Campagnolo
Campagnolo ist ein italienisches Unternehmen mit Sitz in Vicenza, das vorwiegend hochwertige Fahrradkomponenten herstellt. Der Markenname wird oft mit „Campa“ abgekürzt. Das Unternehmen wurde 1933 von Tullio Campagnolo gegründet und wird heute von dessen Sohn Valentino Campagnolo geführt. Die Geschäftsführer sind Renzo Romagnosi und Michele Cardi. Campagnolo wird nachgesagt, die Kettenschaltung erfunden zu haben, dies ist jedoch nicht so. Die Gebrüder Nieddu haben Mitte der 1930er Jahre eine funktionierende Schaltung erfunden, die von Profis benutzt wurde. Tullio Campagnolo hat nicht die Kettenschaltung erfunden, er hat aber 1946 als Erster eine Kettenschaltung eingeführt, die sich im Alltagseinsatz bewährt hat, die Gestängeschaltung.[2] Alle bis zu diesem Zeitpunkt gebräuchlichen Kettenschaltungen verursachten noch Probleme wie übermäßiges Verschmutzen und häufiges Abspringen der Kette.
Campagnolo | |
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Rechtsform | Società a responsabilità limitata |
Gründung | 1933 |
Sitz | Vicenza, Italien |
Mitarbeiterzahl | ca. 800[1] |
Branche | Fahrradkomponenten |
Website | www.campagnolo.com |
Geschichte und Technik
Tullio Campagnolo war Radrennfahrer und hatte im italienischen Ort Vicenza eine kleine Werkstatt. Bei einem Radrennen am 11. November 1927 verlor er am Pass Croce d’Aune in den Dolomiten viel Zeit bei dem Versuch, im Schneetreiben das Hinterrad loszuschrauben und umzudrehen (damals die einzige Methode, unterwegs die Übersetzung zu ändern). Daraufhin ersann er eine Lösung, um den Laufradwechsel zu vereinfachen und zu beschleunigen: Er erfand den Schnellspanner für Fahrradnaben.
Es folgte die Parallelogramm-Gelenkschaltung als Weiterentwicklung der Gestängeschaltung. Dieser Schaltungstyp ist noch heute die Grundlage aller Kettenschaltungen. Tullio zog sich vom aktiven Radsport zurück, um sich ganz dem Bau vom Fahrradkomponenten zu widmen.
1940 stellte er seinen ersten Angestellten ein; 1950 wurden bereits 123 Mitarbeiter bei Campagnolo beschäftigt. 1955 wurde die erste komplette Komponentengruppe für Fahrräder vorgestellt. Bereits in den 1940ern begann man, den Namen Campagnolo auch auf Ausrüstungsgegenständen und Bekleidungsstücken von Radrennfahrern zu verwenden. Berühmte Rennfahrer, wie etwa der legendäre Fausto Coppi, trugen Campagnolo. Diese Bekleidungs- und Ausrüstungsteile wie Trikots, Mützen und Trinkflaschen produzierte Campagnolo jedoch nicht selbst, sondern bezog sie von Zulieferern.
Anfang 2000 ging die Firma dazu über, Bekleidung selbst herzustellen und zu vertreiben. Dazu entstand im Jahr 2000 erst die Firma Abacus 2000, die später in die Campagnolo Sportswear S.r.l. umbenannt wurde. Im August 2012 gab Valentino Campagnolo die Einstellung der Bekleidungslinie bekannt. Im Jahr 2004 kam die Firma Fulcrum Wheels S.r.l. hinzu, die das Angebot von hochwertigen Laufrädern und Kurbeln mit Campagnolotechnologie ohne Campagnoloschriftzug für Rennräder ergänzt. Seit 2008 bietet Fulcrum Wheels auch ein vollständiges Sortiment von Laufrädern für Mountainbikes an.[3]
Campagnolo beschäftigt rund 690 Mitarbeiter weltweit[3] und erzielte im Geschäftsjahr 2012/2013 einen Umsatz von rund 110 Millionen Euro. Der Firmenstandort befindet sich in Vicenza, Italien. Produziert wird in Italien, Rumänien, China und Taiwan. Nachdem Campagnolo in den 1990er-Jahren auch BMX-, Tandem-, ATB- und Mountainbike-Komponenten (Gruppen Euclid, Chorus ATB, Olympus, Centaur, Icarus und Record OR), Motoren für Rennsport, Hubschrauberbauteile, Satelliten und Rüstungsprojekte, früher auch Felgen und andere Komponenten für die Formel 1 produzierte, hat sich Campa aus diesem Markt wieder zurückgezogen und stellt momentan ausschließlich Komponenten für Rennräder her.
Ende der 1950er Jahre begann Campagnolo Magnesiumteile wie Räder für Sportwagen wie Alfa Romeo, Ferrari, Lamborghini und Maserati herzustellen und baute 1969 Chassis für NASA-Satelliten. 1963 produzierte Campagnolo eine Scheibenbremse für den TV-Motorroller Innocenti Lambretta – das erste zweirädrige Serienfahrzeug mit einer solchen Bremse. In den 1970er Jahren lieferten sie auch Räder für Ferraris Formel-1-Autos.
Campagnolo arbeitete mit dem Hersteller Colnago und dem Rennfahrer Eddy Merckx zusammen und stellte Leichtbauteile für das Bahnrad her, mit dem er 1972 den Weltrekord aufstellte.
Nach dem Erfolg von Campagnolo in den 1970er und 1980er Jahren blieb die Innovation zurück, da der Rivale Shimano Schalthebel und kombinierte Schalt- / Bremshebel (Shimano Total Integration) entwickelte. Ein erfolgloser Ausflug in das Mountainbiken, die überbauten und schweren Euklid-, Centaur- und Olympus-Gruppen trugen in diesen Jahren zum Niedergang des Unternehmens bei. Als die teuren Gruppen Record OR (Offroad) und Icarus MTB auf den Markt kamen, war der Ruf von Campagnolo als Rennradmarke fest verankert. Infolgedessen zog sich Campagnolo 1994 aus dem Mountainbike-Markt zurück. Trotz seiner Schwierigkeiten stellte Campagnolo die kombinierten Schalt- / Bremshebel ErgoPower vor und konzentrierte sich erneut auf hochwertige Rennradkomponenten.
In den späten 1990er und frühen 2000er Jahren baute Campagnolo vermehrt Teile aus mit Kohlenstofffasern verstärktem Kunststoff und Titan in Gruppensätzen ein und entwickelte Radsätze. Im Jahr 2004 führte Campagnolo einen kompletten Compact-Antriebsstrang mit kleineren Kettenblättern ein, um niedrigere Gänge als bei herkömmlichen Antrieben zu erzielen. Zu den weiteren Innovationen gehörten eine von Hirth entwickelte Ultra-Torque-Kurbel mit Außenlager und eine G3-Speichenschnürung für Rennräder. Im Jahr 2008 führte Campagnolo 11-Gang-Antriebe mit Super Record-, Record- und Chorus-Gruppen ein. Campagnolo hat eine elektronische Version seines Antriebsstrangs herausgebracht. Im April 2018 startete das Unternehmen 12-Gang-Record- und Super-Record-Gruppen.
Campagnolo hat sich auf Renn- und Bahnradfahren konzentriert. Im Rahmen der UCI ProTour wurden Teams wie Astana, Movistar, Lotto-Soudal, Cofidis, Quick Step-Innergetic (Tom Boonen, Paolo Bettini) und Lampre gesponsert. Campagnolo ist mit den Siegen von Eddy Merckx verbunden, der ausschließlich Campagnolo benutzte und mit Tullio Campagnolo befreundet war.
Technik
Technische Neuerungen der jüngeren Vergangenheit waren unter anderem der 11-fach-Antrieb (rechnerisch bis zu 22 Gänge möglich), die Herstellung von immer mehr Komponenten aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff („Carbon“) sowie das G3-Einspeichsystem bei Laufrädern. Bereits Mitte der 1990er-Jahre erprobte Campagnolo eine elektrische Schaltung, die auch bereits an Rädern von Profis aus GS1- und auch ProTour-Mannschaften während bedeutender Wettkämpfe (beispielsweise der Tour de France, Paris–Roubaix, Paris–Nizza) erprobt wurde. Elektronische 11-fach-Schaltungen wurden von Campagnolo ab dem Modelljahr 2013 in Serie produziert. Das Kürzel EPS hinter der Gruppenbezeichnung weist darauf hin. Seit 2009 produziert Campagnolo die erste Komponentengruppe mit mechanischer 11-fach-Schaltung mit einem Gewicht von unter 2 kg. 2018 stellte das Unternehmen die erste Rennrad-Gruppe mit 12-fach Kassette (rechnerisch 24 Gänge möglich) vor.
2020 brachte Campagnolo erstmals eine Gravelschaltgruppe auf den Markt. Diese Gravelgruppe zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass erstmals 13 Ritzel und ein Kettenblatt verbaut sind. Dadurch kann eine große Reichweite an Gängen bereitgestellt werden; gleichzeitig bleibt das Gewicht bei unter 2,4 kg für die komplette Gruppe. Diese Produktreihe bleibt allerdings ein Nischenprodukt und wird nur an wenigen Rädern serienmäßig verbaut.[4][5][6]
Nach den Rennradgruppen machen die Laufräder den zweiten großen Anteil des Unternehmensgeschäfts aus. Seit 1999 bietet Campagnolo seine Laufräder ab Werk auch mit HG-kompatiblen Freiläufen an.
Mitbewerber und Kompatibilität
Direkte Mitbewerber sind das japanische Unternehmen Shimano und der amerikanische Fahrradkomponentenhersteller SRAM.
Bis Mitte der 1990er Jahre wurden viele Campagnolo-Schaltgruppen so hergestellt, dass sie mit Komponenten von zum Beispiel Shimano kompatibel sind, danach wurde dies geändert. Die Abstände der Ritzel auf den Kassetten unterscheiden sich von denen der Systeme von Shimano bzw. SRAM, was andere Schaltabstände zur Folge hat. Jedoch sind alle Campagnolo-Elffach-Teile bis Modelljahr 2014 miteinander kompatibel, unabhängig davon, zu welcher Gruppe sie gehören. Das Gleiche gilt für alle Zehnfachkomponenten von Campagnolo. Dagegen sind die Elf- und Zehnfachkomponenten wegen unterschiedlicher Schaltabstände nicht kombinierbar.[7]
Ab 2015 wurde das Übersetzungsverhältnis von Schalt-/Bremshebel, Schaltwerk und Umwerfer für die Gruppen Chorus, Record und Super Record geändert, sodass diese Komponenten mit anderen Campagnolo-Elffach-Gruppen bis 2014 nicht mehr kompatibel sind, mit Ausnahme von Kassette, Kurbel, Ketten und Bremsen.[8]
Produkte
Aktuelle Rennradgruppen ab Modelljahr 2017
(in qualitativ absteigender Reihenfolge)
- Super Record / 11-fach, (Alu, Carbon und Titan), auch als elektronische Schaltung (EPS) verfügbar
- Record / 11-fach, (Alu, Carbon), auch als elektronische Schaltung (EPS) und mit Scheibenbremsen verfügbar
- Chorus / 11-fach, (Alu, Carbon), auch als elektronische Schaltung (EPS) und mit Scheibenbremsen verfügbar
- Potenza / 11-fach (Aluminium), auch mit Scheibenbremsen verfügbar
- Centaur / 11-fach, (Aluminium) (bis 2002: Daytona, bis 2000: Athena)
Aktuelle Gravelgruppen
- Ekar / 13-fach (Alu, Carbon), nur als einfach Schaltung und mit Scheibenbremsen verfügbar.
Komponenten ohne Gruppenbindung ab Saison 2009
- Cyclocross: Kurbelgarnituren für den Cyclocrosseinsatz in verschiedenen Ausführungen (CX 10S, CX 10S Carbon, CX 11S, CX 11S Carbon jeweils in 36-46 oder 34-50 Übersetzung)
- Pista: Für Bahnräder mit starrer Nabe und Einzelkettenblättern
- Time Trial: Für Zeitfahrräder mit Lenkerendschalthebeln, Bremshebeln ohne Schaltmechanismus und größeren Kettenblättern (bis 55 Zähne)
- Triple: Dreifach-Kettenblattgarnitur mit zugehörigem Umwerfer, Schaltwerk, Innenlager
Nicht mehr hergestellte Rennradgruppen
- Mirage (bis 2007, 10-fach)
- Xenon (bis 1996) – wurde bis mindestens 2008 gebaut
- Rapida (bis 1992)
- Daytona (bis 2001)
- Avanti (bis 1997)
- Centaur (bis 2014)
- Athena 11-fach EPS (bis 2014)
- Athena 11-fach mechanisch (bis 2017, dann nur noch mit 3-fach-Kurbel)
- Veloce / 10-fach, (schwarz und silber, bis 2016)
Laufräder (Stand: 2013)
(in qualitativ absteigender Reihenfolge)
Niedrigprofil
- Hyperon Ultra Two (Draht- und Schlauchreifen)
- Hyperon Ultra One
- Neutron Ultra
Mittelhohes Profil
Hohes Profil
Bahnlaufräder
- Ghibli Ultra
- Ghibli Pista
- Pista Schlauchreifen
Galerie
- Campagnolo Super Record Kurbel von 1981
- Campagnolo OMEGA Felge
- Campagnolo Rennradnabe
- Campagnolo Vorderradnabe
- Campagnolo Platten-Pedale
- Moderne Campagnolo Ultra Torque Kurbel
- Campagnolo Veloce Ergopower Schalt-Bremshebel, 9fach
Weblinks
- Website der Campagnolo S.r.l. (mehrsprachig)
- Geschichte von Campagnolo auf fahrradmonteur.de
Einzelnachweise
- repubblica.it – Campagnolo, i nuovi materiali hanno conquistato pure la Luna
- Die Geschichte von Campagnolo auf Fahrradmonteur.de
- Geschichte von Campa. (Nicht mehr online verfügbar.) Campagnolo, archiviert vom Original am 6. April 2010; abgerufen am 18. Oktober 2009.
- Ekar - Mechanische Gruppen Campagnolo. Abgerufen am 30. April 2021.
- Neue Campagnolo Ekar – erster Test: 13 Gänge für ein Halleluja. In: Rennrad-News. 24. September 2020, abgerufen am 30. April 2021.
- Benjamin Topf, Philipp Schwab: Die neue Campagnolo Ekar-Schaltgruppe für Gravel-Bikes im ersten Test – 13 Gänge und ein Espresso. In: granfondo-cycling.com. 24. September 2020, abgerufen am 29. April 2021.
- roadbike.de
- Technische Daten und Kompatibilität der 2015er-Gruppen auf campagnolo.com