Das Himmelreich in euch
Das Himmelreich in euch, „Das Reich Gottes ist in Euch“ oder „Das Reich Gottes ist inwendig in euch“ (russisch Царство Божие внутри вас [Zarstwo Boschije wnutri was]) ist ein einflussreiches Sachbuch von Leo Tolstoi. Es wurde zuerst im Jahr 1894 in Deutschland veröffentlicht, nachdem es in Russland verboten war.[1] Es steht am Gipfel von Tolstois dreißig Jahren christlichen Denkens und breitet eine neue Gesellschaftsorganisation aus, die auf einer wörtlichen christlichen Interpretation beruht.
Argumentation
Der Buchtitel beruft sich auf Lk 17,21 . Tolstoi diskutiert das Prinzip der Gewaltlosigkeit im Angesicht von Gewalt, wie von Jesus gelehrt. (Siehe auch Friedenskirche). Tolstoi sah eine Trennung zwischen der Russisch-Orthodoxen Kirche, die mit dem Staat vereint war, und dem, was er für die wahre Botschaft Jesu hielt, wie sie in den Evangelien und insbesondere der Bergpredigt wiedergegeben ist.
Tolstoi vertritt den Standpunkt, dass alle kriegsführenden Regierungen ein Affront gegen christliche Prinzipien seien. Er beruft sich auf die Forderung: „Ich aber sage euch: Widersteht nicht dem Bösen, sondern wenn jemand dich auf deine rechte Backe schlagen wird, dem biete auch die andere dar;“ Mt 5,38 . Er weist die Interpretationen römischer und mittelalterlicher Gelehrter zurück, die den Anwendungsbereich der Forderung begrenzen wollten.
Tolstois Briefwechsel mit Mohandas Gandhi
Gandhi schrieb in seiner Autobiographie, dass dieses Buch ihn „überwältigte“ und einen „bleibenden Eindruck“ hinterließ.[2] Gandhi zählte Tolstois Buch mit John Ruskins Unto This Last und dem Dichter Shrimad Rajchandra (Raychandbhai) zu den drei wichtigsten Einflüssen in seinem Leben.[3]
1908 schrieb Tolstoi einen Leserbrief an eine indische Zeitung (A Letter to a Hindu), in dem er die Meinung vertrat, dass das indische Volk die britische Kolonialherrschaft nur durch passiven Widerstand auf der Basis von Nächstenliebe zu Fall bringen könne. Im Jahr darauf schrieb Gandhi an Tolstoi mit der Bitte um Rat und für die Genehmigung, A Letter to a Hindu in seiner eigenen Sprache Gujarati, zu veröffentlichen. Tolstoi antwortete und es folgte eine andauernde Korrespondenz bis zu seinem Tod im Jahr 1910. Die Briefe enthalten unter anderem praktische und theologische Anwendungen der Gewaltlosigkeit.[4] Tolstois Idee wurde schließlich durch Gandhis Organisation landesweiter gewaltfreier Streiks und Proteste in den Jahren 1918–1947 realisiert.
Weblinks
Einzelnachweise
- Donna Tussing Orwin, The Cambridge Companion to Tolstoy
- Eine Autobiographie oder: Die Geschichte meiner Experimente mit der Wahrheit, Verlag Hinder + Deelmann 1977, ISBN 3-87348-162-6 Buch II, Kapitel 15
- Mohandas K. Gandhi: The Story of My Experiments with Truth 1929. Archiviert vom Original am 1. August 2010.
- B. Srinivasa Murthy (Hrsg.): Mahatma Gandhi and Leo Tolstoy: Letters 1987, ISBN 0-941910-03-2.