Dammbruch von Bento Rodrigues
Der Dammbruch von Bento Rodrigues, in Medienberichten auch als Tragödie von Mariana bezeichnet, ereignete sich am 5. November 2015 in einem Stadtteil der Stadt Mariana im Bundesstaat Minas Gerais in Brasilien, als die Dämme eines Absetzbeckens brachen. Dadurch starben 19 Menschen.[1] Mindestens 32 Millionen Kubikmeter Schlamm flossen durch den Dammbruch über mehrere Flüsse in Richtung Atlantik.[2]
Verlauf
Als zwei Dämme eines Rückhaltebeckens eines Eisenerztagebaus brachen, ergoss sich eine Schlammlawine in das darunter gelegene Tal. Die Lawine durchbrach den darunterliegenden Santarem-Damm[3] und begrub das Bergdorf Bento Rodrigues binnen weniger Minuten unter sich. Bento Rodrigues war ein Ort mit 600 Einwohnern, etwa 250 Kilometer nördlich von Rio de Janeiro.
Durch das betroffene Gebiet fließen die Flüsse Rio Gualaxo do Norte und Rio do Carmo, die zum Einzugsbereich des Rio Doce gehören. Der Schlamm schob sich in den Fluss, der in der Folge auf einer Länge von 666 Kilometern verseucht wurde. Am 22. November erreichte der Schlamm die Mündung des Rio Doce.[4][5] Auch das Küstenökosystem wurde verseucht; drei Meeresschutzgebiete – Comboios, Costa das Algas und Santa Cruz – gelten als bedroht.
Hintergründe
Der Besitzer des Bergwerks ist das brasilianische Bergbauunternehmen Samarco Mineração, ein Joint Venture zwischen dem brasilianischen Bergbaukonzern Vale und dem britisch-australischen Rohstoffunternehmen BHP Billiton, die jeweils 50 Prozent der Aktien halten.[6] Samarco wies alle erhobenen Vorwürfe von sich und erklärte, dass ein leichtes Erdbeben die Dammbrüche ausgelöst hätte. Das Unternehmen gab außerdem an, dass der Schlamm nicht giftig sei und keine Gefahr für die Gesundheit der Menschen bestehe.[5] Ein Bericht der UN widerspricht dem und weist auf hohe Mengen von toxischen Schwermetallen und anderen Chemikalien im Schlamm hin.[7]
Auswirkungen
Mehr als 500 Menschen verloren durch die Schlammlawine ihre Häuser und mehrere hunderttausend wurden von der Trinkwasserversorgung abgeschnitten. Laut Erhebung der US-amerikanischen Beraterfirma Bowker Associates stellt die Katastrophe von Mariana einen Dreifach-Negativ-Rekord in der Geschichte des Bergbaus dar:[8]
- Die Menge an ausgetretenem Schlamm: 32 bis 62 Millionen Kubikmeter
- Die Größe des betroffenen Gebiets: 680 Kilometer Flusslauf
- Die Schadenshöhe: 5 bis 55 Milliarden USD
Untersuchungen des Flusswassers lieferten anfangs widersprüchliche Ergebnisse bzgl. der Belastung mit Giftstoffen. Teilweise wiesen sie erhöhte Werte von Arsen, Aluminium, Blei, Kupfer und Quecksilber nach. Ob diese Stoffe aus dem Schlamm des Rückhaltebeckens stammen, war unklar.[9][10] Spätere Analysen der UN gehen jedoch davon aus.[7]
Es soll mindestens 100 Jahre dauern, bis die Rückstände der Giftstoffe langsam verschwinden.[5]
Der Tagebau wurde nach dem Dammbruch eingestellt. Proteste der Anwohner verhinderten bisher eine Wiederinbetriebnahme. Die Katastrophe führte zum Verlust von fast 11 Milliarden USD Marktwert der Aktie von BHP am 9. November 2015.[11]
Gerichtlichte Aufarbeitung
Samarco Mineração wurde verpflichtet, für erste Notfallmaßnahmen Entschädigungszahlungen von umgerechnet 250 Millionen Euro zu leisten.[12]
Der brasilianische Staat verklagte die beteiligten Unternehmen Vale und BHP Billiton am 30. November 2015 zunächst auf umgerechnet 4,9 Milliarden Euro zur Deckung von Säuberungs- und Wiederaufbau-Arbeiten.[13] In einem ersten Verfahren sagte Samarco Anfang Mai 2016 zu, Entschädigungen in einer Gesamthöhe von rund 24 Milliarden Reais (etwa 6 Mrd. Euro zum Tageskurs) zu zahlen.[14]
Dammbruch von Brumadinho und weitere gefährdete Rückhaltebecken
Am 25. Januar 2019 brach wiederum ein Damm eines Absetzbeckens einer Eisenerzmine im selben Bundesstaat: Dammbruch von Brumadinho. Auch diese Mine gehörte zu Vale.
Im April 2020 ließ die brasilianische Regierung laut der Gewerkschaft IndustriAll 47 bruchgefährdete Rückhaltebecken in Brasilien schließen, von denen mehr als die Hälfte zu Vale gehören. 37 der Rückhaltebecken befinden sich in Minas Gerais.[15]
Einzelnachweise
- Brazil dam burst: Six months on, the marks left by sea of sludge. In: BBC News. 6. Mai 2016 (bbc.com [abgerufen am 4. Februar 2021]).
- Frik Els: BHP, Vale hit with $44 billion lawsuit over deadly spill. In: mining.com. 3. Mai 2016, abgerufen am 4. Mai 2016 (englisch).
- High resolution imagery of the Bento Rodrigues dam failures, 17. November 2015
- Anne Herrberg: Eine schlammbraun gewordene Lebensader. Umweltkatastrophe in Brasilien. In: tagesschau. ARD, 27. November 2015, abgerufen am 28. November 2015.
- Der Rio Doce stirbt. In: Zeit Online. 27. November 2015, abgerufen am 7. November 2016.
- Alexander Busch: BHP und Vale in der Krise: Fataler Dammbruch schockt Brasilien. In: handelsblatt.com. 6. November 2015, abgerufen am 28. November 2015.
- Paul Kiernan: Brazil Dam’s Failure Flooded Region With Toxic Waste, U.N. Report Says. In: Wall Street Journal. 26. November 2015, ISSN 0099-9660 (wsj.com [abgerufen am 7. November 2016]).
- Christian Russau: Schlamm der Zerstörung und des Unrechts. In: atavist.com. 24. Oktober 2017, abgerufen am 18. Mai 2018.
- Susann Kreutzmann, Dagny Lüdemann: Politik, so verseucht wie der Rio Doce. In: Zeit Online. 1. Dezember 2015, abgerufen am 6. Dezember 2015.
- Tiago Palma: ONU Medidas do Governo brasileiro e de mineradoras após rutura de barragem foram „insuficientes“. In: Observador. 25. November 2015, abgerufen am 28. November 2015 (portugiesisch).
- Owen Alexander, Oscar Grenfell: Six dead, at least 21 missing in Brazilian mine disaster. In: World Socialist Web Site. 11. November 2015, abgerufen am 28. November 2015.
- Folgen eines Dammbruchs. Brasiliens toter Fluss. In: NZZ. 18. November 2015, abgerufen am 27. November 2015.
- Brasilien reicht nach Dammbruch Milliardenklage gegen Konzerne ein. In: FAZ. 1. Dezember 2015, abgerufen am 1. Dezember 2015.
- BHP, Vale shares surge on Samarco deal. In: mining.com. Abgerufen am 3. März 2016 (englisch).
- Christian Russau: Brasilien schließt 47 bruchgefährdete Rückhaltebecken. 17. April 2020, abgerufen am 6. Juli 2020.