Entartete Musik
Der Begriff Entartete Musik (analog zu Entartete Kunst) bezeichnete während der Zeit des Nationalsozialismus vor allem die musikalische Moderne, die nicht der Ideologie der Nationalsozialisten entsprach. Der Nationalsozialismus im Deutschen Reich sah sich nicht nur als politische, sondern auch als kulturelle Bewegung, die ganz bewusst mit dem kulturellen Pluralismus der Weimarer Republik brach.
Komponisten der Moderne wurden als so genannte Vertreter der Entarteten Musik oder auch der „Negermusik“ verunglimpft, verfemt und politisch verfolgt, darunter „nicht-arische“ Künstler wie Arnold Schönberg, Ernst Krenek, Kurt Weill, Hanns Eisler, Franz Schreker, Erwin Schulhoff und Ernst Toch, aber auch „arische“ Komponisten wie Anton Webern, Paul Hindemith und Igor Strawinsky. Auch die Werke bereits verstorbener Künstler wie Alban Berg waren betroffen.
Ausstellung
Begleitend zu den Reichsmusiktagen im Mai 1938 in Düsseldorf – bei deren Kulturpolitischer Kundgebung Richard Strauss sein Festliches Präludium (1913) dirigierte – organisierte Hans Severus Ziegler in Anlehnung an die Münchner Ausstellung „Entartete Kunst“ von 1937 die Ausstellung „Entartete Musik“, in der er gegen Jazz, Neue Musik und jüdische Künstler und Komponisten polemisierte und deren Entfernung aus dem deutschen Musikleben forderte. Zu sehen war die Propagandaschau in dem 1928 neueröffneten Kunstpalast. Anschließend wurde die Ausstellung in Weimar, München und Wien gezeigt. Zur Werbung entwarf Ludwig (Lucky) Tersch die Karikatur eines schwarzen Jazzsaxophonisten, der einen Davidstern trägt. Dieses Motiv trug auch die hetzende Begleitbroschüre zur Ausstellung mit der Aufschrift Entartete Musik – Eine Abrechnung von Staatsrat Dr. H. S. Ziegler.
Fünfzig Jahre später haben Albrecht Dümling und Peter Girth die Ausstellung rekonstruiert; die Eröffnung fand am 16. Januar 1988 in der Düsseldorfer Tonhalle statt. Die rekonstruierte Ausstellung wird seitdem weltweit gezeigt (US-Version 1991, spanische Version 2007, neue deutsche Version 2007 unter dem Titel „Das verdächtige Saxophon“).[1] Ergänzend erschien neben dem Ausstellungskatalog die aus 4 CDs bestehende Tondokumentation „Entartete Musik“.[2]
Literatur
- Hans Severus Ziegler: Entartete Musik – Eine Abrechnung von Staatsrat Dr. H. S. Ziegler. Völkischer Verlag, Düsseldorf o. J. [1938], 32 S. mit Abb. (Begleit-Broschüre zur Ausstellung) archive.org
- Theophil Stengel (Hrsg.): Lexikon der Juden in der Musik: Mit e. Titelverz. jüd. Werke. Zusammengest. im Auftr. d. Reichsleitg d. NSDAP. auf Grund behördl., parteiamtl. geprüfter Unterlagen, in Verbindung mit Herbert Gerigk. Berlin: Hahnefeld Verlag, 1943 (Reihentitel: Veröffentlichungen des Instituts der NSDAP zur Erforschung der Judenfrage, Frankfurt am Main; Band 2).
- Das „Dritte Reich“ und die Musik, zur gleichnamigen Ausstellung im Schloss Neuhardenberg. Berlin: Nicolai, 2006 ISBN 3-89479-331-7. Französische Ursprungsversion (Musée de la Musique, 2004): Übers. der Texte aus dem Dt. Bernard Banoun, ISBN 2-213-62135-7.
- Bente-Helene van Lambalgen, Emanuel Overbeeke, Leo Samama: Entartete Musik: verboden muziek onder het nazi-bewind. Amsterdam University Press, 2004, ISBN 90-5356-715-1.
- Amaury du Closel: Erstickte Stimmen. „Entartete Musik“ im Dritten Reich. Böhlau Verlag, Wien/Köln 2010, ISBN 978-3-205-78292-6.
- Albrecht Dümling, Peter Girth (Hrsg.): Entartete Musik. Dokumentation und Kommentar zur Düsseldorfer Ausstellung von 1938. 1./2. Auflage. der kleine verlag, Düsseldorf 1988; 3. überarbeitete und erweiterte Auflage 1993, ISBN 3-924166-29-3.
- Albrecht Dümling: Ein wahrer Hexensabbat. Die Ausstellung „Entartete Musik“ im Widerstreit. In: Hellmut Th. Seemann, Thorsten Valk (Hrsg.): Übertönte Geschichten. Musikkultur in Weimar. Klassik Stiftung Weimar. Jahrbuch 2011. Göttingen 2011, S. 189–206. ISBN 978-3-8353-0876-3.
- Elise Petit, Bruno Giner: Entartete Musik. Les Musiques interdites sous le IIIe Reich. Bleu Nuit éditeur, Paris 2015, ISBN 978-2-35884-047-7.
- Lutz Felbick: Das „hohe Kulturgut deutscher Musik“ und das „Entartete“ – über die Problematik des Kulturorchester-Begriffs. In: Zeitschrift für Kulturmanagement, 2/2015, S. 85–115.