Carl Anton Reichel
Carl Anton Reichel (* 5. April 1874 in Wels[1], Österreich-Ungarn; † 25. Oktober 1944 in Wien[2]) war ein österreichisch-tschechoslowakischer Autodidakt, bildender Künstler, Kunstsammler und -händler.[3]
Herkunft
Sein Vater Anton Reichel (Hennersdorf, Schlesien, 21. April 1843 – Linz, 3. Dezember 1884) stammte aus einer Bauernfamilie und war Notar in Grieskirchen. Das Doktorat hatte er am 3. November 1870 an der Universität Wien erworben[4]. Am 6. Februar 1873 heiratete er Caroline Rabl (1851–1914). Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor: neben Carl Anton noch Friedrich und der Hygieniker Heinrich Reichel (1876–1943).
Leben
Reichel ging in Salzburg und Kremsmünster in die Schule. Er studierte in Prag (1894–1895) und in Wien – womöglich auch in München –, Medizin, Psychiatrie und Psychologie, aber ohne Abschluss. 1903–1904 lebte er in München und lernte dort Alfred Kubin kennen. In erster Ehe heiratete er Hilde Konstanze Dolmatoff (geb. in Riga). Aus der Ehe gingen die Kinder Dorothea (1906–1972) und der Anthropologe Erasmus Gerhard Reichel-Dolmatoff (1912–1984) hervor. Eine Zeit lang wohnten sie in Großgmain, nach 1912 über Hermann Bahr und Anna Bahr-Mildenburg im Schloss Arenberg in Salzburg. Bahr widmete „dem großen Künstler Carl Reichel in dankbarer Ergebenheit“ sein Theaterstück Der Unmensch (1919). 1914 oder 1917 erwarb er den „Edelhof“ bei Micheldorf in Oberösterreich, wo er auch mit Arnold Schönberg in Kontakt trat.
1918, nach dem Ende der k. u. k. Monarchie erhielt Reichel die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft – er verzichtete darauf, als Deutschsprachiger die österreichische zu beantragen. Zu dieser Zeit entwickelte sich eine Freundschaft mit dem bayrischen Kronprinzen Rupprecht von Bayern, der bei ihm als „Dr. Ritter“ zeitweise Unterschlupf fand. In der Folge engagierte er sich in München stark als Monarchist und wurde in den Zwanzigerjahren zum Unterhändler des ehemaligen Prinzen mit Adolf Hitler über die Rolle der Monarchie. Auch mit Ernst Röhm, dem Führer der SA, kam es zu einer engen Freundschaft. Die Nähe zu Hitler und Röhm beendete die Beziehung zu Rupprecht.
Privat hatte er seine Familie in der Mitte der Zwanzigerjahre verlassen, um in Paris mit einer Tochter des Anatomen Carl Rabl zu leben (diese wiederum eine Nichte seiner Mutter). 1933 heiratete er neuerlich, diesmal die Schauspielerin Tony Van Eyck. Nach dem „Anschluss“ Österreichs wäre er ins KZ Buchenwald gebracht worden, aber noch 1938 freigekommen. Auch den weiteren Verhaftungen durch die GeStaPo wäre er durch seine Freundschaft mit Hitler entgangen.
1943 wurde eine Arbeit von ihm in einer Ausstellung in Hitlers Geburtshaus in Braunau am Inn gezeigt.
Er ist gemeinsam mit dem Maler Rudolf Sternad am Wiener Zentralfriedhof begraben.
Schaffen
Reichel wirkte, nachdem er in den ersten Jahren Holzschnitte gemacht hatte, vor allem als Radierer. Der Umfang seines Werkes wird mit etwa 300 Arbeiten angegeben. Ein starkes Interesse Bestand bei ihm an Indien, Tibet und dem Buddhismus. Sein Interesse an Phantastik machen ihn zu einem Vorläufer der Wiener Schule des Phantastischen Realismus.
Archivarische Überlieferung
Im Bayerischen Hauptstaatsarchiv hat sich in der Abteilung III (Geheimes Hausarchiv) im Nachlass des Kronprinzen Rupprecht Material über Reichel erhalten (820).
Literatur
Belletristische Arbeiten:
- Gustav von Festenberg: Der Zauberer. Roman. Wien: Gallus-Verlag, 1947 (Roman)
- Hans von Hammerstein-Equord: Die gelbe Mauer. Urkunde einer Leidenschaft. Wien: Bermann-Fischer Verlag, 1936 (Roman)
Memoirenliteratur:
- Hermann Bahr: Tagebuch. 17. November. Neues Wiener Journal, 30 (1922) #10433, 6. (3. Dezember 1922) Buchausgabe: H. B.: Liebe der Lebenden. Tagebücher 1921/23. Borgmeyer, Hildesheim 1925, Band II, S. 257–260
- Ernst Hanfstaengl: The Memoir of a Nazi Insider who turned against the Fuhrer. New York: Arcade Publishing 1957, S. 157
- Adalbert Schremmer: Mein Freund Karl Anton und die Weltgeschichte. In: Die Warte (1950), Nr. 2, S. 3.
Sekundärliteratur
- Paul Clemen: Carl Anton Reichel. In: Die Kunst für Alle, Jg. 37 (1922), Juni, S. 282–296. https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kfa1921_1922/0310
- Regina Dickinger: Carl Anton Reichel, 1874–1944 Biografie und Werkverzeichnis, Diplomarbeit Salzburg 1985
- Regina Doppelbauer (o Dickinger): Die Graphik Carl Anton Reichels – Seelenbespiegelung zwischen Irrationalismus und Psychoanalyse Dissertation. An der Geiwi Fakultät der Universität Salzburg 1988.
- Reichel Karl Anton. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 9, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1988, ISBN 3-7001-1483-4, S. 29 f. (Direktlinks auf S. 29, S. 30).
- Augusto Oyuela-Caycedo: Arqueología Biográfica: Las raíces Nazis de Erasmus Reichel, la vida en Austria (1912–1933). Biographical Archaeology: The Nazi Roots of Erasmus Reichel, life in Austria (1912–1933) In: Memorias, No 18 (2012) online
- Dagmar Ulm (Hrsg.): Geister, Gold, Schamanen. Goldschatze aus Kolumbien. Catálogo del Museo del Oro del Banco de la República, Bogotá – Landesmuseen im Schlossmuseum Linz, 2007.
Quelleneditionen
- Georg Wacha: "Zu Carl Anton Reichel: Der Briefwechsel mit Kronprinz Rupprecht von Bayern", in: Kunstjahrbuch der Stadt Linz 1976, Linz 1977, S. 53–61.
- Carl Hans Watzinger: Carl Anton Reichel: Ein Künstlerleben im Geisteswandel des 20. Jahrhunderts. In: Oberösterreichische Kulturzeitschrift, Jg. 26 (1976), H. 4, S. 39–46.
Weblinks
Einzelnachweise
- Taufen - Duplikate 1874 - 106/1874 | Wels - St. Josef (Vorstadt) | Oberösterreich: Rk. Diözese Linz | Österreich | Matricula Online. Abgerufen am 16. November 2020.
- ANNO, Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 1944-10-31, Seite 3. Abgerufen am 16. November 2020.
- Arqueología Biográfica: Las raíces Nazis de Erasmus Reichel, la vida en Austria (1912-1933). In: rcientificas.uninorte.edu.co. Abgerufen am 1. Januar 2016 (spanisch, Dieser Aufsatz dient als Quelle für die meisten Angaben des Eintrags zu Daten und Fakten.).
- Reichel, Anton. 11. März 1870, abgerufen am 1. Januar 2016.