Bohemia (Schiff, 1896)
Die Bohemia war ein 1887 für den Transport von Passagieren und Fracht in Dienst gestelltes Schiff des Österreichischen Lloyd. Es wurde während des Ersten Weltkriegs 1917 in Shanghai beschlagnahmt und lief später als chinesisches Handelsschiff (Hwa Ping)[1] sowie als Schiff der chinesischen und japanischen Marine. Ihr genaues Schicksal nach 1941 ist unbekannt.
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Bau und Indienststellung beim Österreichischen Lloyd
Das aus Stahl gebaute zweimastige Dampfschiff Bohemia lief am 24. August 1896 auf der gesellschaftseigenen Werft, dem Lloydarsenal in Triest, vom Stapel und wurde am 19. Dezember 1896 in Dienst gestellt. Im Zustand der Ablieferung an den ÖL verfügte das Schiff noch über Rahsegel am Fockmast, die als Hilfssegel dienten (vgl. Abbildung). Später wurde die Takelage entfernt. Bei den Schiffsbildern von den Vergnügungsfahrten 1906 war die Segeleinrichtung jedenfalls nicht mehr zu sehen.
Technische Daten, Ausstattung
Die Bohemia wurde mit 4.318 BRT vermessen und erreichte mit ihrer Maschinenleistung von 5300 PS eine Geschwindigkeit von 17 Knoten.[2] Die Bohemia verfügte 1898 über 120 Betten in der 1. Klasse und 40 Betten in der zweiten. In einer Reiseofferte für die III. Vergnügensfahrt im Herbst 1906 (siehe unten) wurde in Heft 9 von Cook’s Welt-Reise-Zeitung von 1906[3] zur Ausstattung Folgendes angemerkt: Auf dem Schiff sind zehn Badezimmer zur kostenlosen Benutzung für alle Passagiere vorhanden, es können die Dienste einer Kammerfrau und eines Bordarztes unentgeltlich in Anspruch genommen werden. Dagegen war der mitreisende Barbier zu entlohnen.
- Schiff um 1901 mit Takelage für Hilfssegel
- Schiff um 1906, Ausrüstung für Vergnügungsfahrten
- Zustand um 1914 mit Ladegeschirr am Fockmast
Einsatz des Schiffs
Linienverkehr
Die Bohemia war primär zur Verstärkung der Kapazitäten im Eildienst zwischen Triest und Alexandria angeschafft worden. Hier waren schon die in England gebauten Schiffe Semiramis (Dumbarton, 1895) und Cleopatra (Greenock, 1894) sowie die Habsburg (Lloyd Arsenal, 1894) im Einsatz. Diese Linie bildete später neben der Eillinie nach Bombay mit die rentabelste Passagierlinie des Lloyd.[4] Die neue Lloyd-Direktion hatte es nämlich erreicht, dass zunächst der Luxuszug Ostende-Wien vom 1. Januar 1896 an einmal pro Woche bis Triest fuhr und dadurch direkten Anschluss an die Schifffahrtslinien nach und aus Alexandria hatte; zum Sommerfahrplan 1900 trat allerdings wegen schwacher Nachfrage ein Kurswagen in einem normalen Schnellzug der Südbahngesellschaft an die Stelle des gesamten Express'.
Einmal im Monat fuhr die SS Bohemia auch in die Häfen des Fernen Ostens bis Kobe.
Fahrten des Reisebüros Carl Stangen
Regelmäßig belegte der Berliner Reiseunternehmer Carl Stangen für seine Orientfahrten Kabinenkapazitäten der ersten und zweiten Klasse auf diesem Schiff. Da damals solche Reisen aufgrund ihrer Kosten nur von den begüterten Schichten durchgeführt werden konnten, waren die Reisegruppen, die zumeist mit der Eisenbahn von Berlin Anhalter Bahnhof aus über Wien und sodann bis Triest fuhren und dort die Seereise begannen, entsprechen klein. Eine Buchung der gesamten Passagierkapazitäten einer Fahrt kam daher nicht in Betracht.
Allerdings ergab sich für die im Herbst 1898 angebotene Fahrt nach Ägypten und von dort aus nach Jerusalem[5] aufgrund der zu diesem Zeitpunkt anstehenden Eröffnung der Erlöserkirche in Jerusalem am 31. Oktober 1898 nach Palästina durch den Deutschen Kaiser Wilhelm II. eine solche Nachfrage[6], dass Stangen mit allen ihm auf der Bohemia zur Verfügung stehenden Plätzen ausgebucht war und er zusätzlich Plätze auf der ebenfalls im Eildienst zwischen Triest und Alexandria laufenden SS Thalia buchen musste. Zuvor hatte Stangen seine Herbstfahrt mit der Teilnahme an der am 1. Oktober 1898 anstehenden Kircheneröffnung werbewirksam in der Presse verknüpft.[7]
Vergnügungsfahrten
Mit der Bohemia wurden insbesondere im Jahr 1906 zwei[8] der drei sogenannten Vergnügungsfahrten auf dem Mittelmeer durchgeführt. Der Lloyd wollte mit diesen erkunden, ob für solche Reisen, die zuvor nur sporadisch unternommen worden waren, hinreichender Bedarf für eine laufende Durchführung gegeben und wie ein Schiff für diese vorzubereiten wäre. Die 2. Schiffsklasse wurde dazu durch entsprechende Anpassungsarbeiten so aufgewertet, dass insgesamt nur Plätze in der einheitlichen 1. Schiffsklasse angeboten wurden. Ausweislich der nebenstehenden Postkarte von 1906 wurde das Schiff auch mit einem weißen Anstrich versehen. Die Nachfrage schon nach der I. Fahrt vom 2. April bis 16. April 1906[9] war sehr rege. Ein Reisebericht des österreichischen Schriftstellers Adam Müller-Guttenbrunn belegt, dass Passagiere, die zuvor Reisen mit dem Norddeutschen Lloyd vorgezogen hatten, durch die angebotenen Leistungen während der Fahrt zu künftigen Buchungen beim Österreichischen Lloyd animiert wurden.[10][11] Ein in Dillinger’s Reisezeitung veröffentlichter weiterer ausführlicher Fahrtbericht von der Oktoberfahrt (III.), die vom 2. bis 21. Oktober 1906 dauerte[12] und u. a. über Malta, Tripolis und Tunis führte, bestätigte das Qualitätsurteil.[13]
Im Ergebnis des Versuchs entschied sich der Lloyd, die SS Thalia zu einem reinen Kreuzfahrtschiff umzubauen und ab 1907 vor allem mit diesem Schiff entsprechende Fahrten auf dem Mittelmeer, der Nordsee und bis nach Spitzbergen anzubieten.
Verbleib nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs
Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 wurde das zu diesem Zeitpunkt in Shanghai liegende Schiff festgesetzt. Erst 1917 wurde es der chinesischen Schifffahrtsverwaltung unterstellt; es lief dann unter chinesischer Flagge als Hwah Ping.[14] 1923 wechselte es zur Marineabteilung, wo es 1930 in Poo An und 1936 in Poyang umbenannt wurde. Später kam das Schiff in japanische Hände und diente von 1940 bis Dezember 1941 als Hayo der japanischen Marine. Sein späteres Schicksal ist unbekannt, wahrscheinlich wurde es verschrottet.[15]
Poststempel, Werbung
Für die Vergnügungsreisen 1906 wurden Werbebroschüren aufgelegt und Inserate in Zeitungen und Zeitschriften vom Lloyd aufgegeben. Das Schiff wurde auf mehreren Postkarten abgebildet. Für das Schiffspostamt bestand ein Stempel mit dem Namenszug „BOHEMIA“, und es gab einen Bordstempel auf „Auf hoher See“ (siehe oben).
Siehe auch
Literatur
- Autorenkollektiv: Der Lloyd in Triest gestern – heute – morgen. Vom Österreichischen Lloyd zu Lloyd Triestino. Lloyd Triestino di Navigazione, Triest 1987
- Miroslav Hubert: Do světa s parníky Rakouského Lloydu. Mare-Czech, Praha 2010 (Hinaus in die Welt mit Dampfern des Österreichischen Lloyd)
- Lloyd triestino: Dall'Adriatico al mondo. mostro del centocinquantenario. Lloyd triestino di navigazione, Trieste 1986 (ital.)
- Horst Friedrich Mayer, Dieter Winkler: In allen Häfen war Österreich – Die Österreichisch-Ungarische Handelsmarine. Edition S, Verlag der Österreichischen Staatsdruckerei, Wien 1987, ISBN 3-7046-0079-2
- Publizistisches Bureau des Österreichischen Lloyd (Hrsg.): Fünfundsiebzig Jahre österreichischer Lloyd 1836–1911. Österreichischer Lloyd, Triest 1911
Anmerkungen, Einzelnachweise
- Paolo Valenti: Dal Lloyd Austriaco a Italia Marittima. Navi e servizi dal 1836 ad oggi. Luglio Editore, San Dorligo della Valle – Trieste 2016, S. 171
- Almanacco per il Personale di Camera e Cucina addetto al servizio del Lloyd Austriaco, Tip. Morterra & C., Trieste 1898, S. 39 (Flotta del Lloyd Austriaco)
- Vergleiche den Artikel (Anno-Digitalisat).
- Publizistisches Bureau des Österreichischen Lloyd (Hrsg.): Fünfundsiebzig Jahre Österreichischer Lloyd 1836–1911. Österreichischer Lloyd, Triest 1911, S. 105
- Vergleiche dazu unter anderen den Reisebericht von Richard Bärwinkel, der auf der Bohemia in einer 142-köpfigen Reisegruppe mitgefahren war, in: Maibritt Gustrau (Hrsg.): Orientalen oder Christen? Orientalisches Christentum in Reiseberichten deutscher Theologen. V&R unipress, Göttingen 2016, S. 288, 310 ff.
- Vergleiche deren Programm: Sonderfahrt nach dem Orient mit dem hocheleganten, grössten Mittelmeerdampfer des Oesterreichischen Lloyd „Bohemia“ (4000 Tons Gehalt, 5300 induzierte Pferdestärke, Abreise aus Triest 8. Oktober 1898, Dauer: 34 Tage; Stangen 1898, 2. verb. Auflag, 32 S., Illustrationen, 1 Faltkarte).
- Vergleiche sein Inserat in der Neuen Preußischen Zeitung vom 31. Juli 1898 (Nr. 353, Beilage).
- Die zweite Fahrt im Mai 1906 wurde mit der SS Koerber durchgeführt.
- Vergleiche Cook's Welt-Reise-Zeitung 1906, Heft 2 (Anno-Digitalisat).
- Reisebericht im Neuen Wiener Tagblatt vom 23. April 1906 (Anno-Digitalisat)
- Vergleiche auch den Artikel im „Deutschen Volksblatt“ vom 13. April 1906 (Anno-Digitalisat)
- Vergleiche den Artikel in Arbeiterwille (Anno-Digitalisat).
- Dillinger's Reisezeitung vom 15. Mai 1907 (Anno-Digitalisat)
- Siehe die Abbildung auf Pinterest.
- Vergleiche zu diesen Angaben die Webseite Ships Nostalgia.