Daniel Gottlieb Messerschmidt
Daniel Gottlieb Messerschmidt (* 16. September 1685 Danzig, Polen-Litauen; † 25. Märzjul. / 5. April 1735greg. Sankt Petersburg, Russland) war deutschstämmiger Arzt und Naturforscher. Er erschloss im Auftrag des russischen Kaisers Peter I. in siebenjähriger Reise Natur und Landschaft Sibiriens.
Leben
Daniel Gottlieb Messerschmidt war der Sohn von Andreas Messerschmidt (1644–1725), Oberinspektor am Packhof von Danzig und seit 1679 Bürger Danzigs.
Daniel Gottlieb studierte von 1706 bis 1708 in Jena und ab 1708 in Halle verschiedene Fächer, darunter Mathematik, Physik, Botanik und Medizin. Im Mai 1713 wurde er zum Doktor der Medizin promoviert und eröffnete daraufhin eine Praxis in seiner Heimatstadt. Wesentlichen Einfluss auf sein Denken gewannen während des Studiums die Mediziner Friedrich Hoffmann (bei dem er auch promovierte) und Georg Ernst Stahl, aber auch der Universalgelehrte Christian Wolff und der Theologe August Hermann Franke. Zu seinem Bekanntenkreis gehörte ferner der Naturforscher Johann Philipp Breyne, der in Danzig ein berühmtes Naturalienkabinett leitete, das Kaiser Peter I. im Jahre 1716 besuchte. Bei diesem Besuch wurde Messerschmidt durch Breyne dem russischen Kaiser als hervorragender Naturwissenschaftler empfohlen, worauf er nach St. Petersburg reiste und 1718 in russische Dienste trat.
Im November 1718 bekam er durch Dr. Laurentius Blumentrost, den Vertreter der obersten Medizinalbehörde des Reiches, einen Vertrag und umfangreiche Instruktionen für eine mehrjährige Forschungs- und Sammelreise durch Sibirien. Seine Tätigkeiten sollten im Wesentlichen sechs Aufgabenfelder umfassen:
- Geographie
- Naturgeschichte
- Medizin (Volksmedizin, Heilmittelkunde, epidemische Krankheiten etc.)
- Völker- und Sprachenkunde der sibirischen Nation
- Denkmäler und andere Altertümer
- Sonstiges
Die Reise führte zunächst über Moskau und Kasan nach Tobolsk, wo er im Dezember 1719 eintraf und einen ersten Aufenthalt von 14 Monaten hatte. Im März 1721 führte die nächste Etappe über verschiedene Wasser- und Landwege über Tara nach Tomsk und von dort weiter über Kusnezk nach Abakan, wo zunächst im Winter 1721/22 Quartier bezogen wurde. Auf dieser Reise begleitete ihn der schwedische Kapitän und Forscher Johann Philipp Tabbert (später von Strahlenberg), den er in Tobolsk kennen und schätzen gelernt hatte. Die Weiterreise folgte zu Wasser auf dem Jenissei nach Krasnojarsk, schließlich reiste man zum Fluss Kemtschuk (einem kleinen Nebenfluss des Jenissei). Während Tabbert sich nun von der Expedition trennte und nach Schweden zurückreiste, ging es für Messerschmidt über Land und Fluss (u. a. Tschulym (Ob)) weiter und danach zurück ins Winterquartier (1722/23) nach Krasnojarsk. 1723 führte die Reise über eine Zwischenstation in Lensk nach Irkutsk, gefolgt von einer Überquerung des Baikalsees 1724. Die Reise führte im Sommer über die sibirischen Steppen des Uda und des Onon bis in die Innere Mongolei zum See Dalai-Nor. Schließlich gelangte er durch das chinesisch-mongolische Grenzgebiet in die südsibirischen Gebirge. In der Provinz Transbaikalien (in Tschitinsk) wurde ein weiteres Mal über Winter Quartier gemacht, ehe die Reise zurück nach St. Petersburg ging, wo die Expedition am 18. März 1727 eintraf.
In St. Petersburg wurde der Forscher nicht so empfangen, wie er es erwartet hatte. Zum Einen wurde er mit nur 200 Rubeln Silber entlohnt entgegen der versprochenen 500 Rubel Silber pro Jahr. Des Weiteren musste er alle seine Aufzeichnungen und Tagebücher der inzwischen gegründeten Russischen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg überlassen, mit der Verpflichtung selbst nichts zu publizieren.
Aus seinen Aufzeichnungen geht hervor, dass Messerschmidt während seiner Reise Beschreibungen und Material zu rund 265 Vogel-, 80 Säugetier- und 60 Fischarten lieferte, zudem fertigte er zehn ausführliche Sektionsprotokolle von Großsäugern an. Große Sammlungen von Insekten und Pflanzen, Mineralien und Fossilien gehören zu seinen Unterlagen, zudem sind zahlreiche archäologische und ethnographische Beobachtungen überliefert.
Diese Angaben wurden in den später gedruckten Tagebüchern, teils in schon systematisch geordneten „Extrakten“ und Katalogen beschrieben. Diese erste systematische Artenbestandsaufnahme eines Gebietes, welches zehn Längen- und neun Breitengrade umfasste, mit sorgfältigen ökologischen und klimatischen Angaben, schuf die günstigen Voraussetzungen für viele weitere Forschungsexpeditionen des 18. Jahrhunderts.
Erst durch die Veröffentlichungen seines schwedischen Reisegefährten Tabbert 1730 wurden die Leistungen Messerschmidts bekannt.
Messerschmidt kehrte, nachdem er noch zwei Jahre in Russland verlebte, wo er 1729 Brigitte Helene Böchler heiratete, im Herbst 1729 in seine Vaterstadt Danzig zurück. Auf der Reise verlor er bei einem Schiffbruch am 27. Oktober 1729 bei Pillau[1] all seine Habe und insbesondere die ihm verbliebenen Notizen und Aufzeichnungen. Vom veränderten Danzig enttäuscht, kehrte er schon 1731 wieder nach St. Petersburg zurück, wo er sich bis zu seinem Tode am 25. März 1735 der Ordnung seiner Sammlungen widmete. Verschiedene Tier- und Pflanzenzeichnungen, die er durch den Maler Georg Gsell anfertigen ließ, wurden jedoch beim Brand der Akademie 1747 vernichtet.
Seine Aufzeichnungen wurden von verschiedenen Wissenschaftlern als Grundlagen für weitere Expeditionen und Forschungen benutzt, darunter Johann Georg Gmelin, Johann Amman, Georg Wilhelm Steller, Peter Simon Pallas und Johann Gottlieb Georgi. Auch für Historiker wie Gerhard Friedrich Müller und Wassili Nikititsch Tatischtschew waren seine Forschungen wertvoll, ebenso für die Ethnographie, die beim Studium der asiatischen Sprachen, die von Messerschmidt sorgfältig dokumentiert waren, auf seine Aufzeichnungen zurückgreifen konnte. Die Paläozoologie von Georges Cuvier wurde durch seinen Mammutfund begründet.
Ihm zu Ehren wurde eine Abteilung der Pflanzenfamilie Sebastiana von Carl von Linné Messerschmidia genannt, zudem gibt es den nach ihm benannten Asteroiden (16450) Messerschmidt. In jüngster Zeit wurde eine im Baikalsee neu entdeckte Flohkrebsart, Eulimnogammarus messerschmidtii, nach ihm benannt.
Familie
Messerschmidt heiratete 1729 St. Petersburg Brigitte Helene Böchler (1714/15; † 26. Juni 1761), eine Tochter des Obristen Georg Wilhelm von Boechler (* 1683). Das Paar hatte eine Tochter († nach 1776)[2]. Die Witwe heiratete in zweiter Ehe den Forschungsreisenden Georg Wilhelm Steller, das Paar trennte sich aber schon bald wieder.[3]
Werke
- Forschungsreise durch Sibirien 1720–1727. Herausgegeben und bearbeitet von Eduard Winter und Nikolaj A. Figurovskij in Quellen und Studien zur Geschichte Osteuropas. Akademie, Berlin 1962 ff., ISSN 0079-9114.
- Das Nord- und Ostliche Theil von Europa und Asia, in so weit solches das gantze Russische Reich mit Siberien und der grossen Tatarey in sich begreiffet, in einer Historisch-Geographischen Beschreibung der alten und neuern Zeiten … bey Gelegenheit der Schwedischen Kriegs-Gefangenschaft in Rußland, auf denen verstatteten, weiten Reisen zusammengebracht und ausgefertiget von Philipp Johann von Strahlenberg. Stockholm 1730 (Digitalisat).
Literatur
- Marita Hübner: Christliche Aufklärung und Staatsinteresse im Spiegel der Forschungsreise von Daniel Gottlieb Messerschmidt (1685–1735) nach Sibirien in den Jahren 1720–1727. In: Erich Donnert: Europa in der frühen Neuzeit: Band 7, Unbekannte Quellen. Böhlau, Köln 2008, ISBN 978-3-412-10702-4.
- Ilse Jahn: Messerschmidt (Messerschmied), Daniel Gottlieb. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 17, Duncker & Humblot, Berlin 1994, ISBN 3-428-00198-2, S. 217 f. (Digitalisat).
- Ilse Jahn: Zoologische Ergebnisse von Daniel Gottlieb Messerschmidt 1720–1727. In: Erich Donnert: Europa in der frühen Neuzeit: Band 6. Mittel-, Nord- und Osteuropa. Böhlau, Köln 2002, ISBN 3-412-14799-0.
- Ludwig Stieda: Messerschmidt, Daniel Gottlieb. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 21, Duncker & Humblot, Leipzig 1885, S. 494–497.
- Han F. Vermeulen: Enlightenment and Pietism. D. G. Messerschmidt and the Early Exploration of Siberia. In: Han F. Vermeulen: Before Boas: The Genesis of Ethnography and Ethnology in the German Enlightenment (= Critical Studies in the History of Anthropology). University of Nebraska Press, Lincoln 2016, ISBN 978-0-8032-5542-5, S. 87–130.
- Allgemeines Gelehrten-Lexicon. Bd. 4 (1813), Sp. 742 (Digitalisat).
Weblinks
- Literatur von und über Daniel Gottlieb Messerschmidt im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- http://www.siberianway.ru/engl/science/academy.html
- Artikel Daniel Gottlieb Messerschmidt in der Großen Sowjetischen Enzyklopädie (BSE), 3. Auflage 1969–1978 (russisch)
- Erik-Amburger-Datenbank beim Institut für Ost- und Südosteuropaforschung
- http://www.km.ru/science-tech/2014/08/19/issledovaniya-rossiiskikh-i-zarubezhnykh-uchenykh/747400-na-baikale-otkryt-n
- http://biotaxa.org/Zootaxa/article/view/zootaxa.3838.5.2
Einzelnachweise
- Wilhelm Michael von Richter, Geschichte Der Medicin In Russland, Band 3, S.151
- Jean Bacmeister, Essai sur la bibliotheque et le cabinet de curiosités et d'histoire , S.160f
- Georg Wilhelm Stellers Beschreibung von dem Lande Kamtschatka, dessen Einwohnern, deren Sitten, Nahmen, Lebensart und verschiedenen Gewohnheiten, S.21