Elizabeth B. Snyder
Elizabeth B. Snyder (eigentlich Ursula Maria Waltraud Tilch; * 30. August 1923 in Breslau) ist eine deutsche Bildende Künstlerin und Sängerin.
Leben
Die Kindheit erlebte Snyder in Breslau. Nach der Vertreibung ihrer Familie aus Schlesien verbrachte sie die Jugendzeit in Mistelbach. Sie war zunächst als Journalistin tätig, engagierte sich dann 28 Jahre lang als Sonderchorsängerin der Richard-Wagner-Festspiele in Bayreuth. Ihre audiovisuellen und künstlerischen Arbeiten blieben zunächst auf das lokale Umfeld begrenzt. Erst seit 2003 wendet sie sich mit ihren Werken an eine breitere Öffentlichkeit und bedient sich dafür des leicht geänderten Nachnamens eines nach Amerika emigrierten Onkels sowie ihres Firmnamens[1], um diese Schaffensphase von ihrem Engagement als Sängerin abzugrenzen. Gegenwärtig setzt sie sich mit einem wissenschaftstheoretisch beeinflussten Kunstbegriff auseinander, der außerhalb des bislang von ihr bearbeiteten Technik-Ästhetizismus angesiedelt ist. Insbesondere befasst sie sich mit Fragestellungen, die über die von René Descartes eingeführte Trennung von Natur- und Geisteswissenschaften hinausweisen. Dieses Interesse mündete 2012 in der Mitarbeit bei der E-Zeitschrift Astacus astacus[2], wo Snyder bis Band XVI/2019[3] als Schriftleiterin und Mitherausgeberin wirkte.
Kunstbegriff
Arbeitsmethodik
Die Hauptthemen ihrer an die Techniken des deutschen Surrealisten Max Ernst angelehnten Arbeiten sind symbolische Umsetzungen der Gefährdungen des Menschen durch Technik. In einem Interview über ihre Arbeitsweise zitierte sie Max Ernst folgendermaßen: „Die Technik der Collage ist die systematische Ausbeutung des zufälligen Zusammentreffens von wesensfremden Realitäten auf einem Blatt Papier, wobei dieses Zusammentreffen durchaus künstlich provoziert sein darf. - Und genau so verhält es sich bei meinen Arbeiten. Dadurch, dass ich wesensfremde Realitäten miteinander verbinde, entsteht im Betrachter der Funke einer Idee von Verhältnisbeziehungen, die er so und in dieser Weise vorher nicht wahrgenommen hat.“[4] Aufgrund ihrer Beschäftigung mit den ostafrikanischen Kulturen ging sie ab 2011 dazu über, ausgewählte Collagen differenzierten Übermalungen zu unterziehen. Diese erinnern an die ikonographischen Bildwerke der klassisch äthiopischen Sakralkunst, wie sie nach der Erbauung der Felsenkirchen Lalibelas vom 13. bis zum 15. Jahrhundert gepflegt wurde.
Philosophie
Die Künstlerin sieht ihre Aufgabe darin, beim Betrachter systematisch auf Gelegenheiten hin zu schaffen, die in ihm Ideen von Kontexten und unerwarteten Verbindungen erwecken können, die ihm ohne ihre künstlerische Arbeit nicht zugewachsen wären. Sie sieht sich als Befürworterin eines bescheidenen In-der-Welt-Seins, da sie von der geistigen und moralischen Unreife des Homo sapiens überzeugt ist. „Das Bindeglied zwischen den Menschenaffen und den Menschen, das sind wir, der Homo sapiens. Der Weg zum Menschen ist noch weit.“[5] Für sie als engagierte Katholikin, die sich im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils für die Erhaltung der Natur als gottgegebenen Lebensraum des Menschen aktiv einsetzt, stellt sich die Raumfahrt dar als ultimativer Ausdruck eines von technikenthusiastischer Naturwissenschaft getriebenen Strebens nach immer mehr, immer weiter, immer höher. „Wohin uns dieses Streben gebracht hat, sieht zum ersten Mal in aller Deutlichkeit erst unsere Generation. (…) Leider verschlimmern sich unsere Probleme mit jeder technischen Anstrengung und jeder Innovation nur noch weiter. Wir stehen vor ökologischen Umwälzungen, die auch noch unsere Kinder und Enkel betreffen. Gleichzeitig hinterlassen wir ihnen atomaren Müll, der in Zehntausenden von Jahren immer noch hochgefährlich sein wird. (…) Die Naturwissenschaft kann uns genau sagen, wie man ein Atomkraftwerk baut, wie man es in Betrieb hält, sogar, was es kostet. Aber ob es gut ist, ein Atomkraftwerk zu bauen, das kann sie uns nicht sagen.“[6] Aus diesem Grund plädiert Snyder für intensive Arbeit an einer gegenseitigen Bezogenheit von Natur- und Geisteswissenschaften in der Weise wie sie Alfred North Whitehead postulierte, sowie für Prädisziplinarität im Sinne von Hermann Schrödter, um so zu einem reifen, nachhaltigen Umgang mit der Ökosphäre zu gelangen.
Werke (exemplarische Auswahl)
- Odyssee, 1998, Collage, 40 × 55
- Rocketchurch, 1998, Collage, 65 × 55
- Sibyllen, 2003, Collage, 55 × 45
- Megatod, 2009, Collage, 80 × 55
- Täwahdo, 2011, Collage, 65 × 45.
Mitwirkung bei TV-Sendungen
- ARD-alpha, 2003: Weltmacht USA – Historische und aktuelle Perspektiven, 87'47" min, dreiteilig.
- ARD-alpha, 2004: Wohin steuert Indonesien? – Ängste, Spannungen und Hoffnungen eines Vielvölkerstaates, 88'50" min, dreiteilig.
- BR, 2004: Mit der Kirche im Dorf – Bilder vom katholischen Leben in Bayern, 43'30" min.
- K-TV, 2006: Planet des Lebens – Bali/Java, 3'44" min.
- ARD-alpha, 2006: Das Zweite Vatikanische Konzil: Ereignis – Rezeption – Zukunft, 59'13" min, zweiteilig.
- Sibyllen im Herkules, 26'30", 2011.
Literatur
- Thaddaios Apostolos Alexander: „Der Wahnsinn irdisch-profitgierigen Denkens“ – Was Raumfahrt und Literatur miteinander zu tun haben. Interview mit Elizabeth B. Snyder, in: Perry Rhodan. 2342, Journal Nr. 99, Beilage zu Band 43 der Serie Terranova, Red.: Hartmut Kasper, Pabel-Moewig Verlag, Rastatt 2006, S. 8–11.
- Thaddaios Apostolos Alexander: Schöpfung oder Evolution? – „Ein überflüssiger Streit greift um sich“. Interview mit Elizabeth B. Snyder, in: Perry Rhodan. 2422, Journal Nr. 113, Beilage zu Band 23 der Serie Negasphäre, Red.: Hartmut Kasper, Pabel-Moewig Verlag, Rastatt 2008, S. 7–9.
- Philip Thoel: Der Alptraum unserer verspielten Zukunft. Ein Gespräch mit der Künstlerin Elizabeth B. Snyder, in: Sascha Mamczak, Wolfgang Jeschke (Hrsg.): Das Science Fiction Jahr 2010. Wilhelm Heyne Verlag, München 2010, ISBN 978-3-453-52681-5, S. 618–632.
- „Das Wesen der Wissenschaft - Interview mit Reinhard Genzel und Elizabeth B. Snyder“, in: Uranus. Astronomie in Augsburg # 86, Astronomische Vereinigung Augsburg e. V., ISSN 1618-6362, Augsburg 2014, S. 4–11.
- Ursula Tilch: Hagiotop und Cosmologic turn. Paläotheologie á la Alexander Seibold, in: Astacus astacus. Splitter zu Philosophie und Kultur XVIII/2020, Paleotheological studies I, ISSN 2194-7805.
Anmerkungen und Einzelnachweise
- Die Firmlinge in der Matthias-Universitätskirche (ehem. Jesuitenkirche "Zum heiligen Namen Jesu", heute umgeben von den Instituten der Uniwersytet Wrocławski) wählten sich vor der Spendung des Firmsakraments durch Adolf Johannes Kardinal Bertram auf dessen Wunsch einen Firmnamen. Ursula Maria Waltraud Tilch entschied sich für den Vornamen ihrer Mutter: Elisabeth.
- Breitenwirkung erfuhr die Philosophiezeitschrift, als Linus Hauser den Terminus Cosmologic turn für den Band "Kritik der neomythischen Vernunft. Die Fiktionen der science auf dem Weg in das 21. Jahrhundert", Schöningh, Paderborn 2016, S. 225, ISBN 978-3-506-78197-0, aufgriff, sowie durch die Verwendung des Begriffs durch Harald Lesch in der ARD-alpha-Sendung Die Welt als Schöpfung, Erstausstrahlung 25.6.2017 (19.15 Uhr), Wh. 2.7.2017 (13.15 Uhr); vgl.: Alexander Seibold, "Ein Cosmologic turn in der Theologie. Die Rettung von Gottesbild und Heilsplan in der Narration", in: Astacus astacus. Splitter zu Philosophie und Kultur VI/2014, Kosmologische Wende?!, S. 33–55, ISSN 2194-7805.
- Astacus astacus. Splitter zu Philosophie und Kultur XVI/2019, Hagiotop – ein Terminus für den interreligiösen Dialog?, ISSN 2194-7805.
- Philip Thoel: Der Alptraum unserer verspielten Zukunft. Ein Gespräch mit der Künstlerin Elizabeth B. Snyder, in: Sascha Mamczak, Wolfgang Jeschke (Hrsg.): Das Science Fiction Jahr 2010. Wilhelm Heyne Verlag, München 2010, ISBN 978-3-453-52681-5, S. 619.
- Elizabeth B. Snyder bezieht sich in dem hier wiedergegebenen Interviewausschnitt auf einen aus dem Gedächtnis zitierten Text von Konrad Lorenz; vgl. Philip Thoel: Der Alptraum unserer verspielten Zukunft. Ein Gespräch mit der Künstlerin Elizabeth B. Snyder, in: Sascha Mamczak, Wolfgang Jeschke (Hrsg.): Das Science Fiction Jahr 2010. Wilhelm Heyne Verlag, München 2010, ISBN 978-3-453-52681-5, S. 628.
- Philip Thoel: Der Alptraum unserer verspielten Zukunft. Ein Gespräch mit der Künstlerin Elizabeth B. Snyder, in: Sascha Mamczak, Wolfgang Jeschke (Hrsg.): Das Science Fiction Jahr 2010. Wilhelm Heyne Verlag, München 2010, ISBN 978-3-453-52681-5, S. 628f.