Cumrun Vafa

Cumrun Vafa (persisch کامران وفا [kɔːmˈrɔːn væˈfɔː]; * 1. August 1960 i​n Teheran) i​st ein iranisch-amerikanischer Physiker u​nd einer d​er führenden Stringtheoretiker.

Cumrun Vafa in seinem Büro an der Harvard University

Leben

Cumrun Vafa besuchte d​ie Alborz High School i​n Teheran, b​evor er 1977 z​um Studium i​n die USA ging. Er machte 1981 seinen Bachelor-Abschluss i​n Mathematik u​nd Physik a​m MIT i​n Cambridge. Anschließend g​ing er a​n die Princeton University, w​o er 1985 s​eine Doktorarbeit b​ei Edward Witten (Thema: Symmetries, Inequalities a​nd Index Theorems) abschloss.[1] Seit 1988 i​st er Associate Professor u​nd seit 1990 Professor a​n der Harvard University, w​o er n​ach Abschluss seines Studiums 1985 a​ls Harvard Junior Fellow anfing. Seit 2003 i​st er Donner Professor o​f Science i​n Harvard. 1989 erhielt e​r von d​er Alfred P. Sloan Foundation e​in Forschungsstipendium (Sloan Research Fellowship).

Werk

Zu seinen wichtigsten Arbeiten zählen Beiträge z​ur F-Theorie, z​ur topologischen Stringtheorie u​nd (zusammen m​it Andrew Strominger) z​ur mikroskopischen Beschreibung d​er Entropie Schwarzer Löcher über Solitonenlösungen d​er Superstringtheorie.[2] Ein Schwerpunkt seiner Forschung i​st der Zusammenhang v​on Geometrie u​nd Quantenfeldtheorien, d​ie sich insbesondere a​us den verschiedenen String-Dualitäten ergaben (Geometric Engineering o​f Quantum Field Theories, 1997).[3] Von i​hm stammen a​uch Beiträge z​ur Spiegelsymmetrie (Mirror Symmetry) i​n der Stringtheorie u​nd topologischen Stringtheorien, a​ls er m​it Rajesh Gopakumar 1998 e​ine neue topologische Invariante einführte (Gopakumar-Vafa-Invariante), d​ie die BPS-Zustände v​on Calabi-Yau-3-Varietäten zählt u​nd die Form e​iner Verteilungsfunktion i​n einer topologischen Quantenfeldtheorie hat.[4] Sie vermuteten (Gopakumar-Vafa-Vermutung), d​ass die Gromow-Witten-Invarianten v​on Calabi-Yau-3-Varietäten d​urch diese Gopakumar-Vafa-Invarianten ausgedrückt werden können.

Anhand der topologischen Stringtheorie (ein Stringtheorie-Modell, das in gewisser Hinsicht einfacher als die für realistische Modelle betrachtete Superstringtheorie ist) untersuchte er auch den Zusammenhang mit Quantengravitation (topologischer Gravitation). 1998 entwickelte er mit Gopakumar die Sichtweise, dass topologische Stringtheorien mit geschlossenen Strings (die Gravitation beschreiben) mit Eichfeldtheorien für hohe zusammenhängen[5] und dass sich topologische Gravitation im Modellfall topologischer Eichfeldtheorien für diese im Grenzfall großer Eichgruppen (Parameter ) ergibt.[6] Der Zusammenhang von Eichfeldtheorien und Gravitation war damals schon im Rahmen der M-Theorie und der AdS/CFT-Korrespondenz aktuell, die Berechnungen aber schwierig. 2004 schlug er mit Robbert Dijkgraaf und anderen die topologische M-Theorie als vereinheitlichte Theorie verschiedene Form-Theorien der Gravitation in unterschiedlichen Dimensionen vor.[7]

Die von ihm 1996[8] eingeführte F-Theorie erlaubt die Konstruktion neuer String-Vakua, indem von einer 12-dimensionalen Theorie ausgegangen wird, die auf dem Torus kompaktifiziert wird. Das führt zu einer S-Dualität der sich ergebenden IIB Superstringtheorie. Statt des Torus werden auch allgemeiner elliptisch gefaserte Mannigfaltigkeiten M verwendet (das heißt die Fasern haben die Struktur elliptischer Kurven, topologisch einem Torus entsprechend), wobei in der Superstringtheorie für M meist Calabi-Yau-Mannigfaltigkeiten gewählt werden, mit vier komplexen Dimensionen. Aus solchen und ähnlichen Konstruktionen ergab sich in den 1990er Jahren die Erkenntnis, dass es eine Fülle möglicher String-Vakua gibt (was mit dem Schlagwort landscape, Landschaft, bezeichnet wird).

String-Landschaften und Sumpfland

Um d​ie aus d​en zahlreichen möglichen String-Vakua bestehende Landschaft (String Landscape) einzugrenzen, schlug Vafa 2005 d​ie Suche n​ach physikalisch überzeugenden Kriterien vor, d​ie geeignet sind, unphysikalische String-Vakua (bzw. falsche, instabile o​der metastabile Vakua) auszugrenzen (als Sumpfland, Swampland).[9] Die Idee dieses Programms w​urde schnell v​on Stringtheoretikern übernommen.[10]

2005 stellte e​r mit Nima Arkani-Hamed, Lubos Motl u​nd Alberto Nicolis a​ls ein solches mögliches Kriterium vor, d​ass die Gravitation s​tets die schwächste Kraft i​st (Weak gravity conjecture)[11] Die Hypothese f​and 2017 a​uch Anwendung i​m Ausschluss (Cosmic Censorship) Nackter Singularitäten i​n höherdimensionalen Graviationstheorien.[12]

2018 stellte Vafa eine weitere Sumpflandhypothese vor (De-Sitter-Sumpfland-Vermutung), die, falls sie zutrifft, die übliche Stringtheorie (mit den aus ihr bisher abgeleiteten kosmologischen Vorhersagen) ausschließen würde, und auch ein Problem für die gängigen Inflationsmodelle der Kosmologie darstellt. Nach der Hypothese muss die Vakuumenergiedichte (ausgedrückt durch ein skalares Potential in Theorien der Quantengravitation) grundsätzlich stärker abfallen als eine Schranke, die durch gegeben ist (mit einer Konstante ).[13] Die Entdeckung dunkler Energie in der Kosmologie widerspricht dem, da sie De-Sitter-Universen mit konstanter positiver Vakuumenergie entspricht. Nach Vafas Hypothese gehören diese nicht zur Landschaft möglicher String-Vakua, sondern zum physikalisch ausgeschlossenen Sumpfland. In den möglichen Universen muss nach Vafas De-Sitter-Sumpfland-Vermutung die Vakuumenergie entweder entsprechend der oben angegebenen Ungleichung abnehmen oder einen stabilen negativen Wert erhalten (Anti-de-Sitter-Raum). Letztere sind im Gegensatz zu De-Sitter-Universen[14] leicht in den Stringtheorien zu konstruieren (die Schwierigkeit, De-Sitter-Universen in Stringtheorien zu konstruieren, war ein Motiv für Vafas Hypothese). Dynamisch veränderliche abnehmende dunkle Energie entspricht Quintessenz-Modellen der Dunklen Energie. Astronomische Beobachtungen zur Dynamik dunkler Energie sind in Vorbereitung (Dark Energy Survey, das geplante Weltraumteleskop WFIRST, Euclid), um über diese Hypothese zu entscheiden. Die Vermutung von Vafa bringt aber auch gängige Inflationsmodelle der Kosmologie in Gefahr, da sie eine zu hohe Abnahmerate der Energie des Inflatonfeldes verlangt. Vafas Hypothese wurde nach ihrer Einführung und Vorstellung auf der Strings 2018 Konferenz kontrovers diskutiert.

Ehrungen

1998 h​ielt er e​inen Plenarvortrag a​uf dem Internationalen Mathematikerkongress i​n Berlin (Geometric Physics).[15] Seit 2005 i​st er Mitglied d​er American Academy o​f Arts a​nd Sciences u​nd seit 2009 d​er National Academy o​f Sciences. 2008 erhielt e​r die Dirac-Medaille (ICTP), 2014 d​en Physics Frontiers Prize. Für 2016 w​urde ihm d​er Dannie-Heineman-Preis für mathematische Physik zugesprochen, für 2017 d​er Breakthrough Prize i​n Fundamental Physics. Er i​st Fellow d​er American Physical Society.

Schriften (Auswahl)

Außer d​en in d​en Fußnoten zitierten Aufsätze:

Einzelnachweise

  1. Cumrun Vafa im Mathematics Genealogy Project (englisch) Vorlage:MathGenealogyProject/Wartung/id verwendet
  2. Strominger, Vafa Microscopic Origin of the Bekenstein-Hawking Entropy, Physical Letters B, Bd. 379, 1996, S. 99–104, Arxiv
  3. Vafa, Sheldon Katz, Albrecht Klemm, Geometric Engineering of Quantum Field Theories, Nucl. Phys. B, Band 497, 1997, S. 173–195
  4. Gopakumar, Vafa, M-Theory and topological strings, 2 Teile, 1998, Arxiv, Teil 1, Arxiv, Teil 2,
  5. Gopakumar, Vafa, On the Gauge Theory/Geometry Correspondence, Arxiv 1998
  6. Gopakumar, Vafa, Topological Gravity as Large N Topological Gauge Theory, Adv. Theor. Math. Phys., Band 2, 1998, S. 413–442, Arxiv 1998
  7. Robbert Dijkgraaf, Sergei Gukov, Andrew Neitzke, Cumrun Vafa Topological M-theory as Unification of Form Theories of Gravity, Adv.Theor.Math.Phys., Band 9, 2005, S. 603–665
  8. Vafa, Evidence for F-Theory, Nucl.Phys. B, Band 469, 1996, S. 403–418, Arxiv
  9. Vafa, The String Landscape and the Swampland, 2005
  10. T. Daniel Brennan, Federico Carta, Cumrun Vafa: The String Landscape, the Swampland, and the Missing Corner, Übersichtsartikel basierend auf den TASI-Lectures von Vafa 2017
  11. Nima Arkani-Hamed, Lubos Motl, Alberto Nicolis, Cumrun Vafa: The String Landscape, Black Holes and Gravity as the Weakest Force, JHEP 0706:060, 2007
  12. Natalie Wolchover: Where Gravity Is Weak and Naked Singularities Are Verboten Quanta Magazine, 20. Juni 2017
  13. Georges Obied, Hirosi Ooguri, Lev Spodyneiko, Cumrun Vafa: De Sitter space and the swampland. (pdf, 268 kB) In: Arxiv. 17. Juli 2018, abgerufen am 3. September 2018 (englisch).
    Prateek Agrawal, Georges Obied, Paul J. Steinhardt, Cumrun Vafa: On the Cosmological Implications of the String Swampland. (pdf, 538 kB) In: Arxiv. 19. Juli 2018, abgerufen am 3. September 2018 (englisch).
    Natalie Wolchover: Dark Energy May Be Incompatible With String Theory. In: Quanta Magazine. 9. August 2018, abgerufen am 3. September 2018 (englisch).
  14. Für de Sitter Universen schlugen allerdings Shamit Kachru und Kollegen 2003 Mechanismen vor, sie dennoch in Stringtheorien zu konstruieren, nach den Autoren KKLT abgekürzt.
  15. Cumrun Vafa: Geometric Physics. (pdf, 262 kB) In: Arxiv. 20. Oktober 1998, abgerufen am 3. September 2018 (englisch).
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