Elena Kats-Chernin
Elena Kats-Chernin (* 4. November 1957 in Taschkent) ist eine usbekisch-australische Komponistin.
Leben
Elena Kats-Chernin wuchs ab dem Alter von vier Jahren in Jaroslawl auf[1] und studierte zunächst am Gnessin-Institut Moskau; 1975 wanderte sie mit ihrer Familie nach Australien aus. Durch ein Stipendium wurde es ihr ermöglicht, von 1980 bis 1982 bei Helmut Lachenmann zu studieren. Kats-Chernin wurde zu Beginn der 1990er Jahre in Europa sowohl durch Aufführungen des Ensemble Modern als auch durch zahlreiche Bühnenmusiken zu Inszenierungen von Andrea Breth (vor allem am Wiener Burgtheater) bekannt. Nach 13 Lebensjahren in Deutschland kehrte sie 1994 nach Australien zurück; sie lebt in einem Vorort von Sydney.[2]
Anfangs der europäischen Avantgarde verpflichtet, änderte sich Kats-Chernins Kompositions-Stil Ende der 1990er Jahre stark, nicht zuletzt nachdem bei einem ihrer drei Söhne eine Erkrankung an Schizophrenie diagnostiziert wurde[3]. Ihre Musik ist seither als unverkrampfte und vitale Aneignung verschiedener Traditionen beschreibbar, die auch populäre Quellen wie Klezmer- und Music-Hall-Klänge in ihren Stil problemlos integriert. Sie ist zugänglich und virtuos, ohne populistisch zu sein.
Ihre erste Oper Iphis schrieb Kats-Chernin 1997. Neue Filmmusiken entstanden u. a. zum schwedischen Filmklassiker Der Fuhrmann des Todes von Victor Sjöström oder zu Menschen am Sonntag von Robert Siodmak und Billy Wilder. 2009 verfasste sie anlässlich des 200. Todestages von Joseph Haydn eine Komposition für Klaviertrio Calliope Dreaming, das bei den KunstFestSpielen Herrenhausen in Hannover und vom Haydn Trio Eisenstadt aufgeführt wurde.
Die Komponistin verfasste auch neue Bearbeitungen alter Musik, etwa von den drei noch erhaltenen Opern von Claudio Monteverdi: Orpheus, Odysseus und Poppea[4]. Das überlieferte musikalische Material dieser Opern enthält im Wesentlichen die Melodie- und Basslinien, aber fast keine Angaben für eine Instrumentierung. Die Neubearbeitungen wurden an der Komischen Oper Berlin als Monteverdi-Zyklus in der Regie von Barrie Kosky und unter der musikalischen Leitung von André de Ridder aufgeführt.[5]
Auch ihre Kinderoper Schneewittchen und die 77 Zwerge wurde an der Komischen Oper Berlin inszeniert. Das Libretto schrieb Susanne Felicitas Wolf[6].
Elena Kats-Chernins Schaffen, vielfach für international prominente Auftraggeber entstanden und auf CD eingespielt, umfasst alle Gattungen: Musiktheater, Tanz, Orchester, Konzert, Ensemble-, Kammer- und Solomusik, Chor- und Vokalkompositionen. Mehrere Jahre lang diente ihr Stück Eilza Aria als musikalisches Kennzeichen der Werbekampagne "For the Journey" des britischen Finanzdienstleisters Lloyds und trug ihr große mediale Bekanntheit ein.[7]
Werke (Auswahl)
Opern
- Iphis, 1997
- Matricide, the Musical, 1998
- Mr Barbeque, 2002
- Rage of Life, 2010 (Libretto: Igor Bauersima)
- George, 2014 (Libretto: Axel Ranisch)
- The Divorce, 2015 (4-teilige TV-Soap-Oper[8])
- Schneewittchen und die 77 Zwerge, 2015 (Kinderoper)
- Whiteley, 2019[9]
- Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer, 2019 (Kinderoper nach dem Roman von Michael Ende)[10]
- Der Wind in den Weiden, 2019/20 (Kinderoper nach dem Buch von Kenneth Grahame)
Ballette
- Wild Swans, 2003 (Australian Ballet, Choreografie: Meryl Tankard)
- Material Men, 2015 (Choreografie: Shobana Jeyasingh)
- The Three Dancers, 2015 (nach Picasso, Rambert Dance Company, Choreografie: Didy Veldman)
Gesang
- Rockhampton Garden Symphonies für Soli, Chöre und Orchester
- Symphonia Eluvium für Chor und Orchester (2011, zum Gedenken an die Flutkatastrophe in Queensland)
- Prelude and Cube für Chor und Orchester (2014, Text: Magnificat & Martin Luther)
Instrumentalwerke
(oft mehrere Fassungen in unterschiedlichen Besetzungen)
- Butterflying
- Blue Silence
- Cadences, Deviations and Scarlatti
- Calliope Dreaming
- Chamber of Horrors
- Charleston Noir
- Clocks
- Cinema
- Frankenstein (Bühnenmusik, 2013)
- Gypsy Ramble
- In Tension
- Intermezzo Days
- Page Turn
- Peggy's Minute Rag
- Phoenix Story
- Purple Prelude
- Russian Rags
- Schubert Blues
- Slicked Back Tango
- Spirit and the Maiden
- Still Life
- Stur in Dur
- Tast-en
- Variations in a Serious Black Dress
- Velvet Revolution
- Wild Rice
- Zoom and Zip
Orchesterwerke
- Retonica
- Stairs
- Wild Swans Suite
- Mythic
- Re-Collecting ASTORoids (Hommage an Astor Piazzolla)
- Big Rhap
Solokonzerte
- Displaced Dances für Klavier und Orchester
- 2nd Piano Concerto
- Ancient Letters Cembalokonzert (für Mahan Esfahani)
- Violin Concerto
- Garden of Dreams für Didgeridoo, Klavier und orchester
- Ornamental Air für Bassettklarinette und Orchester
- Night and Now für Flöte und Orchester
- The Witching Hour für acht Kontrabässe und Orchester (2016, Auftrag des Australian World Orchestra[11])
Literatur
- Larry Sitsky, Ruth Lee Martin: Australian Piano Music of the Twentieth Century. Greenwood Publishing Group 2005, ISBN 0313322864, S. 244 (eingeschränkte Online-Version (Google Books))
- Pamela Youngdahl Dees: Piano Music by Women Composers. Greenwood Publishing Group 2004, ISBN 0313319901, S. 113 (eingeschränkte Online-Version (Google Books))
- International Who's Who in Classical Music 2003. Routledge 2003, ISBN 185743174X, S. 398 (eingeschränkte Online-Version (Google Books))
Weblinks
- Website der Komponistin bei ihrem Musikverlag Boosey & Hawkes
- Literatur von und über Elena Kats-Chernin im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- d2h
Anmerkungen
- ABC Radio National, Interview in The Spirit of Things, 17. Juni 2016
- Biographie beim Boosey & Hawkes, abgerufen am 1. Dezember 2017
- ABC Radio National, Feature "Blue Silence" (2006)
- Komische Oper Berlin, Elena Kats-Chernin
- Archivlink (Memento vom 9. Februar 2015 im Internet Archive) Komische Oper Berlin, André de Ridder
- Archivlink (Memento vom 14. Januar 2017 im Internet Archive) Komische Oper Berlin, Schneewittchen und die 77 Zwerge
- Werbeclip "For the Journey" auf Youtube
- "The Divorce: Putting the Opera into the Soap", 1 December 2015
- Whiteley, Opera Australia, abgerufen am 3. Mai 2019
- Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer, Komische Oper Berlin, abgerufen am 3. Mai 2019
- "At the witching hour, it’s all about the (double) bass", The Australian 24. September 2016