Bentheim-Tecklenburg
Das Haus Bentheim-Tecklenburg ist ein ehemals reichsständisches Adelsgeschlecht des westfälischen Uradels. Es ist seit dem 12. Jahrhundert nachweisbar.
Die eigenständige Linie der Grafen von Bentheim-Tecklenburg entwickelte sich 1609 nach einer Erbteilung im reichsgräflichen Haus Bentheim. Von den damals entstandenen fünf Nebenlinien existieren heute noch die 1817 in den erblichen preußischen Fürstenstand erhobenen Familien Bentheim-Tecklenburg zu Rheda und Bentheim-Steinfurt zu Burgsteinfurt.[1]
Geschichte
Entstehung in der Frühen Neuzeit
Am Ende des 16. Jahrhunderts besaß das Grafenhaus Bentheim unter dem damaligen Familienoberhaupt Graf Arnold die bedeutenden Reichsgrafschaften Bentheim, Tecklenburg und Steinfurt sowie die politisch wichtige Grafschaft Limburg. Darüber hinaus befanden sich die Herrschaften Rheda, Gronau, Alpen und Linnep sowie umfangreiche Güter, Titel und zahlreiche Rechtsansprüche im Besitz der Familie, darunter auch das prestigeträchtige Amt der Erbvögte von Köln. Das Grafenhaus zählte damals zu den bedeutendsten Familien des Hochadels im Alten Reich und hatte eine große Bedeutung für die Reformation im westdeutschen Raum.
Nach dem Tod von Graf Arnold 1606 wurde der Besitz 1609 nach seinem Testament von 1590 unter seinen Söhnen aufgeteilt. Der erstgeborene Adolf von Bentheim, der 1623 verstarb, erhielt die Reichsgrafschaft Tecklenburg sowie die Herrschaft Rheda, während seine nachgeborenen Brüder Arnold Jobst und Wilhelm Heinrich die Regentschaft in den Reichsgrafschaften Bentheim und Steinfurt antraten. Die jüngeren Söhne von Graf Arnold wurden aus der 1592 an Bentheim gefallenen Erbmasse der Mutter Magdalena von Neuenahr-Alpen abgefunden. Graf Konrad Gumprecht erhielt die Grafschaft Limburg und Friedrich Ludolf die Herrschaft Alpen. Durch die von Graf Arnold verfügte Erbteilung wurde der große Territorial- und Güterbesitz des Grafenhauses zersplittert. Dies wirkte sich später ungünstig auf die weitere Entwicklung und politische Bedeutung der Familie aus.
Als Graf Konrad Gumprecht 1618 unerwartet an einer Krankheit starb, ging die Erbfolge in der Grafschaft Limburg an seinen 1617 geborenen Sohn Wilhelm über, der jedoch bereits 1626 verstarb. Die Erbfolge ging auf den Bruder Friedrich Ludolf über. Nach dessen Tode im Jahre 1629 erhielt der 1615 als Sohn von Graf Adolf von Bentheim-Tecklenburg geborene Graf Moritz das Territorium.
Da die Witwe Konrad Gumprechts, Gräfin Johannetta Elisabeth von Nassau-Dillenburg, vom Grafenhaus Bentheim nicht mit dem ihr zugesicherten Witwensitz Linnep, der an die Familie von Isselstein verpachtet war, sowie den im Ehevertrag vereinbarten Finanzmitteln versehen werden konnte, wurde ihr die vormundschaftliche Regentschaft in der Grafschaft Limburg für Graf Moritz von Bentheim-Tecklenburg überlassen. 1638 schlossen Graf Moritz und Gräfin Johannetta einen Vertrag, der ihr die Nutzungsrechte und Regentschaft über die Grafschaft Limburg bis zu ihrem Tod garantierte. Nur so konnten die umfangreichen Ansprüche und Rechte der Gräfinwitwe aus ihrer nur zweijährigen Ehe mit Graf Konrad Gumprecht befriedigt werden.
1633 musste die Witwe Johannetta Elisabeth eine dreijährige Besetzung der Grafschaft und Schlossanlage Limburg durch kaiserliche Truppen unter dem Generalwachtmeister Lothar Dietrich von Bönninghausen ertragen. Nur durch das Eingreifen des Grafen Johann Ludwig von Nassau-Hadamar, Bruder der Gräfin Johannetta Elisabeth und Gesandter am kaiserlichen Hof sowie bei den Friedensverhandlungen in Münster, konnte die Grafschaft für das Haus Bentheim-Tecklenburg vor den Ansprüchen des brandenburgischen Kurfürstenhauses gerettet werden.
18. Jahrhundert
Die Entwicklung des Grafenhauses Bentheim-Tecklenburg wurde seit dem 17. Jahrhundert von finanziellen Problemen beeinträchtigt. Hauptursache waren die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges. Hohe Kontributionszahlungen lasteten auf den Einwohnern der Territorien des Grafenhauses. Die Wirtschaft lag am Boden, das Steueraufkommen und die Einnahmen wurden immer geringer.
Hinzu kamen territoriale Streitigkeiten. Um die Grafschaften Limburg und Tecklenburg kam es seit Mitte des 17. Jahrhunderts zu häufigen Auseinandersetzungen mit den Kurfürsten von Brandenburg-Preußen.
Seit 1577 befand sich die Grafschaft Tecklenburg im Zentrum eines Erbfolgestreites mit dem Haus Solms-Braunfels. Dieser eskalierte, als preußische und solms-braunfelsische Truppen gegen Ende des 17. Jahrhunderts die Grafschaft besetzten. Die Grafen von Solms verkauften anschließend das Territorium an Preußen.
1729 erreichte Graf Moritz Casimir I. im Berliner Vergleich die volle Landeshoheit gegenüber Preußen. Dafür musste er eine hohe Geldzahlung leisten und auf alle Ansprüche auf die seit 1702 in preußischem Besitz befindliche Grafschaft Tecklenburg verzichten.
1756 wurde die Hauptresidenz von Schloss Hohenlimburg aus Gründen der Kostenersparnis nach Rheda verlegt. Während des Siebenjährigen Krieges wurde das Schloss Rheda zu einer Residenz im Stil des Rokoko umgebaut. Im Jahr 1780 kam ein Hoftheater hinzu, das die bereits auf Schloss Hohenlimburg vorhandene Hofkapelle mit Musicus ergänzte.
19. Jahrhundert
Nach ihrer Säkularisation 1803 kamen die Klöster Herzebrock und Clarholz, die in der Grafschaft lagen, in den Privatbesitz des gräflichen Hauses. Die Landesherrschaft der Grafen von Bentheim-Tecklenburg wurde nach dem Untergang des Alten Reichs durch die napoleonischen Gebietsteilungen beschnitten. 1808 wurden die Herrschaft Rheda und die Grafschaft Limburg dem neugeschaffenen Ruhrdepartement im Großherzogtum Berg zugeschlagen. 1854 erhielten die Fürsten von Bentheim-Tecklenburg-Rheda einen erblichen Sitz im Preußischen Herrenhaus.
Gegenwart
Nach dem Tod des durch kirchliches Engagement hervorgetretenen Moritz-Casimir Fürst zu Bentheim-Tecklenburg 2014 übernahm sein Sohn Maximilian Fürst zu Bentheim-Tecklenburg das Erbe. Dazu gehören nicht nur der Wohnsitz der Familie, Schloss Rheda, sondern auch das Schloss Hohenlimburg, Haus Bosfeld und Rötteken-Palais sowie die ehemaligen Klöster Clarholz und Herzebrock mit Landwirtschafts- und Forstbetrieben. Fürst Bentheim-Tecklenburg engagiert sich vielfältig und ist seit 2019 Präsident der Deutschen Burgenvereinigung.[2]
Bekenntnis und Glauben
Das Haus Bentheim-Tecklenburg war seit 1527 evangelisch-lutherischen Glaubens, wechselte 1588 aber zum evangelisch-reformierten Glauben.
Wappen
- Das Stammwappen (rechts) zeigt in Rot 17 ganze und zwei halbe (4:[½ 3 ½]:4:3:2:1) goldene Münzen. Auf dem Helm mit rot-goldenen Decken ein wie der Schild bezeichneter rot gekleideter Mohrenrumpf mit goldenem Kragen und gold gestulpter roter Spitzmütze mit goldener Quaste.[3]
- Wappen der Grafschaft Bentheim nach 1589: Hauptschild mit Herzschild. Hauptschild geteilt; oben zweimal, unten einmal gespalten, so dass sich 5 Felder ergeben. Feld 1: Stammwappen Grafschaft Bentheim, 2: Grafschaft Tecklenburg, 3: Grafschaft Lingen, 4: Grafschaft Steinfurt, 5: Grafschaft Limburg. Herzschild geteilt und zweimal gespalten, so dass sich sechs Felder ergeben. Feld 1: Haus Wevelinghoven, 2: Herrschaft Rheda, 3: Grafschaft Hoya, 4. Herrschaft Alpen, 5. Herrschaft Linnep, 6. Erbvogtei Köln.
Oben auf dem Helmen stehen:
- wegen Bentheim ein Mohr mit einem orientalischen Hut
- wegen Tecklenburg ein Pfau mit gespreiztem Schwanzgefieder
- wegen Steinfurt ein gefleckter Schwan
- wegen Limburg ein Löwe zwischen zwei Pfauenschwänzen[4]
Die Grafen von Bentheim-Tecklenburg (1562–1817)
- 1562–1606: Arnold II. (IV.) von Bentheim-Tecklenburg
- 1606–1623: Adolf von Bentheim-Tecklenburg
- 1623–1674: Moritz von Bentheim-Tecklenburg
- 1674–1704: Johann Adolf von Bentheim-Tecklenburg
- 1704–1710: Friedrich Moritz von Bentheim-Tecklenburg
- 1710–1768: Moritz Casimir I. von Bentheim-Tecklenburg
- 1768–1805: Moritz Casimir II. von Bentheim-Tecklenburg
- 1805–1817: Emil Friedrich I. zu Bentheim-Tecklenburg (gefürstet 20. Juli 1817)
Die Grafen zu Bentheim Tecklenburg-Rheda
- Friedrich Wilhelm Christian August (1767–1835)
- Moritz Kasimir Karl Christian Friedrich Alexander (1798–1877)
- Richard Friedrich Julius Ludwig Moritz (1840–1921)
- Karl Albert Moritz (1881–1967)
- Peter Moritz Kasimir Hellmuth → Peter zu Bentheim-Tecklenburg-Rheda (1916–1987), Präsident der Johanniter-Unfall-Hilfe von 1968 bis 1976.
- Christian Moritz Casimir (1958-)
Die Fürsten zu Bentheim-Tecklenburg
- 1817–1837: Emil Friedrich I. zu Bentheim-Tecklenburg (gefürstet 20. Juli 1817 – verstorben 17. April 1837)
- 1837–1872: Moritz Kasimir IV. zu Bentheim-Tecklenburg
- 1872–1885: Franz zu Bentheim-Tecklenburg
- 1885–1909: Gustav zu Bentheim-Tecklenburg
- 1909–1967: Adolf zu Bentheim-Tecklenburg
Familienoberhäupter ab 1919
- 1909–1967: Adolf Fürst zu Bentheim-Tecklenburg
- 1967–2014: Moritz-Casimir Prinz zu Bentheim-Tecklenburg
- Seit 2014: Maximilian Prinz zu Bentheim-Tecklenburg
Liegenschaften (Auswahl)
Siehe auch
Literatur
- Genealogisches Handbuch des Adels, Fürstl. Häuser. Band XIX, 2011
- Günter Aders: Urkunden und Akten der Neuenahrer Herrschaften und Besitzungen Alpen, Bedburg, Hackenbroich, Helpenstein, Linnep, Wevelinghoven und Wülfrath sowie der Erbvogtei Köln. Bonn 1977.
- Carl Heiner Beusch: Westfälische Standesherren. Die Fürsten von Bentheim-Tecklenburg im 19. Jahrhundert. In: Westfälische Zeitschrift. 145 (1995), S. 257–330.
- Karl Kennepohl: Die Münzen der Grafschaften Bentheim und Tecklenburg sowie der Herrschaft Rheda. Frankfurt 1927.
- Jürgen Kindler, Wolfgang-A. Lewe: Die Schlossmühle in Rheda. Rhedaer Schriften, Heft 11, Rheda-Wiedenbrück 2009.
- Harm Klueting: Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in der Grafschaft Limburg [Ausstellungskatalog der Dresdner Bank AG], Hagen 1980.
- Harm Klueting: Daß sie ein Abspliß von der Grafschaft Mark ist, daran ist kein Zweifel. Die Grafschaft Limburg vom 13. bis zum 19. Jahrhundert. In: Jahrbuch des Vereins für Orts- und Heimatkunde in der Grafschaft Mark. 93/93 (1995), S. 63–126.
- Edeltraud Klueting: Das (freiweltliche) adelige Damenstift Elsey. Geschichte, Verfassung und Grundherrschaft in Spätmittelalter und Frühneuzeit. Altena 1980 [= Altenaer Beiträge 14].
- Harm Klueting: Ständewesen und Ständevertretungen in der westfälischen Grafschaft Limburg im 17. und 18. Jahrhundert. Ein Beitrag zur territorialen Verfassungsgeschichte Deutschlands in der Frühneuzeit. In: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark. 70 (1976), S. 109–201.
- Stephanie Marra: Allianzen des Adels. Dynastisches Handeln im Grafenhaus Bentheim im 16. und 17. Jahrhundert. Köln/Weimar/Wien 2007, ISBN 3-412-31105-7.
- Stephanie Marra: Tod auf der Kirchmeß. Präsenz und Renitenz militärischer Truppen in der Grafschaft Limburg 1633–1636. In: Dietrich Thier (Hrsg.): Das Amt Wetter im Dreißigjährigen Krieg. Wetter 1998, S. 135–146.
- Stephanie Marra: Gräfin Johannetta Elisabeth von Bentheim (1592–1654). Witwenherrschaft und Vormundschaftsregierung im Dreißigjährigen Krieg. In: Martina Schattkowsky (Hrsg.): Witwenschaft in der Frühen Neuzeit. Fürstliche und adlige Witwen zwischen Fremd- und Selbstbestimmung. Leipzig 2003 [= Schriften zur Sächsischen Geschichte und Volkskunde 6], S. 227–248.
- Stephanie Marra: Verzeichnuß von etliche Kleider Undt gezeugh. Die Inventare des Grafen Conrad Gumprecht zu Bentheim-Tecklenburg 1609/10. In: Hagener Jahrbuch. 3. 1998, S. 182–190.
- Hartmut Platte: Rheda, Hohenlimburg, Tecklenburg. Vergangenheit und Gegenwart der Fürsten zu Bentheim-Tecklenburg. Deutsche Fürstenhäuser, Heft 2. Werl 2000.
- Rudolf Rübel: Graf Arnold von Bentheim-Steinfurt (1554–1608). In: Westfälische Lebensbilder 9, Münster 1962, S. 18–33.
- Hermann Schaub: Die Herrschaft Rheda und ihre Residenzstadt. Von den Anfängen bis zum Ende des Alten Reiches. Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2006, ISBN 978-38953-461-01.
- Peter Veddeler: Das Testament des Grafen Arnold von Bentheim vom Jahre 1591. In: Das Bentheimer Land 76 (1973), S. 71–88.
- Moritz von Bentheim-Tecklenburg-Rheda: Sagen und Bilder, Dichtungen. Stahel, Würzburg 1853 (Digitalisat).
- Moritz von Bentheim-Tecklenburg-Rheda: Dichtungen, Stuber, Würzburg 1866 (Digitalisat)
Film
- Dynastien in NRW – Die Fürsten zu Bentheim-Tecklenburg. WDR - Reportage von Jobst Knigge (45 Min.), Ausstrahlung 3. Januar 2010.[5]
- Der deutsche Adel – Von Fürsten, Schlössern und Manieren. ZDFzeit - Dokumentation © 2012.[6]
Printmedien
- Adel in Deutschland – Die neue Macht eines alten Standes. Stern (Zeitschrift) Nr. 48, Ausgabe 22. November 2012, Seite 68–81.
Weblinks
Einzelnachweise
- Gothaisches Genealogisches Handbuch, Fürstl. Häuser 2018 (GGH 7) Deutsches Adelsarchiv, Marburg 2018, ISBN 978-3-9817243-6-3, Seite 201
- Personalia Who's who in der Deutschen Burgenvereinigung. Abgerufen 29. November 2019.
- Einen umfassenden Überblick zur Geschichte des Wappens bietet: Peter Veddeler: Die „Bentheimer Pfennige“. Das Wappen der westfälischen Grafen von Bentheim. In: Westfalen – Hefte für Geschichte, Kunst und Volkskunde. Band 89. Aschendorff Verlag, 2011, ISSN 0043-4337, S. 105–183.
- Hans-Joachim Böckenholt: Schloß und Herrschaft Rheda. Rhode Druck und Verlag, 1. Auflage, Harsewinkel (Marienfeld) 1979, S. 31
- Dynastien in NRW – Die Fürsten zu Bentheim-Tecklenburg Tagesschau24, abgerufen 3. Dezember 2019.
- (Neue Doku!) Der deutsche Adel (2) Von Fürsten, Schlössern und Manieren Phoenix - Doku auf YouTube, 6. März 2017.