezeichnet der Begriff Fahrtrichtungswechsel:
- den Spurwechsel (auf, in mindestens einer Fahrtrichtung, mehrspurigen Straßen) zum Wechsel auf eine Fahrbahn zu einem anderen Fahrziel
- Abbiegen (Verlassen einer Straße, um auf eine andere zu wechseln)
- Wenden (spezieller Fahrtrichtungswechsel, nämlich von der aktuellen Fahrtrichtung auf die entgegengesetzte Fahrtrichtung und damit auch Fahrbahn).
Um anderen Verkehrsteilnehmern diesen Fahrtrichtungswechsel anzuzeigen, muss der bevorstehende Richtungswechsel per Hand oder mittels eines Fahrtrichtungsanzeigers (Blinkers) angezeigt werden.
Literatur
- Siegfried Rüger: Transporttechnologie städtischer öffentlicher Personenverkehr. 3. bearb. Auflage. Transpress-Verlag für Verkehrswesen, Berlin 1986.
Einzelnachweise
- Helmut Iffländer: Aktuelles vom Störungsmanagement (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) (PDF; 2,2 MB) S. 16