Elizabeth Holmes
Elizabeth Holmes (* 3. Februar 1984 in Washington, D.C.) ist eine ehemalige US-amerikanische Biotechnologie-Unternehmerin. Sie war Geschäftsführerin des Laborunternehmens Theranos. Zur Unternehmensgründung brach sie 2003 ihr Studium an der Stanford University ab und hielt später einen Anteil von 50 % an dem Unternehmen. Das Time-Magazin zählte sie 2015 zu den hundert einflussreichsten Personen der Welt[1] und sie galt als weiblicher Steve Jobs.[2] Im selben Jahr wurde durch Medienberichte deutlich, dass das Kernprodukt des Blutlabor-Unternehmens, ein Blutschnelltester, der angeblich 240 Krankheiten nachweisen konnte, weitgehend unwirksam ist und dies Holmes bewusst war.[3] Holmes’ Vermögen wurde 2015 auf 4,5 Mrd. US-Dollar geschätzt; jedoch im Jahr darauf von Forbes mit 0 bewertet.[4]
Die US-Börsenaufsicht beschuldigte Holmes im März 2018, dass es sich bei ihrem Unternehmen um einen groß angelegten Betrug handle. Sie wurde als Chefin abgelöst und ihr wurde für die nächsten zehn Jahre untersagt, ein börsennotiertes Unternehmen zu leiten. Es war Theranos auch danach nicht möglich, ein funktionierendes, einwandfreies Produkt auf den Markt zu bringen. Die Firma wurde am 4. September 2018 geschlossen.
Im Juni 2018 erhob eine Grand Jury Anklage gegen Holmes; das Strafverfahren wurde nach Verzögerungen am 31. August 2021 eröffnet. Am 3. Januar 2022 wurde Holmes in vier von elf Anklagepunkten schuldig gesprochen. Das Strafmaß soll aber voraussichtlich erst am 12. September 2022 verkündet werden; theoretisch sind vier Mal 20 Jahre möglich.[5]
Theranos
Gründung und Expansion
Holmes gründete das Unternehmen Theranos 2003, um ihre Idee eines schnellen und günstigen Bluttests zu verwirklichen. Nach eigenen Angaben verwendete das Unternehmen Gentests anstatt Nährböden, um Blut auf Bakterien und Viren zu untersuchen.[6][7] Die Idee hinter Theranos war, Untersuchungsmethoden kostengünstiger als die der Konkurrenz und für Patienten weniger belastend anzubieten. Dies sollte durch einen eigens entwickelten Blutabnahmestift ermöglicht werden, der nur einige Mikroliter Blut entnehmen würde und mittels dessen anschließend bis zu 70 verschiedene Tests durchgeführt werden könnten.[8]
Im Juli 2011 holte Holmes den vormaligen US-Außenminister George Shultz in den Aufsichtsrat von Theranos.[9] Dieser gewann im Laufe der folgenden drei Jahre weitere Ex-Politiker und -Militärs für das Gremium, darunter William Perry, Henry Kissinger, Sam Nunn, Bill Frist, Gary Roughead (Admiral a. D., USN), James N. Mattis (damals General, USMC), Richard Kovacevich (ehem. Wells-Fargo-Chairman und CEO) und Riley Bechtel (ehem. CEO der Bechtel Group).[9][10][11]
Ende 2015 hatte Theranos fast 800 Mitarbeiter.[12] Zu den Investoren gehörten unter anderem: Rupert Murdoch mit 125 Mio. USD, Alice Walton und Betsy DeVos mit je 100 Mio. USD, Henry Kissinger mit 3 Mio. USD und James N. Mattis mit 85.000 USD.[13]
Niedergang
Seit im Oktober 2015 in einem Artikel des Wall Street Journals[14] die ersten Zweifel an der Wirksamkeit ihres Bluttest-Apparates Edison aufkamen, ermittelten mehrere US-Behörden von US-Börsenaufsicht (SEC) bis zur FDA gegen Holmes. Von Fachleuten wird besonders kritisiert, dass es einen wesentlichen Unterschied zwischen Blut aus den Fingerspitzen und den Venen gebe und daher diese Methode für die beschriebenen Anwendungen wenig oder nicht geeignet sei.[15][16] Der Bluttest-Apparat Edison in der Größe eines Tisch-Kopierers sollte mit den geringen Mengen Blut rund 240 verschiedene Tests durchführen können. Letztlich konnte der Apparat jedoch treffsicher nur Herpes nachweisen. Der Reporter des Wall Street Journal hatte aufgedeckt, dass das Unternehmen im Hintergrund heimlich Analyse-Geräte von Siemens benutzt hatte. Holmes bestritt den Fakt entschieden. Jedoch gingen etliche Mitarbeiter der Firma an die Öffentlichkeit, weil das Gerät in der Praxis fortwährend falsche Ergebnisse lieferte und sie den Betrug nicht decken wollten.[3]
2016 verbot die amerikanische Aufsichtsbehörde Holmes die Arbeit in oder an einer Firma für Labortechnik.[17][18] Am 7. Juli 2016 gab das Unternehmen bekannt, dass die Aufsichtsbehörde Centers for Medicare & Medicaid Services (CMS) den Eigentümern und Betreibern von Theranos für zwei Jahre die Lizenz zum Betrieb eines Bluttest-Labors in Kalifornien entzogen hat.[19]
Anfang 2017 kündigte Theranos einen massiven Personalabbau an.[12]
Am 14. März 2018 reichte die US-Regulierungsbehörde SEC bei einem Bezirksgericht im US-Bundesstaat Kalifornien eine Beschwerde gegen Holmes ein. Der Vorwurf lautet auf Wertpapierbetrug. Holmes habe gewusst, dass die meisten Bluttests der Firma Theranos nicht von einem eigens entwickelten Blutanalysegerät, sondern mit Hilfe von Geräten von Drittanbietern analysiert worden waren. Gleichwohl habe sie potenziellen Investoren gegenüber den Eindruck erweckt, dass die Tests mit Hilfe ihrer Eigenentwicklung durchgeführt wurden und sich durch diese und andere falsche Angaben wissentlich oder grob fahrlässig Investorengelder in dreistelliger Millionenhöhe gesichert.[20][21] Holmes einigte sich mit der Börsenaufsicht im Rahmen eines Vergleiches unter anderem auf die Zahlung von 500.000 US-Dollar Strafe und die Verpflichtung, zehn Jahre lang kein börsennotiertes Unternehmen zu leiten. Im Zuge dessen übertrug sie 18,9 Millionen eigener stimmberechtigter Aktien an Theranos, um die Kontrolle über das Unternehmen abzugeben.[22][23][24]
Im April 2018 wurde einem Großteil der verbliebenen 125 Mitarbeiter gekündigt.[12] Die meisten der letzten zwei Dutzend Angestellten wurden zum 31. August 2018 entlassen. Das Bluttest-Startup Theranos wurde am 4. September 2018 endgültig geschlossen.[25]
Strafverfahren
Im Juni 2018 wurde gegen Holmes und den ehemaligen Präsidenten und Vorstand von Theranos, Ramesh Balwani, Anklage wegen Betruges an Investoren und Kunden erhoben.[26] Das Verfahren verzögerte sich erheblich durch die COVID-19-Pandemie. Das zuständige Gericht entschied, dass das Verfahren gegen Balwani abgetrennt und erst nach Beendigung des Verfahrens gegen Holmes aufgenommen wird. Obwohl das Gericht die zur Last gelegten Vorwürfe noch ausweitete und der Strafrahmen bis 20 Jahre Gefängnis reicht, blieben beide Angeklagten auf freiem Fuß.[27] Der Prozess gegen Holmes sollte am 13. Juli 2021 beginnen. Aufgrund einer zuvor geheim gehaltenen Schwangerschaft Holmes’ und der Niederkunft im Juli 2021 wurde der Prozessbeginn mit der Auswahl der Geschworenen auf den 31. August 2021 verschoben.[28][29]
Die Verhandlung wurde am 1. September 2021 in San Jose eröffnet. Die Staatsanwaltschaft lud 29 Zeugen, die Verteidigung lediglich drei. Zur allgemeinen Überraschung trat Holmes am Schluss auch selbst in den Zeugenstand, nachdem sie drei Monate geschwiegen hatte; sie bestritt im Wesentlichen alle Vorwürfe.[30] Die Verhandlung endete am 16. Dezember 2021 mit den Plädoyers von Anklage und Verteidigung.[31] Am 3. Januar 2022 wurde Holmes in vier von elf Anklagepunkten schuldig gesprochen, die ihr Betrug an Investoren vorwerfen. Freigesprochen wurde sie in vier Fällen, die ihr Betrug an Patienten durch die jeweiligen Testresultate zur Last legen. In drei Punkten, in denen es ebenfalls um Betrug an Investoren geht, konnten sich die Geschworenen auch nach wiederholter Beratung nicht einigen.[32][33][34] Anklage und Verteidigung haben vorgeschlagen, dass das Strafmaß erst am 12. September 2022 verkündet werden soll; theoretisch sind vier Mal 20 Jahre möglich, wobei aber in Kalifornien die Strafen parallel abgegolten werden können. Ohnehin gehen US-Prozessbeobachter davon aus, dass das Strafmaß deutlich geringer ausfallen wird.[5] Bis zur Strafmaßverkündung bleibt Holmes nach wie vor gegen Kaution auf freiem Fuß.
Vermögen
Vom US-amerikanischen Wirtschaftsmagazin Forbes wurde Holmes’ Vermögen 2015 auf ca. 4,5 Mrd. US-Dollar geschätzt. Damit belegte sie auf der Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt 2015 Platz 360.[35]
Im Juni 2016 bezifferte Forbes jedoch den Wert von Theranos auf 800 Mio. US-Dollar und korrigierte Holmes’ geschätztes Aktienvermögen entsprechend auf null, da ihr zwar 50 % des Unternehmens gehörten, sie jedoch im Gegensatz zu anderen Investoren keine Vorzugsanteile hielt und somit im Falle einer Liquidierung des Unternehmens leer ausginge.[36][37]
Literatur
- John Carreyrou: Bad Blood. Die wahre Geschichte des größten Betrugs im Silicon Valley. 2. Auflage. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2019, ISBN 978-3-421-04823-3 (Mit Anmerkungen und Register).
- Amerikanische Originalausgabe: Bad Blood. Secrets and Lies in a Silicon Valley Startup. Alfred A. Knopf, New York 2018, ISBN 9781524731656.
Filme und Serien
- Die Erfinderin – Böses Blut im Silicon Valley, Dokumentarfilm, USA, 2019
- The Dropout, Miniserie, USA, 2022
Apple TV+ plant zudem die Produktion einer Verfilmung des Stoffs durch Regisseur Adam McKay mit Schauspielerin Jennifer Lawrence in der Hauptrolle auf Grundlage des Buchs „Bad Blood“ von John Carreyrou.[38]
Weblinks
- Theranos-Webseite (Webarchiv)
- Interview mit John Carreyrou, der für das Wall Street Journal den Betrug öffentlich gemacht hat und später das Buch Bad Blood über Theranos geschrieben hat (englisch)
- ‘People wanted to believe’: reporter who exposed Theranos on Elizabeth Holmes’ trial Interview mit John Carreyrou in the Guardian
Einzelnachweise
- Henry A. Kissinger: Elizabeth Holmes. In: TIME. Abgerufen am 4. Januar 2022 (englisch).
- Kathrin Werner: Bluttests: Umstrittene Aufsteigerin. In: Süddeutsche Zeitung (SZ). Abgerufen am 4. Januar 2022.
- Marcus Schuler: Theranos-Gründerin Holmes wegen Betrugs vor Gericht. In: tagesschau.de. Abgerufen am 31. August 2021.
- Startup-Milliardärin Holmes: Von 4,5 Milliarden auf Null. In: tagesschau.de. Abgerufen am 31. August 2021.
- Strafmaß für Bluttest-Unternehmerin Holmes erst im September. Abgerufen am 12. Januar 2022.
- Caitlin Roper: This Woman Invented a Way to Run 30 Lab Tests on Only One Drop of Blood. In: Wired Magazine (online). 18. Februar 2014, abgerufen am 3. Oktober 2014 (englisch).
- Kevin Loria: This Woman's Revolutionary Idea Made Her A Billionaire — And Could Change Medicine. In: Business Insider. 29. September 2014, abgerufen am 3. Oktober 2014 (englisch).
- Die blutige Karriere von Amerikas jüngster Selfmade-Milliardärin. Manager Magazin. 22. Oktober 2014. Abgerufen am 3. April 2015.
- Parloff, Roger: A singular board at Theranos. In: Fortune. 12. Juni 2014. Abgerufen am 11. Mai 2016.
- Ron Leuty: Theranos adds Kovacevich to all-star board. In: San Francisco Business Times, 2. August 2013. Abgerufen am 9. März 2014.
- Ron Leuty: Quiet Theranos adds former Wells chief Kovacevich, 'Mad Dog' Mattis to power-packed board. In: San Francisco Business Times, 29. Juli 2013. Abgerufen am 9. März 2014.
- Wegen Betrug: Bluttest-Start-up entlässt fast alle Mitarbeiter. In: Spiegel Online. 11. April 2018, abgerufen am 10. Juni 2018.
- Harriet Alexander: Meet the Theranos investors defrauded out of millions. In: dailymail.co.uk. 5. Januar 2022, abgerufen am 8. Januar 2022.
- John Carreyrou: Hot Startup Theranos Has Struggled With Its Blood-Test Technology. In: The Wall Street Journal, 16. Oktober 2015 (englisch).
- Alexander Demling: Theranos-Gründerin Elizabeth Holmes: Der tiefe Fall der Selfmade-Milliardärin. In: Spiegel Online. 27. April 2016, abgerufen am 8. Mai 2020.
- Norman A. Paradis: The Rise and Fall of Theranos. In: scientificamerican.com. 22. April 2016, abgerufen am 8. Mai 2020 (englisch).
- Lydia Ramsey Pflanzer: US regulators want to bar Elizabeth Holmes from Theranos for 2 years. Abgerufen am 2. April 2021.
- Reed Abelson, Andrew Pollack: Theranos Under Fire as U.S. Threatens Crippling Sanctions. In: The New York Times. 13. April 2016, ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 2. April 2021]).
- Theranos. (Nicht mehr online verfügbar.) In: theranos.com. Archiviert vom Original am 8. Juli 2016; abgerufen am 8. Juli 2016.
- hej: Elizabeth Holmes: US-Börsenaufsicht stellt Betrug bei Bluttest-Startup fest. In: Spiegel Online. 14. März 2018, abgerufen am 8. Mai 2020.
- United States District Court for the Northern District of California, 14. März 2018: Securities and Exchange Commission v. Elizabeth Holmes and Theranos, Inc., abgerufen am 14. März 2018.
- Lydia Ramsey: SEC Charges Theranos Founder Elizabeth Holmes With 'Massive Fraud'. In: inc.com. 14. März 2018, abgerufen am 8. Mai 2020.
- Katharina Koerth: Elizabeth Holmes und Theranos: Das neue Leben der mutmaßlichen Bluttest-Betrügerin. In: Spiegel Online. 27. April 2019, abgerufen am 8. Mai 2020.
- SEC.gov | Theranos, CEO Holmes, and Former President Balwani Charged With Massive Fraud. Abgerufen am 23. August 2020.
- Betrugs-Start-up macht dicht. In: Tages-Anzeiger, 5. September 2018, abgerufen am 6. September 2018.
- Elizabeth Holmes, founder of blood-testing company Theranos, indicted on wire fraud charges. In: Washington Post. 15. Juni 2018, abgerufen am 20. März 2019 (englisch).
- U.S. v. Elizabeth Holmes, et al. In: justice.gov. Abgerufen am 5. April 2021 (Stand 05.04.2021).
- Elizabeth Holmes trial pushed to August following surprise pregnancy announcement. Abgerufen am 5. April 2021.
- Elizabeth Holmes: Gefallene Gründerin. In: ZEIT ONLINE. 31. August 2021, abgerufen am 1. September 2021.
- Voll auf Risiko in den Zeugenstand. In: faz.net. Abgerufen am 18. Dezember 2021.
- Elizabeth Holmes chose ‘fraud over failure’, prosecutors say in Theranos closing arguments theguardian.com, 16. Dezember 2021.
- Elizabeth Holmes found guilty on four out of 11 federal charges. In: cnn.com. Abgerufen am 4. Januar 2022.
- Elizabeth Holmes trial: jury finds Theranos founder guilty on four fraud counts. In: theguardian.com. Abgerufen am 4. Januar 2022.
- Elizabeth Holmes verdict: Former Theranos CEO is found guilty on 4 counts. In: npr.org. Abgerufen am 4. Januar 2022.
- Elizabeth Holmes. Abgerufen am 4. Januar 2022 (englisch).
- Matthew Herper: From $4.5 Billion To Nothing: Forbes Revises Estimated Net Worth Of Theranos Founder Elizabeth Holmes. In: Forbes. Abgerufen am 1. Juni 2016.
- nab./lid./dpa/AFP: Gestern Milliardärin – heute ohne Vermögen. In: FAZ.net. 2. Juni 2016, abgerufen am 8. Mai 2020.
- Jennifer Lawrence in „Bad Blood“ als Elizabeth Holmes. In: Frankfurter Rundschau. 8. Dezember 2021, abgerufen am 14. Februar 2021.