Emmerstedt
Emmerstedt ist einer der vier Ortsteile der niedersächsischen Kreisstadt Helmstedt in Deutschland.
Emmerstedt Stadt Helmstedt | ||
---|---|---|
Höhe: | 116 (111–126) m | |
Einwohner: | 2275 (31. Dez. 2005) | |
Eingemeindung: | 1. März 1974 | |
Postleitzahl: | 38350 | |
Vorwahl: | 05351 | |
Lage von Emmerstedt in Niedersachsen | ||
Geografie
Emmerstedt liegt in Niedersachsen an der Grenze zu Sachsen-Anhalt, zwischen Braunschweig und Magdeburg in der Nähe der Ausfahrt 61 der Bundesautobahn 2. Das Ortsgebiet erstreckt sich über 1299 Hektar und teilt sich in drei Ortsteile: das Kerndorf (der älteste Teil und Neubaugebiete), die Rottensiedlung (westlich des Kerndorfes) und den Windmühlenberg.
2005 hatte Emmerstedt rund 2275 Einwohner.
- Wappen
- Kirche St. Petri
- Altes Ortsschild
Ortsgliederung
Emmerstedt gliedert sich in drei Ortsteile:
- Kerndorf (der älteste Teil und Neubaugebiete)
- Rottensiedlung (westlich des Kerndorfes)
- Windmühlenberg
Geschichte
Der Ort wurde 1186 erstmals urkundlich erwähnt.
Am 1. März 1974 wurde Emmerstedt in die Kreisstadt Helmstedt eingegliedert.[1]
Ur- und Frühgeschichte
Funde von Feuerstätten aus der mittleren Steinzeit nach dem Ende der Eiszeit sind die ältesten Spuren, die eine Besiedlung der Gemarkung Emmerstedt nachweisen. Sie sind etwa 6000 bis 8000 Jahre alt. Die Menschen dieser Zeit lebten noch ausschließlich von der Jagd, dem Fischen und dem Sammeln natürlicher Nahrungsmittel. Die Funde weisen auf ehemalige Lagerplätze dieser Jägergruppen hin. Um 5000 v. Chr., in der Jungsteinzeit, wanderten die ersten Ackerbauern und Viehhalter in die Gegend von Emmerstedt ein. Erst um 3500 v. Chr. erfolgte gleich an mehreren Stellen die Anlage von Siedlungsplätzen durch steinzeitliche Bauern. Es waren die gleichen Menschen, die an den Grenzen ihrer Feldmarken mit einfachsten technischen Mitteln die monumentalen Großsteingräber Lübbensteine errichteten. Von der Einwanderung der Indogermanen in der späten Jungsteinzeit um 2800 v. Chr. zeugen einzelne Funde steinerner Streitäxte.[2]
Die Besiedlung der Gemarkung während der Bronzezeit setzte erst spät, um 1200 v. Chr., ein. Aus einem jüngeren Abschnitt der Bronzezeit (zwischen 1000 und 700 v. Chr.) lassen sich eine Siedlung und von mindestens zwei Stellen Urnengräber nachweisen, eines davon noch im Grabhügel. In dieser Zeit erfolgte der Übergang von der Körper- zur Brandbestattungssitte. In der Eisenzeit schien sich die Besiedlung kontinuierlich fortzusetzen, wie durch mindestens zwei Urnenfriedhöfe – einer davon sogar mit Grabhügel – nachgewiesen ist. Auch eine zugehörige Siedlung ist bekannt. Zumindest der Urnenfriedhof am Schützenplatz war bis in die frühgermanische Zeit zwischen 500 und 300 v. Chr. weiter belegt. Bei den hier siedelnden Menschen handelte es sich um suebische Stämme, das heißt Germanen aus dem Elbraum, vielleicht schon Langobarden.[2]
Seit etwa 200 n. Chr. liegen wieder Spuren einer Besiedlung sowohl durch eine Siedlung als auch durch Graburnen vor, wobei die Siedlung möglicherweise bereits im 1. Jahrhundert angelegt wurde. Beide enden am Beginn des 5. Jahrhunderts. Emmerstedt lag in dieser Zeit im Grenzgebiet zwischen Langobarden und frühen Thüringern. Bis zur Neugründung des heutigen Ortes vermutlich im frühen Mittelalter setzte anschließend eine nachweisbare Besiedlung der Gemarkung aus. Im Emmerstedter Ortsmuseum an der Leineweberstraße sind zahlreich Fundstücke aus vorgeschichtlicher Zeit, teilweise als Nachbildung, ausgestellt.[2]
Über das Mittelalter zur Neuzeit
In einer Urkunde vom 9. April 1186, in der Bischof Dietrich von Halberstadt den Zehnten des Dorfes an das neu gegründete Prämonstratenkloster St. Thomas in Halberstadt schenkte, wird das Dorf Emerstide erstmals gesichert erwähnt. Nicht gesichert ist die Herkunft des Ortsnamens, der sowohl auf einen Gewässernamen (Emer), als auch auf einen Personennamen zurückgeführt werden könnte. Seit 1197 finden sich verschiedene Schreibweisen wie Emerstede, Emerstide, später auch Emberstede, Emberstidde und Emmerstidde – letztere heute noch die mundartliche Bezeichnung.[2]
1338 wird eine selbständige Pfarrkirche St. Petri erwähnt. Im Jahre 1539 gibt es 50 Feuerstätten, das bedeutet 50 Männer. Die erste Schule wurde Mitte des 17. Jahrhunderts eingerichtet. Sowohl der Dreißigjährige Krieg als auch schwere Feuerbrünste schadeten dem Dorf nachhaltig. 1661 brannte mit 26 Gehöften die Hälfte des Gesamtbestandes nieder. Das Dorf entwickelte sich beiderseits der alten West-Ost-Handelsstraße zwischen Braunschweig und Helmstedt, die ursprünglich von Königslutter über Schickelsheim – Süpplingenburg – Emmerstedt verlief und sich nach 1500 weiter südlich auf die Trasse der heutigen Bundesstraße 1 verlagerte. In eine Urkunde von 1186 wird das Dorf Ofeld erwähnt, das in der heutigen Flur Emmerstedt gelegen hat. Es wird 1422 bereits als „wüst“ bezeichnet. Flurnamen wie Ofeldwiese oder Am Offelwege weisen auf die einstige Ortslage südlich des Heidbergs hin. Ein Streit zwischen dem Kloster Mariental und der Johanniter-Kommende Süpplingenburg über den Zehnten wurde 1452 dahin entschieden, dass dem Kloster das Ovelt mit allen Früchten zenntfrei gehöre.[2]
Nicht geklärt ist, ob Ofeld am Westhang des Heidbergs oder auf der gegenüberliegenden Seite des Baches Lange Welle gelegen hat. Ein Gedenkstein erinnert seit 1991 an die ehemalige Dorfstätte. Er trägt die Aufschrift „Dorf Ofeld einst am Heidberg gelegen, spurlos verschwunden im Dunkel der Geschichte. 1186 erstmals schriftlich erwähnt gemeinsam mit Emmerstedt“. Der Vollständigkeit halber sei auch das Dorf Hohnstedt erwähnt, ganz im Südwesten und außerhalb der Gemarkung Emmerstedt gelegen. Vermutlich erst im 16. Jahrhundert wüst gefallen, befand sich die Ortslage nördlich des Elzes etwa dort, wo die Kreisstraße 15 von Emmerstedt kommend an die B 1 anschließt. Heute zur Helmstedter Gemeindeflur gehörig, hatten im Mittelalter Emmerstedter Bauern Ackerflächen in Hohnstedt. Ein Flurname – Im Hohnstedter Winkel – erinnert auch hier an diese einstige Wohnstätte.[2]
Auf Veranlassung des damaligen Landesherrn, Herzog Carl I. (1735–1780), wurde im Lande Braunschweig eine Bestandsaufnahme gemacht. Die Generalvermessung aus dem Jahre 1752 weist für Emmerstedt eine Flurgröße von 3294 Morgen (823,5 ha) Kulturland aus. Ein Jahr später wurde die Brandversicherungsanstalt, Vorläuferin der Öffentlichen Versicherung Braunschweig, ins Leben gerufen. Alle Häuser mit zugehörigen Wirtschaftsgebäuden erhielten eine Versicherungsnummer (Assecuranznummer, kurz Ass.-Nr.), die in der Folge auch als Hausnummer genutzt wurde. Erst mit Einführung von Straßennamen und der Durchnummerierung der anliegenden Häuserzeilen Mitte der 1960er Jahre endete diese Zuordnung. Im Jahr 1774 lebten in Emmerstedt 440 Einwohner an 74 Feuerstellen. Haus- und Hofformen waren mitteldeutsch mit steinernen Toreinfahrten und zweigeschossigen Wohnhäusern in Fachwerkbauweise. Die meisten Gebäude stammten nach schweren Bränden zwischen 1817 und 1830 aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ältere Gebäude waren kaum noch vorhanden. 1837 erhielt Emmerstedt eine neue Kirche (Pfarrstelle ab 1903). 1896 erhielt Emmerstedt eine Bahnstation an der Strecke Helmstedt–Oebisfelde.[2]
Braunkohleabbau auf der Grube Emma
Ein Markstein in der Ortsgeschichte war die Eröffnung der Braunkohlegruben zwischen Barmke und Emmerstedt. Bereits Mitte des 18. Jahrhunderts wurde auf dem Gelände des heutigen Emmateiches, jenes durch den Braunkohleabbau entstandene Senkungsgebiet, Torf im sogenannten Pieperschen Moor angebaut. Über den Anfang des Torfstechens geben die Akten keinen Aufschluss. Sie fangen 1744 an und enden 1807 (Staatsarchiv Wolfenbüttel, FindNr. 50, Neu4, Nr. 8582). Im Jahre 1749 wurde ein Torfmagazin angelegt, 1763 stellt man Überlegungen an, weitere Flächen des Torfmoores zu entwässern zur Erweiterung des dortigen Torfstiches wegen des vermehrten Torfverbrauches des Salzwerkes Schöningen.[2]
Im Jahr 1794 reichte der Theologiestudent und spätere Unternehmer Johann Moritz Friedrich Koch ein Gesuch an den Braunschweiger Herzog Carl Wilhelm Ferdinand, in der Emmerstedter Feldmark Braun- und Erdkohlen graben zu dürfen und zwar dort, wo die Helmstedter Töpfer ihren Ton holten, ein. Gemeint sind das Gebiet Am Schwarzen Berg und das heutige Wohngebiet Tonwerke/Windmühlenberg.[2]
1806 kaufte Koch das Piepersche Torfmoor auf dem Sachtleben, um den Torf und die darunter liegende Alaunerde zur Vitriolgewinnung zu nutzen. Der Ankauf der nahe gelegenen Brunsohle, ein altes einsames Landgasthaus, dessen Gebäude schon sehr schadhaft waren und dem Einsturz drohten, scheiterte allerdings am zu niedrigen Kaufpreisangebot. Die Gebäude gingen an das Kloster Mariental, Pächter wurde der Gastwirt Schmidt.[2]
Zwischenzeitlich war das Herzogtum nun Teil des Königreiches Westphalen (1807–1813) und über die Aktivitäten im Pieperschen Moor in dieser Zeit ist nichts überliefert. Jedoch scheint es, dass Koch den Abbau weitergeführt hat, denn im Jahre 1815 wurde ihm zunächst verboten, weiterhin Vitriol zu sieden mit der Einschränkung, vorhandene Vorräte aufzubrauchen. 1816 erhielt Koch wiederum einen Vertrag über zwei Jahre, in dem die gesamte Produktion des Vitriols von der Herzoglichen Kammer zu einem Preis von 2 rt (Reichsthalern) 8 gg (Gutegroschen) pro Zentner (zu 114 Pfund) abgenommen wurde.[2]
Wie lange auf der Vitriolhütte produziert wurde, konnte bisher nicht genau ermittelt werden. Koch jedenfalls starb am 22. September 1856 in Helmstedt. Geblieben sind einige Gebäude der Vitriolhütte, zwischenzeitlich als Gut Emma und auch heute von dem neuen Besitzer landwirtschaftlich genutzt. Geblieben ist auch der Begriff Hüttenweg für die Verlängerung der Emmastraße von der Ortslage bis zu den genannten Gebäuden.[2]
Als der Kaufmann Wilhelm Suder Anfang der 1860er Jahre damit begann, zwischen Emmerstedt und Barmke Braunkohle abzubauen, kaufte er auch die Vitriolhütten und errichtet nebenan auf dem Feld Emma Tagebaugruben und einen Tiefbauschacht. Bereits 1852/53 ist er im Emmerstedter Brandkataster unter Ass.-Nr. 84 als Beisitzer eingetragen.[2]
Ein Kraftwerk, verbunden mit der Gründung der Überland-Zentrale Helmstedt AG (ÜZH), entstand im Jahre 1905. Ab 1906 wurden sowohl die Stadt Helmstedt als auch die umliegenden Ortschaften wie Emmerstedt mit Strom beliefert.[2]
„[…] und so brannte am 25. April zum ersten Mal elektrisches Licht auf den Dorfstraßen […]“
In mehreren Ausbaustufen wurden von 1905 bis 1912 Dampfturbinen mit einer Leistung von 3700 kW (=3,7 MW) in Betrieb genommen. Zum Vergleich: das Kraftwerk Buschhaus hat eine installierte Nettoleistung von 350 MW, also nahezu das Hundertfache. Der Strom aus der Steckdose brachte den vorwiegend von der Landwirtschaft geprägten Dörfern große Vorteile: größere Sicherheit durch die elektrische Glühlampe statt des offenen Lichtes von Petroleumlampen, Einsatz von elektrisch betriebenen Arbeitsmaschinen auf den Höfen und in den Werkstätten der Handwerksbetriebe. Insbesondere Drehmaschinen, angetrieben von großen Elektromotoren, brachten spürbare Erleichterungen für die Landwirte – und extreme Belastungen für die Stromproduzenten bei Spitzenbedarf, wie aus Berichten.[2]
Im Februar 1914 kauften die Braunschweigischen Kohlen-Bergwerke AG (BKB) das gesamte Aktienpaket der ÜZH und wurden damit gleichzeitig Eigentümer der Consolidierten Suderschen Braunkohlenwerke.[2]
Bis zum Jahre 1924 wurde auf der Grube Emma Kohle gefördert und das Kraftwerk betrieben. Der technische Fortschritt in der Kraftwerksentwicklung ist seitdem bemerkenswert; wurden in jenen Anfangsjahren der Stromerzeugung ca. fünf Kilogramm Braunkohle für eine Kilowattstunde benötigt, genügt heute in modernen Kraftwerken dafür etwa ein Kilogramm.[2]
Spuren dieser ein dreiviertel Jahrhundert währenden Bergbautätigkeit finden sich noch heute in der Gemarkung Emmerstedt: die Bruchlöcher in den Waldgebieten des Lohen und des Wittenberges, die Schneise der ehemaligen Seilbahn am nordöstlichen Fuß des Wittenberges zur Verladestation an der B 244 (später Forsthaus Seilbahn, abgebrochen für den Autobahnanschluss Helmstedt West), das ehemalige Betriebsgelände des Kraftwerks mit der Kühlturmtasse und dem Maschinenhaus sowie kleinere Tagebaurestlöcher und -teiche bei Barmke und um den Bereich Grube Emma sowie der Emmateich, Rast- und Brutplatz zahlreicher Wasservögel.[2]
Bekannt wurde die Grube Emma als Kulisse für den im Jahr 1973 gedrehten Spielfilm Stunde Null, der nach Ende des Zweiten Weltkrieges den Einzug der sowjetischen Armee in Sachsen nach dem Abzug der Amerikaner thematisiert. Auch einige Komparsen aus Emmerstedt wirkten hier mit.[2]
Mit dem Verkauf der ehemaligen Betriebsanlagen und Ländereien durch die E.ON ab 2007 war nunmehr die Geschichte der Kohlegewinnung in der Emmerstedter Flur zu Ende gegangen. Die Überlegungen der BKB für einen Tagebau Emmerstedt, die in den 1980er Jahren im Ort zu zahlreichen Protestaktionen Anlass gegeben hatten, wurden im Jahre 1997 endgültig aufgegeben.[2]
Ein Stück Emmerstedter Bergbautradition allerdings ist in jüngster Zeit in das Dorf zurückgekehrt. Die Vereinsfahne des im Jahre 1892 gegründeten Bergmannsvereins Vereinsglück der Grube Emma und der Grube Berta wurde beim Weihnachtsmarkt 2009 aus dem Fundus der ehemaligen BKB dem Ortsmuseum übereignet und war beim Festumzug im Jahre 2011 zu sehen. Wie lange der Bergmannsverein bestanden hat, ist nicht bekannt.[2]
Der Bergbau hat sicher auch die Planungen der Eisenbahnstrecke Helmstedt–Oebisfelde am Ende des 19. Jahrhunderts, mit der das obere Allertal und seine Steinbrüche erschlossen werden sollten, beeinflusst. Bot doch der Schienenweg eine preiswerte Alternative für den Absatz der Braunkohle, zumal die Zuckerfabrik in Weferlingen, Eigentümer Wilhelm Suder, an gleicher Bahnstrecke lag. Ursprünglich war nämlich auch eine Trassenführung durch das Helmstedter Brunnental über Beendorf nach Weferlingen angedacht worden.[2]
Dass die Strecke nicht durch das Dorf Emmerstedt geführt wurde, sollen die Hiesigen selbst verhindert haben. Ihre Befürchtungen, durch den Eisenbahnlärm würde „die Milchleistung der Kühe und die Fresslust der Schweine beeinträchtigt“ – so der zum Sachverständigen berufene Emmerstedter Barbier – soll dann zur Trassenführung nördlich der Ortslage Anlass gegeben haben. Die Gefahr, „an Atem-, Nerven- und Verdauungsstörungen sowie an Influenza zu erkranken“, hat letztendlich auch zu der Entscheidung geführt, den Bahnhof Emmerstedt auf Helmstedter Grund zu errichten. (Diese „gutachterlichen“ Ausführungen dürfen allerdings nicht so ernst genommen werden).[2]
Erster Weltkrieg
1914 brach der Erste Weltkrieg aus. Die Folgen, auch für die Menschen daheim, beschreibt Pastor Schattenberg in seiner Kirchenchronik.
„[…] Infolge der von England ausgeübten Blockade nehmen die Lebensmittel allmählich ab und mussten rationiert werden. Zuerst kam das Brot an die Reihe. […]“
Am 25. Februar 1916 wurde die evangelische Frauenhilfe gegründet und am 6. April desselben Jahres erstmals die Sommerzeit eingeführt. Das Jahr 1917 traf die Kirche: wurden zunächst die aus Zinn gegossenen Prospektpfeifen eingezogen, so war es kurze Zeit später die große Kirchenglocke, deren Metall Kriegszwecken zugeführt wurde.[2]
„[…] Dieses Jahr war für das Vaterland wegen der Knappheit von Lebensmitteln und Rohstoffen ein besonderes Notjahr. Nicht nur Brot und Mehl, sondern auch Fleisch (100 g pro Kopf und Woche, Butter 50 g), Milch, Zucker, Seife u. a. wurden nur noch auf Karten abgegeben. Sonnenblumen wurden angebaut und […] die reichlich gewachsenen Bucheckern gesammelt, um Öl zu gewinnen […]“
Bis zum Kriegsende 1918 und darüber hinaus bis zum Ende der Inflation im November 1923 hatten die Menschen entbehrungsreiche Zeiten zu durchstehen.[2]
„[…] Seit dem 6. November fahre ich 5 mal in der Woche als Bergmann der Grube Emma ein und kann nun meine aus sechs Köpfen bestehende Familie wieder ernähren. […] Meine Arbeiten in der Grube, so sauer es mir manchmal wird, haben auch den Vorteil, daß ich auf diese Weise einem großen Teil der Gemeinde näher komme, als es sonst möglich gewesen wäre. […]“
Ein erfreuliches Ereignis, das sich im Jahr 2011 wiederholte, war die Glockenweihe in der St.-Petri-Kirche. Hatte man im Jahr 1923 das Geld für zwei neue Stahlglocken zusammengebracht, so ersetzten nach weiteren 88 Jahren im Frühjahr 2011 zwei Bronzeglocken diese „Eisernen Ladys“. Am 5. August 1928 wurde ein Kriegerdenkmal eingeweiht, gewidmet den Toten des Ersten Weltkrieges. Ab 1931 etablierte sich der Nationalsozialismus mit seinen Gruppierungen auch in Emmerstedt und neues Unheil zieht auf.[2]
Zweiter Weltkrieg
Alle, die die schlimmen Jahres dieses Krieges erlebten – in Emmerstedt, an der Front, in den zerbombten Städten im Westen oder in der verlorenen Heimat im Osten – haben eigene Erfahrungen gemacht. Vieles wurde aufgeschrieben, erzählt oder lebt einfach in der Erinnerung weiter. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges mussten sich die Menschen erneut einschränken, mussten Opfer bringen, insbesondere jene die es aus der Ferne nach Emmerstedt verschlagen hatte. Emmerstedt wurde ihre neue Heimat, sie waren Emmerstedter geworden ohne zu vergessen, dass ihre Heimat einst im Kohlenpott, in Ostpreußen, Pommern oder Schlesien gelegen hat.[2]
„[…] Da unsere Kirchenglocken aus Eisen sind, brauchten wir sie nicht abzuliefern und sie läuten nach wie vor unsere Gottesdienste ein. […] Nachdem wir schon bei der Hermann-Göring-Versammlung 13 kg Metall abgegeben hatten, erfolgte auch die Bestandsaufnahme von Metallgegenständen in der Kirche. Wir gaben an den großen Kronleuchter und zwei Altarleuchter aus Messing, eine Taufkanne und ein Taufbecken aus Neusilber die Tauf- und Abendmahlsgeräte von 1838 aus Zinn, die letzteren haben jedoch kunstgeschichtlichen Wert. […] Am Sonntag, d. 20 Februar mittags gegen 1 Uhr überflogen mehrere Staffeln feindlicher Flieger unser Dorf und unsere Feldmark. Sie hatten unsere Nachbarstadt Helmstedt […] angegriffen […]. Etwa 150 Menschen wurden getötet. Unter den Getöteten befanden sich auch drei Emmerstedter […]. Mehrmals sind in der Feldmark Bomben niedergefallen, ohne jemanden zu treffen. Eine einzige Bombe fiel neben der Gemeindebäckerei nieder uns zerstörte die Giebelwand des Stalles. […]“
Nachkriegszeit
Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges – Deutschland hatte am 8. Mai 1945 kapituliert – mussten zahlreiche Menschen in Emmerstedt ein neues Zuhause finden. So stieg die Einwohnerzahl von 1322 im Jahr 1939 auf 2300 im Jahr 1946. Bei der Aufteilung des restlichen Reichsgebietes in vier Besatzungszonen 1945 hatte es Emmerstedt in die britische Zone, 1947 in die Bi-Zone und ab dem 17. März 1948 durch den Beitritt der französischen in die Tri-Zone verschlagen. Mit der Einführung der D-Mark wurde zudem der Beginn des Wirtschaftswunders eingeläutet. 1949 erfolgte die Gründung der Bundesrepublik Deutschland und damit verbunden eine deutliche Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen. Ein Jahr später konnten alle Waren frei gekauft werden, die letzten Rationierungen (Lebensmittelmarken) wurden am 1. Mai 1950 aufgehoben.[2]
Der herrschenden Wohnungsnot abzuhelfen, entstand ab 1954 das Baugebiet Rottensiedlung mit 25 sogenannten Landwirtschaftlichen Nebenerwerbs-Siedlungen für Flüchtlinge. Diese Siedlungsform sollte durch Hinzupachten von zwei Morgen Ackerland die Grundversorgung der Siedler sichern. So gehörte zu dem genormten Wohnhaus auch ein Nebengebäude für Schweine- und Kleintierhaltung. Ein Anfang. Viele Menschen konnten sich nun ein eigenes Heim schaffen, und so entstanden neben der Rottensiedlung weitere Baugebiete in Emmerstedt. Rege Bautätigkeiten auf der einstmals Emmerstedter Flur – heute Stadtgebiet Helmstedt – haben das Bild und den Charakter des Dorfes, ursächlich durch die Nähe zur Kernstadt bedingt, stark verändert.[2]
Waren die Baugebiete Blumensiedlung und Vogelsiedlung – offiziell Emmerstedt Nord – sowie das Industriegebiet Emmerstedt Ost im Werden, so ist auch nach dem Jubiläumsjahr 1986 noch vieles entstanden, das hier kurz beleuchtet werden soll.[2]
Rottlande
Im Jahr 1998 entschied die Stadtverwaltung, im Norden der Ortslage Emmerstedt ein neues Baugebiet zu erschließen und bauwilligen Neubürgern rund 50 Bauplätze anzubieten. Die Straßennamen Haspelweg und Spindelweg sollten an die alte Leinewebertradition erinnern, die seinerzeit zahlreichen Bewohnern im Dorf ein bescheidenes Einkommen ermöglichte. Die Flurbezeichnung Im Rottlande, die der Ringstraße in diesem Baugebiet ihren Namen gab, weist auf die Rodung des ursprünglich hier vorhandenen Waldes (Stühholz) hin, der in grauer Vorzeit bis an die nördliche Ortsgrenze heranreichte und wohl auch als Hudewald genutzt wurde, heißt doch die nördlich der Lüneburger Heerstraße angrenzende Flur Fewelsberg, was ebendieser Bedeutung entspricht. Eine ehemalige Obstwiese, nunmehr als Grünanlage ausgewiesen und ein Kinderspielplatz auf dem zuvor hier gelegenen Schießstand bieten der jungen Generation Freizeitmöglichkeiten abseits der Hauptverkehrsstraßen.[2]
Kreipke
Mitte der 1980er Jahre begannen die Planungen für dieses Baugebiet westlich der Firma Mensch. Der Name der Anliegerstraße Kreipke entspricht auch hier der alten Flurbezeichnung und leitet sich her aus dem Begriff Kreike, eine kleine Pflaumenart, auch Kriechpflaume, hier wiederum abgeleitet aus niederdeutsch kreipen / kruupen = kriechen. Im Jahr 1993 war die Bebauung weitgehend abgeschlossen.[2]
Am Schwarzen Berg
Dieses Gebiet liegt nordwestlich von Helmstedt und östlich der Siedlung Tonwerke. Am Schwarzen Berg, Fassweg und Quittenweg sind die Straßenbezeichnungen dieses jüngsten Wohnbaugebietes in der Emmerstedter Gemarkung. Sie erinnern an die Flurbezeichnungen des Baugebietes, das frühere Vorhandensein einer Fassfabrik bei den Tonwerken und die Quitte als häufig hier vorkommende Wildfrucht.[2]
An der Blume
Hergeleitet von der einstmals bekannten Gaststätte gleichen Namens entstand hinter diesem Anwesen ein kleines Baugebiet. Bereits Ende 1979 wurden die ersten Grundstücke in Vorbereitung auf den geplanten Wohnungsbau verkauft. Im Juli 1980 wurde mit dem Straßenbau begonnen, die Erschließung der Baugrundstücke erfolgte dann ab Juni 1981.[2]
Zwischen Steinberg – mit 143,5 m die höchste Erhebung in der Emmerstedter Flur – und dem Wohngebiet Windmühlenberg gelegen, wurde ab 1994 ein Industriegebiet erschlossen. Die Straßennamen Am Lohen, Steinbergstraße und Kaisergraben haben Bezug zu den angrenzenden Flurbezeichnungen.[2]
Herkunft des Ortsnamens
Das Kirchdorf Emmerstedt, einst Filia von Marienberg, wird urkundlich schon 1186 als Emerstide erwähnt. 1224 schrieb man dann Emmerstide, 1232 Emmerstede und dann 1360 Emberstidde. Die ersten Silben des Ortes kommen von der Person Emher, die letzte Silbe -stedt heißt im Althochdeutschen -stat, was soviel wie Ort oder Stätte bedeutet.[3]
Gegenwart
Seit 1990 wird an Bürger des Ortes für herausragende Leistungen im sportlichen Bereich sowie für die Gemeinschaftspflege das Emmerstedter Dankzeichen verliehen. 2011 wurde eine Idee des Ortsrates durch die Mithilfe aller Vereine in die Tat umgesetzt, es wurde erstmals ein Maibaum aufgestellt.
Einwohnerentwicklung
Jahr | Einwohner |
---|---|
1905 | 1.229 |
1939 | 1.322 |
1945 | 2.636 |
1974 | 2.045 |
1986 | 1.890 |
1996 | 2.261 |
1999 | 2.265 |
2000 | 2.363 |
2001 | 2.346 |
2002 | 2.312 |
2003 | 2.269 |
2004 | 2.286 |
2005 | 2.275 |
2006 | 2.265 |
2007 | 2.247 |
2008 | 2.215 |
2009 | 2.155 |
2010 | 2.129 |
Kultur
Der „Museumshof Emmerstedt“ stellt die Landwirtschaft und das örtliche Handwerk vergangener Zeiten vor. Zudem wird die Ortsgeschichte von Emmerstedt dargestellt. Am Eversplatz steht ein Öffentlicher Bücherschrank.
Politik
Ortsrat
Der Ortsrat von Emmerstedt zählt neun Mitglieder. Die Sitzverteilung stellt sich seit der letzten Kommunalwahl am 12. September 2021 wie folgt dar:
Parteien und Wählergemeinschaften | % 2016 |
Sitze 2016 |
% 2011 |
Sitze 2011 |
% 2006 |
Sitze 2006 | |
SPD | Sozialdemokratische Partei Deutschlands | 51,20 | 5 | 56,51 | 5 | 53,18 | 5 |
CDU | Christlich Demokratische Union Deutschlands | 35,60 | 3 | 32,58 | 3 | 36,28 | 3 |
NPD | Nationaldemokratische Partei Deutschlands | 10,10 | 1 | 7,27 | 1 | 10,54 | 1 |
LINKE | Die Linke | 3,10 | – | 3,65 | – | ||
gesamt | 100 | 9 | 100 | 9 | 100 | 9 | |
Wahlbeteiligung in % | 61,22 % | 53,36 % |
Bürgermeister
Ortsbürgermeister ist Hans-Jürgen Schünemann (SPD).
Ofeld
Ungefähr zwei Kilometer südlich von Emmerstedt gelegen befindet sich der Heidberg, auf dem ein Gedenkstein zu finden ist. Erstmals erwähnt wurde dort Ofeld Avelda als Siedlung um 963, Avelde um 1160 und Ovelde 1422. Diese Siedlung ist dann später abgebrannt und wurde woanders errichtet (jetziger Standort von Emmerstedt).
Brunsole
Brunsole ist ein zu Emmerstedt gehörender Wohnplatz, an der Straße von Emmerstedt nach Barmke gelegen. Früher befand sich dort das Gasthaus Zur Brunsole.
Verkehr
Emmerstedt liegt an der ausschließlich von Güterzügen befahrenen Bahnstrecke Helmstedt–Oebisfelde.
Einzelnachweise
- Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27.5.1970 bis 31.12.1982. W. Kohlhammer, Stuttgart/Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 272.
- Sabine Burchardt, Katja Diedrich, Gerhard Kaminski, Gerhard Loos, Irena Tarant: Emmerstedt in Geschichte und Gegenwart – Eine Festschrift zur 825-Jahrfeier 2011. Januar 2011.
- Blickpunkte – Ostfalen Magazin, Henning Schwannecke (Hrsg.): Die Heimatseite – Emmerstedt Helmstedt, Ausgabe 2/2016, S. 18–19.
- https://www.stadt-helmstedt.de/fileadmin/user_upload/01_Rathaus/Wahlen/Kommunalwahl2021/Ergebnisse/WebApp/gw2021ore.html