Christoph von Fürer-Haimendorf
Christoph von Fürer-Haimendorf (* 22. Juni 1909 in Wien; † 11. Juni 1995) war ein österreichischer Ethnologe, er gilt als Doyen der Ethnologie der Himalaya-Völker. Er war der erste europäische Ethnologe, der in Nepal forschen durfte.
Werdegang
Christoph Fürer von Haimendorf, der einer alten Nürnberger Patrizierfamilie entstammte, studierte ab 1927 Ethnologie an der Universität Wien und wurde dort insbesondere von der Kulturkreislehre geprägt. Zu seinen akademischen Lehrern gehörten Leo Frobenius und Robert von Heine-Geldern. Heine-Gelderns Arbeiten inspirierten Haimendorf zu seiner Dissertation über Staat und Gesellschaft bei den Völkern Assams und des nordwestlichen Birmas. 1931 wurde er zum Dr. phil promoviert. Bis 1934 war er anschließend wissenschaftlicher Assistent an der Universität Wien. Mit einem Stipendium der Rockefeller Foundation studierte er danach für ein Jahr an der London School of Economics, wo Bronisław Malinowski lehrte. 1936 betrieb er erste Feldforschungen bei den Nagas in Indien.
Nach seiner Habilitation (1939) an der Universität Wien unternahm der inzwischen verheiratete Haimendorf gemeinsam mit seiner Ehefrau Elisabeth seine zweite Forschungsreise nach Indien. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde er dort von der britischen Kolonialmacht als Enemy Alien inhaftiert, durfte seine Forschungen aber bald weiterführen.[1] 1944 diente er der Kolonialregierung als Berater, 1945 wurde er Professor an der Universität Haiderabad. 1950 wechselte Haimendorf als Professor an die School of Oriental and American Studies der Universität London, dort wirkte er bis zu seiner Pensionierung 1976.
Nachdem Nepal 1953 für Feldforschungen geöffnet worden war, konzentrierte sich Haimendorf für den Rest seines Forscherlebens auf die Beobachtung von Lebensweise, Gesellschaftsordnung und Ökonomie der Sherpas. Weil er das über Jahrzehnte tat, konnte er die Auswirkungen des Tourismus auf das nepalesische Volk analysieren.
Die Haltung Haimendorfs zu Nationalsozialismus, Rassismus und Kolonialismus ist in der Wissenschafts-Geschichtsschreibung der Ethnologie umstritten. Österreichische Ethnologen bewerten die Vergangenheit des Forschers kritischer als ihre angloamerikanischen Kollegen.[2]
Werke (Auswahl)
- Die nackten Nagas. 13 Monate unter Kopfjägern Indiens. F. A. Brockhaus, Leipzig 1939
- Glückliche Barbaren. Bei unbekannten Völkern an der Nordostgrenze Indiens. F. A. Brockhaus, Wiesbaden 1956
- The Sherpas of Nepal. Buddhist highlanders. Murray, London 1964
- Morals and merit. A study of values and social controls in South Asian Societies. University of Chicago Press, Chicago; Weidenfeld and Nicolson, London 1967
- Return to the naked Nagas: An anthropologist's view of Nagaland 1936–1970. Vikas Publishing House, Neu-Delhi 1976
Literatur
- Hilde Schäffler: Begehrte Köpfe. Christoph Fürer-Haimendorfs Feldforschung im Nagaland (Nordostindien) der 30er Jahre. Böhlau, Wien/Köln/Weimar 2006
Weblinks
- Literatur von und über Christoph von Fürer-Haimendorf im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Eintrag zu Christoph von Fürer-Haimendorf im Austria-Forum (im AEIOU-Österreich-Lexikon)
- Nachruf auf Christoph von Fürer-Haimendorf von Alan MacFarlane und Mark Turin, Universität Cambridge, englisch, PDF
- Englischsprachige Kurzbiografie mit Foto, Universität London
- Englischsprachiges Interview mit Christoph von Fürer-Haimendorf (Universität London)
Einzelnachweise
- Obwohl er nie in den deutschen Sprachraum zurückkehrte, wurden manche seiner Schriften im NS-Deutschland verbreitet. 1944 wurde eine Feldpostausgabe mit dem Titel Der weiße Kopfjäger gedruckt, dabei handelte es sich um Auszüge aus seiner Schrift Die nackten Nagas. Vgl. dazu Ralf Meßner: Christoph von Fürer-Haimendorf: „Die Stellung der Naturvölker in Indien und Südostasien“. SEAS
- Siehe Verweise auf mehrere Online-Texte