Constitutio Romana
Die Constitutio Romana (CR) war ein Vertragswerk, welches am 11. November 824 zwischen dem römisch-fränkischen Kaiser Lothar I. (795–855) und Papst Eugen II. (824–827) geschlossen wurde. Anlass dieses Abkommen war die Tatsache, dass das Papsttum zunehmend in die Hände rivalisierender Adelsfamilien, die aus Rom stammten, fiel. Papst Eugen II. bestärkte zudem mit der „Constitutio Lothari“ die kaiserlichen Machtbefugnisse und bestätigte mit ihr, dass von nun an eine Papstkonsekration erst stattfinden durfte, nachdem der Neugewählte dem Kaiser das Treuegelöbnis abgelegt hatte.
Der zuvor von Papst Paschalis I. (817–824) überraschend zum Kaiser gekrönte Lothar I. stellte mit der CR die Papstwahl unter strenge Aufsicht. Die schwache Stellung der nationalen Könige führte aber zu einer weiteren Problematik, denn jetzt führten sich einige Adelsfamilien als die eigentlichen Herrscher des Kirchenstaates auf, die nach eigenem Willen Päpste einsetzten und wieder absetzten. Dieser unheilvolle Zustand sollte sich erstmals 1059 mit der Päpstlichen Bulle „In nomine Domini“ (Papstwahldekret) von Papst Nikolaus II. (1058–1061) und den Gregorianischen Reformen unter Gregor VII. (1073–1085) ändern. Unter Papst Gregor X. (1271–1276) entstand 1274 die Vorschrift, zur Papstwahl ein Konklave einzusetzen.
- Frankenkaiser Lothar I.
- Papst Paschalis I. (817–824)
- Papst Nikolaus II. (1058–1062)
- Papst Gregor X. (1271–1276)
Geschichte
Bereits 781 setzte Karl der Große seinen jüngsten Sohn Ludwig (den Fromme) zum Vizekönig in Aquitanien ein und krönte ihn nach dem Tod der beiden älteren Söhne ohne Segen des Papstes zum Mitkaiser. Mit der „Ordinatio imperii“ von 815 hatte Ludwig der Fromme (778–840) seinen Sohn Lothar zum Mitkönig eingesetzt. 816 ließ sich Ludwig in Reims von Papst Stephan IV. (816–817) ein zweites Mal krönen und erließ 817 eine Reichserbordnung, die seinem Sohn Lothar, dem späteren Lothar I., als römisch-fränkischem Kaiser die Gesamtherrschaft über Aquitanien und Bayern sicherte.
Kurz nach der päpstlichen Kaiserkrönung Lothars I. verstarb Papst Paschalis I. im Jahr 824. Auf den Papstsessel folgte Papst Eugen II. Lothar I. und sein Vertrauter Wala von Corbie[1] entwarfen die CR, mit der die Papstwahl neu geregelt wurde. Hierzu gehörte, dass sich die Wahlversammlung aus römischen Geistlichen und Adeligen zusammensetzen sollte, der Gewählte musste vor dem kaiserlichen Vertreter (Missus) einen Eid auf den Kaiser ablegen, weiterhin setzte der Kaiser einen Gesandten am Heiligen Stuhl ein, der gleichzeitig den Kirchenstaat verwaltete. Darüber hinaus legte Lothar I., nachdem er König von Italien (843–855) geworden war, fest, dass die Papstwahl nur durch den kaiserlichen Missus eingeleitet werden durfte. Das bedeutete, dass bis zur Gregorianischen Reform auch das Vorschlagsrecht beim deutschen Königtum verblieb.
- Karl der Große (*747/748 †814)
- Aquitanien
- Ludwig der Fromme (*778 †840)
- Papst Stephan IV. (816–817)
Zusammenfassung
Die CR umfasste insgesamt neun Artikel[2], in ihnen wurden weitreichende Maßnahmen für den Kirchenstaat und die Papstwahlen festgelegt, hierzu gehörten:
- Alle unter dem Schutz des Papstes oder Kaisers stehenden Personen galten als unantastbar, sie waren nur gegenüber dem Kaiser und Papst zum Gehorsam verpflichtet und wurden aufgefordert das Eigentum des Papstes, nach dessen Tod, nicht zu plündern.
- Es sollten zwei Kommissare (missi) ernannt werden, diese sollten die Aufsicht über die Kirchenverwaltung wahrnehmen und die Abläufe zur Papstwahl festlegen.
- Die CR stellte Diebstahl, Raub und Gewalt gegen den Papst und seine Beamten unter schwere Strafe.
- Es wurde der unbedingte Eid auf den Kaiser und die Treue zum Papst verlangt.
- Zur Papstwahl wurde darüber hinaus festgeschrieben, dass nur die kaiserlichen Gesandten die Papstversammlung einberufen konnten und diese zu leiten hatten.
Überlieferung und Edition
Alfred Boretius hat den Text der CR auf der Grundlage von drei Handschriften (aus der Biblioteca Chigiana (Chis. F.IV.75), der Bibliothek der Abtei Cava (Ms. Cavensis 22) und der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel (Blankenburg 130.52)), die den vollständigen Text überliefern, 1883 im ersten Band der Capitularia regum Francorum ediert[3]. In Auszügen wurde die Constitutio in kanonistischen Sammlungen verwendet, unter anderem im Liber Papiensis und in der Kanonessammlung des Kardinals Deusdedit (vor allem im Vat. lat. 3833).
Literatur
- Hubert Mordek: Constitutio Romana. In: Lexikon des Mittelalters (LexMA). Band 3. Artemis & Winkler, München/Zürich 1986, ISBN 3-7608-8903-4, Sp. 176 f. (verweist auch auf das Privilegium Ottonianum von 962 und das Heinricianum von 1020).
Weblinks
Einzelnachweise
- 823 wurde Wala von Corbie politischer Berater des Kaisers Lothar I., wahrscheinlich war er auch der geistige Urheber der „Constitutio Romana“.
- Catholic Encyclopedia: Pope Eugen II. (englisch)
- S. 322–324 Nr. 161 (Digitalisat)