Carl Hummel (Porträtmaler)
Carl Ludwig Hummel, auch Carl Ludwig Hummel de Bourdon (eigentlich Charles de Bourdon, * um 1769 in Besançon;[1] † 23. April 1840 in Wien) war ein österreichischer Porträtmaler französischer Abstammung, der sich auf Miniaturbildnisse spezialisierte.
Leben
Bourdon floh vermutlich 1793/94 vor der Terrorherrschaft aus Frankreich und ist danach im schweizerischen Bern nachweisbar. Schon vor seiner Heirat trug er den Titel „Peintre de son Altesse Impériale la Palatine“,[2] stand somit in Diensten der Zarentochter Alexandra Pawlowa (1783–1801), die 1799 den Erzherzog-Palatin Joseph (1776–1847) geheiratet hatte, den Statthalter des Kaisers in Ungarn. Ob er dort auch gelebt hat, ist nicht bekannt.
Ab 1799/1800 ist der Maler bereits in Wien nachweisbar und nannte sich fortan Carl Hummel (dem deutschen Wort für „Bourdon“), wurde aber in den Kirchenbüchern noch bei der Geburt seiner Tochter (1817) als „Hummel Bourdon“ registriert. Am 10. September 1800 heiratete er in der Michaelerkirche die aus Paris stammende Louise Aglaé Quidor de Perez, die Tochter des ehemaligen Pariser Polizeiinspektors Étienne-François Quidor und seiner Frau Marie geb. Charon. Die gleichfalls nach Wien geflohene Familie stand unter dem Schutz des Grafen Johann Anton Pergen.[3] Die Angaben zu Hummels Person lauten im Trauungsbuch der Kirche:
„Karl Hummel de Pourdon (!) ein Hofmahler von Bern aus der Schweitz des Hrn. Isidor Hummel de Bourdon eines Herschaftl[ichen] Verwalters und der Johana Nicolet ehl. Sohn in Michaeler Hauß No. 1221.“[4]
Der Kunsthistoriker Jean de Bourgoing schreibt, dass Hummel „den neuen Stil der französischen Miniaturmalerei, die sich während der Revolution ihrer aristokratischen Note entledigt hatte, nach Wien brachte. Nicht nur in ihrer Tracht erscheinen nun die Dargestellten demokratisiert, sondern auch in ihrer Haltung und Entourage sind die Porträts aller Formate einfacher gehalten und jeder, wenige Jahre früher noch so beliebten theatralischen oder gezierten Pose ferne.“[2]
Im Januar 1808 erwarb Hummel zusammen mit dem Architekten Charles de Moreau ein Areal in der Leopoldstadt und ließ darauf die erste „öffentlich privilegierte Badeanstalt“ in Wien errichten, das sogenannte Dianabad, das am 1. Juli 1810 eröffnet wurde,[5] und wo Hummel bis zu seinem Tod auch wohnte. Das beliebte Bad sicherte ihm zeitlebens ein festes Einkommen, so dass er auf die Einkünfte aus seiner Malerei nicht angewiesen war.
Einem Ausstellungskatalog von 1813 zufolge porträtierte er „in Isabeys Manier“ hauptsächlich Persönlichkeiten des Wiener Adels und des Kulturlebens. Genannt sind dort Porträts von Domenico Artaria, Fürst Ferdinand von Kinsky, Peter von Braun, Graf Ferdinand Pálffy und Graf Johann Rudolf Czernin.[6]
Insbesondere während des Wiener Kongresses 1814/15 schuf er zahlreiche Porträtminiaturen. Die meisten Auftraggeber waren sehr zufrieden. Joseph Carl Rosenbaum, dessen Porträt Hummel 1815 begonnen hatte, notierte am 10. Januar 1816 in seinem Tagebuch: „Effenrath brachte mein Porträt von Hummel, ein sehr gelungenes, vollendetes Werk, welches alle vortrefflich fanden.“[7]
Guillaume-Isidore Baron de Montbel schreibt in seiner Biographie über den frühverstorbenen Herzog von Reichstadt (1811–1832), dass Hummel um 1817/18 auch diesen porträtierte:
„Ein französischer Maler, seit langer Zeit in Wien ansäßig, empfehlungswürdig durch seine Kunst, wie durch seinen Charakter, Herr Hummel, […] wurde, als der Prinz zwischen sechs und sieben Jahre alt war, berufen, um ihn zu malen.“[8]
In späteren Jahren betätigte er sich auch als Kunstschätzer. So ist das Verzeichnis der Kunstsammlung aus dem Nachlass der verstorbenen Beethoven-Freundin Josephine Brunsvik unterzeichnet: „Wien den 1. July 1821 Carl Hummel mit Inhaber des Dianabads.“[9]
Er starb am 23. April 1840 im Alter von 71 Jahren „an Folgen organischen Fehlers im Unterleibe“ in seiner Wohnung Leopoldstadt Nr. 9 (Dianabad).[10] Sein Grab, das ein „in schönen Maßen gehaltenes Denkmal“ ziert, befindet sich auf dem Sankt Marxer Friedhof.[11]
- Bildnis einer jungen Dame, Aquarell auf Elfenbein (1810)
- Joseph Carl Rosenbaum (1815), Wien Museum
- Bildnis des Fürsten Karl Philipp zu Schwarzenberg
- Miniaturporträt von Zofia Branicka (1824)
Bekanntschaft mit Beethoven
Hummels Freund, der Architekt Charles de Moreau, der 1803 nach Wien kam, bezog dort eine Wohnung im „Rothen Haus“ in der Alservorstadt Nr. 173. Vom Mai bis November 1804 wohnte dort auch Ludwig van Beethoven, ebenso dessen Freund Stephan von Breuning.[12]
Somit hält es Rita Steblin für denkbar, dass auch Beethoven den Maler kannte und dieser die beiden Elfenbein-Miniaturen schuf, die später in seinem Nachlass gefunden wurden.[13] Die Porträts, die zwei unbekannte Frauen darstellen, stammen höchstwahrscheinlich von demselben Künstler.[14]
Familie
Carl Hummel hatte fünf Kinder, die zwischen 1801 und 1817 in Wien geboren wurden,[15] darunter:
- Eugen Hummel (* 21. November 1812 in Wien, † 12. Februar 1874 ebenda), der gleichfalls Maler wurde, und
- Johanna Ludovika Hummel (* 26. März 1817 in Wien).[16]
Literatur
- Franz Heinrich Böckh: Wiens lebende Schriftsteller, Künstler und Dilettanten im Kunstfache. Wien 1821, S. 259 (books.google.de).
- Katalog der Wiener-Congress-Ausstellung 1896. 4. Auflage, Wien 1896, Nr. 156, 167, 671 (Textarchiv – Internet Archive).
- Eduard Leisching (Hrsg.): Miniaturen-Ausstellung im Palais des k. k. Ministerrats-Präsidiums. Wien 1905, Nr. 863, 1311, 1312, 1645, 1676, 1901, 2238, 2524, 2695, 2774.
- Eduard Leisching: Die Bildnis-Miniatur in Oesterreich von 1750 bis 1850. Wien 1907.
- Hummel, Carl. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Band 17: Heubel–Hubard. E. A. Seemann, Leipzig 1924, S. 126–127.
- Jean de Bourgoing: Die Wiener Bildnisminiatur. Wien 1926.
- Hummel, Carl. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 3, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1965, S. 8 f. (Direktlinks auf S. 8, S. 9).
- Nora Keil: Die Miniaturen der Albertina in Wien. Wien 1977.
- Jan Nepomuk Assmann und Soňa Divišová (Hrsg.): Portrétní miniatury 17.–19. století. Katalog der Prager Nationalgalerie, Prag 1996, Nr. 74.
- Robert Keil: Die Porträtminiaturen des Hauses Habsburg. Die Sammlung von 584 Porträtminiaturen aus der ehemaligen von Kaiser Franz I. von Österreich gegründeten Primogenitur-Fideikommißbibliothek in der Hofburg zu Wien. Wien 1999.
- Rita Steblin, Three Portraits of Women in Beethoven's Estate: A Re-Examination, in: The Beethoven Journal, Jg. 34, Nr. 1 vom Sommer 2019, S. 4–13
Weblinks
Einzelnachweise
- Geburtsort laut Eintrag im Sterberegister der Pfarre St. Josef (matricula-online.eu).
- Jean de Bourgoing: Die Wiener Bildnisminiatur. 1926, S. 16.
- Renate Zedinger: Migration und Karriere. Habsburgische Beamte in Brüssel und Wien im 18. Jahrhundert. Wien 2004, S. 74.
- Wien, St. Michael, Trauungsbuch 1784–1804, S. 264 (matricula-online.eu).
- Richard H. Kastner, Der Architekt Karl (Charles) Moreau, in: Wiener Geschichtsblätter, Jg. 69, Heft 4/2014, S. 277–304, hier S. 286
- Leisching: Die Bildnis-Miniatur in Oesterreich von 1750 bis 1850. 1907, S. 183 f.
- Rosenbaum, Tagebuchnotiz vom 16. Januar 1816
- Guillaume-Isidore Baron de Montbel: Der Herzog von Reichstadt. Leipzig 1833, S. 78 (books.google.de).
- Marie-Elisabeth Tellenbach: Beethoven und seine Geliebte Josephine Brunsvik. Zürich 1983, S. 301 Anm. 29.
- Verstorbene zu Wien. In: Wiener Zeitung, 27. April 1840, S. 792 (online bei ANNO).
- Hans Pemmer: Der Friedhof zu St. Marx in Wien. Wien 1951, S. 48.
- Vgl. Stephan von Breunings Brief an Franz Gerhard Wegeler vom 13. Oktober 1804, in: Beethoven aus der Sicht seiner Zeitgenossen, hrsg. von Klaus Martin Kopitz und Rainer Cadenbach, München 2009, Band 1, S. 121
- Steblin (2019)
- Silke Bettermann, Die beiden Damen-Miniaturportraits aus Beethovens Nachlass, in: Bonner Beethoven-Studien, Band 3, Bonn 2003, S. 23–41, hier S. 29
- Steblin (2019)
- Wien, Pfarre St. Joseph, Taufbuch 1812–1824, S. 106 (matricula-online.eu).