Belagerung bei Pirna
Die Belagerung Pirnas mit der Auflösung der sächsischen Armee gab den Startschuss für den Siebenjährigen Krieg, der anschließend zwar ohne das Kurfürstentum Sachsen, aber doch oft auf seinem Gebiet stattfand.
Vorgeschichte
Am 29. August 1756 überschritten kurz nach Mittag preußische Truppen in drei Kolonnen die sächsische Grenze. Die sächsische Generalität hatte schon Wochen vorher den Plan gefasst, ihre Armee in zwei Lagern bei Meißen und Pirna unterzubringen. Während die Preußen noch vorgaben, die Truppen würden nach Böhmen durchmarschieren, ließ Brühl das Heer in das Lager bei Pirna verlegen. So fanden die Preußen die meisten Städte ohne Garnison, da diese sich kurz vorher noch retten konnten.
Die Soldaten sollten genug Nahrung für zwei Wochen einpacken. Geplant war, dass sie am 2. September in das Lager bei Pirna einrücken und am folgenden Tag weiter nach Österreich marschieren sollten, um sich mit den österreichischen Truppen des Generals Browne zu vereinigen. Doch die österreichische Kaiserin Maria Theresia zögerte, da sie eine offene Kriegserklärung Preußens befürchtete. Der Kurfürst begab sich auf die Festung Königstein. Seine Familie blieb in Dresden.
Belagerung
Am 2. September wurde beschlossen, länger im Lager bei Pirna zu verweilen. Deshalb wurden ab dem 3. September die Rationen gleichermaßen für Menschen wie für Tiere gekürzt.
Bis zum 10. September hatten die preußischen Truppen den Belagerungsring geschlossen. Hierzu wurde von ihnen auch eine Pontonbrücke bei Heidenau, flussabwärts von Pirna und Schandau geschlagen. Zusätzlich besetzten je zwei Eskadronen der Preußen die Orte Zehista und Hellendorf, um den Nollendorfer Pass über das Osterzgebirge nach Böhmen zu kontrollieren und Kuriere abzufangen.
Trotz der Belagerung akzeptierte man aber die Stellung des sächsischen Kurfürsten, sodass Nahrungsmittel und Kuriere zu ihm durchgelassen wurden und er weiterhin standesgemäß agieren konnte.
Ausbruchsversuch
Bis zum 11. Oktober blieben die Sachsen in ihrem Lager, es kam lediglich zu harmlosen Vorpostengefechten. Mittlerweile waren die Österreicher nach Mittelndorf vorgedrungen, wo man den Ausfall der Sachsen erwartete, der am 12. Oktober erfolgen sollte. Der Termin wurde mehrmals verschoben, da es problematisch war, die Pontons zu transportieren. Nachweisbar sind starke Regenfälle vom 11. Oktober bis 13. Oktober. So berichtet ein Augenzeuge: „zwei und siebzig Stunden, wovon es 48 unaufhörlich regnete, hatten wir ohne Brot und Lebensmittel unter freiem Himmel und dem Gewehre zugebracht. Wenigen blieb andere Speise übrig, als die Wurzeln längst verzehrter Früchte, gekochter Puder mit Pulver gesalzen, war eine Labung und Holz das Futter der Pferde.“ Die Pontons konnten von den völlig entkräfteten Pferden nur mühsam fortbewegt werden, rissen den aufgeweichten Boden auf und kamen erst verspätet in Thürmsdorf an. Die Pontoniere und Ingenieure der sächsischen Armee bauten die Brücke direkt an der Mündung des Tales bei Thürmsdorf auf.
Am Morgen des 12. Oktober begannen die Sachsen in zwei Kolonnen mit dem Abmarsch zur Brücke. Ziel war es, die preußischen Stellungen auf der Ebenheit am Lilienstein zu durchbrechen, sich den von Pirna aus nachrückenden Preußen in den Weg zu stellen und auf die Vereinigung mit den Österreichern zu warten. Der Abmarsch wurde aber wenige Stunden nach dem Aufbrechen der Sachsen von preußischen Patrouillen bemerkt, sodass 12 Bataillone der Preußen von Langenhennersdorf aus mit der Verfolgung begannen. Die von Soldaten gezogenen Geschütze der Sachsen rissen den restlichen Weg auf. Einige mussten zurückgelassen werden. Bis zu den frühen Morgenstunden gelang es nur, 200 Grenadiere und neun leichte Feldgeschütze über die Elbe überzusetzen. Diese konnten sich erfolgreich gegen kleinere preußische Einheiten verteidigen.
Am Morgen des 13. Oktober hatten schließlich 7 Bataillone Grenadiere übersetzen können, wobei auch die preußischen Verschanzungen schon um 12 Bataillone verstärkt waren. Am Abend schließlich fiel die Brücke. Bis dahin war es noch zwei Staffeln Infanterie, vier Brigaden Kavallerie und zwei weiteren Brigaden Infanterie der Sachsen gelungen, die Elbe zu überqueren. Der Rest des Heeres verblieb auf der linken Elbseite.
Kapitulation der Sachsen und Eingliederung in preußische Reihen
Der sächsische Kurfürst Friedrich August II. gestattete seinem Heer unter Feldmarschall Friedrich August Rutowski, sich am 16. Oktober zu ergeben. Bedingung war danach „die Waffen nicht wider Uns und Unsere Freunde zu führen.“
In den folgenden Tagen wurden entgegen den Kapitulationsvereinbarungen die sächsischen Truppen auf Preußen vereidigt und in die preußischen Linien eingegliedert. Von den 658 Offizieren ließen sich aber nur 51 „labile Elemente“ zum Übertritt bewegen, der Rest ging in die Gefangenschaft. Die Mannschaften und Unteroffiziere mussten sich auf ein offenes Feld begeben und wurden von preußischen Truppen umstellt. Dort hatten sie den Eid auf Preußen zu schwören. Einheiten, die sich weigerten, wurden misshandelt und erhielten keine Nahrung. 14.000 sächsische Soldaten kamen so, zumindest zeitweise, in preußische Dienste. Die meisten dieser Regimenter wurden aber 1757 wieder aufgelöst. Die sächsischen Soldaten desertierten zudem in großer Zahl und sammelten sich in neuen Regimentern, welche unter österreichischer Führung dann gegen Preußen kämpften.[3]
Literatur
- Relation von dem Schicksaal der Königl. Chur-Sächß. Armee aus ihrem Lager bey Pirna, Franckfurt/Leipzig 1757 (Digitalisat)
- Königlich-Polnisch-Kurfürstlich-Sächsischer Kriegsrat: Capitulation der Chur-Sächsischen Armée, Anno 1756. : Nebst andern darzu dienenden Schriften (vermutlich 1756) (Digitalisat)
- Johann Wilhelm von Archenholz: Geschichte des Siebenjährigen Krieges in Deutschland. Karlsruhe 1791 (Digitalisat der Ausgabe Berlin 1828)
- Hans Bleckwenn: Die friderizianischen Uniformen 1753–1786; 4 Bände; Hardenberg, Dortmund 1984; Band I: ISBN 3-88379-444-9.
- Dietmar Bode: Dresden und seine Umgebung in den schlesischen Kriegen. Dresden 1992.
- Olaf Groehler: Die Kriege Friedrichs II. 3. Aufl. Militärverlag der DDR: Berlin 1983.
- Curt Jany: Geschichte der Preußischen Armee vom 15.Jahrhundert bis 1914. Band 2, Biblio Verlag, Berlin 1928–1933 – kommentierter Neudruck Osnabrück 1967. S. 370ff.
- Hugo Jensch: Aus der Geschichte des Kreises Pirna. Pirna 1988.
- Marcus von Salisch: Treue Deserteure: Das kursächsische Militär und der Siebenjährige Krieg, München 2009.
- Marcus von Salisch: Zwei "unerhörte Exempel". Die Kapitulationen von Pirna 1756 und Maxen 1759 im Vergleich, in: Neues Archiv für sächsische Geschichte 84 (2013), S. 97–132.
Weblinks
- Geschichte von Pirna: Der Siebenjährige Krieg im Kreisgebiet von Pirna
Einzelnachweise
- Von Salisch: Treue Deserteure. S. 74.
- Von Salisch: Treue Deserteure. S. 110.
- Die sächsischen Truppen galten für Preußen als Deserteure und sollten, um harten Strafen bei Gefangennahme zu entgehen, nicht gegen Preußen kämpfen. Zur missglückten Eingliederung der Sachsen in die preußische Armee vgl. ausführlich Jany 1967: 370ff. Die preußenfreundliche Geschichtsschreibung war über den sächsischen Widerstand erstaunt: „Die unglückliche sächsische Armee verschwendete ihre bewundernswerte Treue an desolate Verhältnisse, […].“ Bleckwenn 1984: Bd. IV, S. 74.