Cab-Forward-Lokomotive
Mit Cab-Forward-Lokomotive (aus dem Englischen, deutsch wörtlich Führerhaus-vorne-Lokomotive) werden Dampflokomotiven bezeichnet, die entgegen der üblichen Bauweise einen in Fahrrichtung vorne angeordneten Führerstand haben.
Technik
Als Hauptvorteil dieser Bauart gilt die deutlich bessere Sicht nach vorn, weil das Sichtfeld des Lokomotivführers nicht durch den Kessel eingeschränkt wird. Außerdem kann durch das vorne liegende Führerhaus das Fahrpersonal vor dem Rauch der Lokomotive geschützt werden, was vor allem bei Fahrten in langen Tunneln wichtig ist, denn es kam immer wieder zum Erstickungstod des Fahrpersonals wegen Sauerstoffmangels.[1]
Damit der Kessel während der Fahrt bedient werden kann, muss bei der Anordnung mit vorne liegendem Führerhaus der Kessel mit dem Schornstein nach hinten auf das Fahrwerk gesetzt werden. Dies hat zwar den Vorteil, dass eine größere Rostfläche in der Feuerbüchse zur Verfügung steht, weil die Breite nicht durch den Platz zwischen den Treibräder beschränkt ist, hatte aber den entscheidende Nachteil, dass ein hinter der Lokomotive laufender Schlepptender mit festen Brennstoffen während der Fahrt nicht mehr erreicht werden kann. Weil ein geschobener Tender aus Gründen der Laufsicherheit unerwünscht ist und außerdem zu einer Sichtbehinderung führt, muss der Kohlenvorrat entweder auf der Lokomotive selbst untergebracht werden, was wegen des begrenzten Lichtraumprofils nur bis zu einer bestimmten Kesselgröße sinnvoll ist, oder die Feuerung muss mit einem Brennstoff erfolgen, der in Rohrleitungen vom Schlepptender zur Feuerbüchse gefördert werden kann. Hierfür eignen sich Kohlenstaub und Öl.
Ein weiterer Nachteil der Cab-Forward-Lokomotiven war, dass das Personal während der Fahrt nicht das Triebwerk und die Strecke gleichzeitig beobachten konnte. Die Überwachung des Triebwerks während der Fahrt war besonders schwierig, weil Geruch und Geräusch sich anbahnender Schäden vom Führerhaus weggetragen wurden.[1]
Wurde der Kessel in seiner üblichen Lage mit der Feuerbüchse am hinteren Ende belassen, so konnten sich Lokführer und Heizer nur mehr schwer verständigen, weil sie räumlich voneinander getrennt waren. Für die Kommunikation musste ein Sprachrohr verwendet werden.
Ausgeführte Lokomotiven
Die französische Thuile-Lokomotive, sowie die preußischen Baureihen S 9 und T 16, waren Lokomotiven mit vorne liegendem Führerhaus und normaler Kessellage. Sie kamen über den Status von Versuchslokomotiven nicht hinaus.
Die erfolgreichsten Cab-Forward-Lokomotiven in Europa waren die als Halbtenderlokomotive ausgeführte Baureihen 670 der Rete Adriatica in Italien, sowie die später von der Ferrovie dello Stato Italiane (FS) daraus umgebaute Heißdampfvariante der Baureihe 671. Der Kohlenvorrat wurde auf den Lokomotiven, der Wasservorrat in einem Tankwagen hinter den Lokomotiven mitgeführt. Die Vierzylinder-Verbundlokomotiven der Achsfolge 2’C waren während gut dreißig Jahren vor Schnellzügen in Norditalien im Einsatz. Der Versuchsträger 672 war eine Weiterentwicklung der Bauart mit einer Franco-Crosti-Speisewasservorwärmung im Tender.
Bei der deutschen 05 003 wurde die Lösung einer Kohlenstaubfeuerung gewählt. Doch auf dem langen Weg zwischen Tender und Feuerbüchse entmischte sich der von einem Gebläse geförderte Strom aus Luft und Kohlenstaub, sodass der Staub nur unvollständig verbrannte. Die Probleme führten schließlich dazu, dass die Lokomotive gedreht und in eine konventionelle, mit der Rauchkammer voraus fahrende und mit Stückkohle gefeuerte Lokomotive analog zu den Lokomotiven 05 001 und 002 umgebaut wurde, was für den Fall des Scheiterns der Versuche von Anfang an vorgesehen war.
Die neben den italienischen Maschinen erfolgreichsten Cab-Forward-Lokomotiven, die diese Bezeichnung auch geprägt haben, waren die 244 Lokomotiven der Klassen AC-1 bis AC-8 und AC-10 bis AC-12 der Southern Pacific Railroad. Sie waren als Gelenklokomotiven mit der Achsfolge 2’D(D1’) ausgeführt und wurden mit Ölfeuerung betrieben. Motivation bei der Einführung dieser Bauart waren nicht die besseren Sichtverhältnisse, sondern das Problem, dass die Besatzungen der konventionellen Lokomotiven in einigen langen Tunneln und Lawinengalerien so sehr dem Rauch der eigenen Lokomotive ausgesetzt waren, dass mit Gasmasken gefahren werden musste. Einige Lokomotivführer gingen dazu über, ihre Lokomotiven zu drehen und rückwärts durch die Tunnel zu fahren, woraus die Idee zu den „Cabforwards“ entstand.
Automobildesign
Einzelnachweise
- Gr.670 FS / RA 500 / "Mucca". Märklin Fan Club Italia, Dezember 2019, abgerufen am 27. November 2021 (italienisch).