Baltringer Haufen

Der Baltringer Haufen w​ar ein Zusammenschluss v​on Bauern u​nd Handwerkern i​m Bauernkrieg v​on 1524/25 u​nd eine Untergruppe d​er Christlichen Vereinigung. Mit Haufen o​der Haufe w​urde in d​er frühen Neuzeit e​ine schwach organisierte militärische Truppe bezeichnet. Baltringen l​iegt etwa 20 Kilometer südlich v​on Ulm i​m Landkreis Biberach i​n Oberschwaben.

Siegel des Baltringer Haufens: Eine Pflugschar mit den Initialen DWGBIE = Das Wort Gottes bleibt in Ewigkeit (Jesaja 40,8b)

Entstehung des Baltringer Haufens

Nach Darstellung e​iner Zeitzeugin saßen a​n Heiligabend d​es Jahres 1524 erstmals Bauern i​n einem Wirtshaus i​n Baltringen beisammen u​nd berieten, „wie s​ie ire Sachen wellent anfahen“.
Von d​a an k​am es regelmäßig z​u Treffen. Während s​ich in anderen Regionen d​ie Bauern b​ei Jahrmärkten sammelten u​nd besprachen, w​ar es i​n Baltringen d​ie Fasnacht, d​ie konspirativen Treffen dienlich war: Die Bauern seien, heißt e​s in e​iner Quelle, v​on einem Dorf z​um anderen gezogen, s​ie hätten i​n geselliger Runde miteinander gegessen u​nd getrunken. Immer donnerstags trafen s​ich die Bauern i​m Baltringer Ried, n​ach einer Quelle b​is zu 30.000 Personen. Zu i​hrem Sprecher wählten s​ie Ulrich Schmied, v​on Beruf Schmied a​us Sulmingen stammend. Als „ein frommer, gutherziger, redekundiger, weiser Mann“ w​ird er v​on einer Zeitgenossin beschrieben.

Die Forderungen der Bauern

Denkmal für Ulrich Schmid in Sulmingen, Gemeinde Maselheim

Die Zusammenkünfte der Bauern haben sich rasch bei der Obrigkeit herumgesprochen, und Vertreter des Schwäbischen Bundes nahmen Kontakt mit dem Baltringer Haufen auf. Im Schwäbischen Bund waren die geistlichen und weltlichen Fürsten, Adeligen und Reichsstädte zusammengeschlossen. Während die Vertreter der Reichsstädte für Verhandlungen eintraten und zu vermitteln suchten, plädierten die Fürsten für eine Strategie der Gewalt. Verhandlungspartner des Baltringer Haufens war der Ulmer Bürgermeister Neidhardt. Er forderte die im Baltringer Ried versammelten Bauern auf, ihre Beschwerden niederzuschreiben. Mitte Februar 1525 übergaben die Bauern mehr als 300 Beschwerdeschriften, jede steht für ein Dorf.
Die Baltringer beklagten in ihrer Beschwerdeschrift an erster Stelle die Leibeigenschaft. Es folgte die Bitte um Minderung von Zins und Gült, dann um Abschaffung der Abgaben bei Hofübergabe. Des Weiteren hofften sie, künftig nicht mehr mit Frondiensten belastet zu werden, sowie das Holz aus den Wäldern für ihre Zwecke nutzen zu können. Den Kleinzehnten lehnten die Bauern ab, sie erklärten sich hingegen dazu bereit, den Großzehnten für den Unterhalt des Pfarrers zu geben. Schließlich begehrten sie mehr Rechtssicherheit im Alltag.
Um die Forderungen zu rechtfertigen, beriefen sich die Bauern auf das göttliche Recht. Mit dem göttlichen Recht bot sich eine völlig neue Rechtsnorm an: Die politische Ordnung muss sich am göttlichen Willen, der in der Heiligen Schrift offenbart ist, messen lassen. Damit ist das alte Recht in Frage gestellt. Ulrich Schmid lehnte konsequent den Rechtsweg über das Reichskammergericht zur Klärung der Streitfragen ab.

Verhandlungen mit dem Schwäbischen Bund

Der Sprecher d​er Baltringer schlug vor, gelehrte Männer sollten a​us ihrer Bibelkenntnis heraus entscheiden, w​as göttliches Recht sei. „Das g​aben die Vertreter d​er Herren bereitwillig zu“, heißt e​s im Quellentext über d​ie Reaktion d​es Schwäbischen Bundes, s​ie wollten selber z​u Gott beten, d​amit die Wahl dieser gelehrten Männer gelinge. In dieser Sache, hoffte Ulrich Schmid, w​erde ihm i​n Memmingen geholfen, u​nd er b​egab sich i​n die 40 Kilometer v​on Baltringen entfernte Stadt. An d​ie Seite v​on Ulrich Schmid t​rat eine weitere Person, d​ie die Rolle d​es Schreibers d​es Baltringer Haufens übernahm: d​er Kürschnergeselle Sebastian Lotzer.

Bildung der Christlichen Vereinigung

Auf Initiative von Lotzer und Schmid kamen Vertreter des Allgäuer und des (Boden-)Seehaufens, die sich in der Zwischenzeit gebildet hatten, nach Memmingen. Der Zusammenschluss der oberschwäbischen Bauernhaufen bezeichnete sich als Christliche Vereinigung. Die Gründung wurde dem Schwäbischen Bund in einem höflichen Schreiben mitgeteilt, in dem die im Bündnis Vereinigten versicherten, dass sie keine Gewalt anwenden wollten und den Bund baten, ebenfalls keine Gewalt zu gebrauchen.
Vermutlich unter Mitwirkung des Memminger Predigers Christoph Schappeler erarbeiteten sie aus den Baltringer Beschwerdeschriften die bekannteste Schrift des Bauernkriegs, die Zwölf Artikel. In ihnen wurde das Göttliche Recht mit den Forderungen verwoben. Aus der Feder des Schreibers des Baltringer Haufens entstammt auch die Bundesordnung (7. März), der Verfassungsentwurf der Christlichen Vereinigung. Der Bundesordnung ist eine Liste mit den Namen der Männer angeschlossen, die entscheiden sollten, was göttliches Recht sei. In diese Liste wurden die bekanntesten Reformatoren wie Luther, Melanchthon oder Zwingli aufgenommen, vom Schwäbischen Bund jedoch abgelehnt. Die Auseinandersetzung um diese Richterliste scheint der einzige Verhandlungsgegenstand zwischen den Vertretern der Bauern und des Schwäbischen Bundes gewesen zu sein. Nach Ablehnung der dritten Richterliste machten die Bürgermeister der freien Reichsstädte Ravensburg und Kempten einen Vermittlungsvorschlag: Obrigkeit und Untertanen eines jeden Haufens sollten jeweils zwei Schlichter und einen gemeinsamen Obmann benennen, dieses Gremium sollte ein verbindliches Urteil sprechen. Dies muss als Versuch gewertet werden, die Bauern von ihrer bisherigen Position der Orientierung am Göttlichen Recht abzubringen. Die Basis lehnte diesen Vorschlag als nicht annehmbar ab.

Der Schwäbische Bund marschiert

Ende März 1525 beendete der Schwäbische Bund seinen Kriegszug gegen Herzog Ulrich von Württemberg. Danach trafen die ersten Reiter in Oberschwaben ein. Drei Tage nachdem die Soldaten erschienen, beklagten sich die Baltringer bereits in einem Schreiben (25. März), weil es Überfälle durch Truppen des Schwäbischen Bundes auf Dörfer gegeben habe. Sie betonten nochmals, sie wollten nichts anderes als das Göttliche Recht.
Am 26. März stürmten die Bauern das Schloss des Salemer Abtes im nahe gelegenen Schemmerberg. In den Tagen darauf wurde Schloss Laupheim geplündert und die Klöster Ochsenhausen, Marchtal, Wiblingen, Heggbach und Gutenzell zum Anschluss genötigt. Gleichzeitig setzten seitens der oberschwäbischen Reichsstädte, voran Memmingen, hektische diplomatische Bemühungen ein, die militärische Konfrontation zu vermeiden. Mehrere Versammlungen der Städtevertreter fanden in Memmingen statt. Sie appellierten in eindringlichen Schreiben sowohl an den Schwäbischen Bund als auch an den Baltringer Haufen, von Tätlichkeiten abzusehen. Die Antwort des Schwäbischen Bundes: Er habe mit dem Kampf bereits begonnen, nachdem die Bauern den Waffenstillstand gebrochen hätten. Die militärisch und zahlenmäßig unterlegenen Bauern aus dem Leipheimer Raum wurden niedergemetzelt, ohne dass es eigentliche Kampfhandlungen gab. Noch vor dem Eintreffen der Truppen in Baltringen sandten die hiesigen Bauern ein Kapitulations-Schreiben an den Bund.

Das Ende des Baltringer Haufens

Mit dem Beginn der Kampfhandlungen der Truppen des Schwäbischen Bundes unter dem Kommando von Georg III. Truchsess von Waldburg-Zeil zersplitterte sich der Baltringer Haufen und löste sich schließlich auf. Einen Kampf gegen den Seehaufen wagte der Truchsess nicht, und es kam zum Weingartener Vertrag mit dem Allgäuer- und Seehaufen. Eine nachträgliche Übernahme des Weingartener Vertrags auch für den Baltringer Haufen lehnte der Schwäbische Bund ab.
Nach der militärischen Niederlage mussten die Bauern erneut den Treueeid schwören und eine Welle von Schadensersatzforderungen kam auf sie zu. Besonders hart wurden die Baltringer Bauern bestraft. Zwar wurde das Dorf nicht, wie vom Schwäbischen Bund befohlen, niedergebrannt. Doch mussten sie das Doppelte an Strafgeld bezahlen. Ulrich Schmid, Sebastian Lotzer und Christoph Schappeler konnten ihr Leben durch die Flucht in die Schweiz retten.
Spuren hat der Aufstand der Bauern trotz der militärischen Niederlage hinterlassen. Die Obrigkeit hatte Angst vor einem neuen Aufstand. Es ist nachgewiesen, dass sich aufgrund des Weingartener Vertrages die rechtliche und wirtschaftliche Lage der Bauern verbesserte. Vor allem besserten sich die Bedingungen der Leibeigenschaft, sie wurde schrittweise abgebaut.

Bewertung

Der Baltringer Haufen hat den Bauernkrieg in Oberschwaben und darüber hinaus wesentlich beeinflusst. Er konnte sich mit seiner Forderung der Gewaltlosigkeit und der Orientierung am Göttlichen Recht gegenüber den verbündeten Haufen durchsetzen. Die Baltringer regten den Zusammenschluss mit dem Allgäuer- und Bodenseehaufen zur Christlichen Vereinigung an. Die Zwölf Artikel und die Bundesordnung lassen die Handschrift der Baltringer erkennen. Die Zwölf Artikel sind in 25 Auflagen erschienen,[1] sie wurden zur wichtigsten Programmschrift des Bauernkrieges in Deutschland. Zum Ausdruck kommt in beiden Texten wie in der Landesordnung der Wille nach einer revolutionären Umgestaltung und dem Ende des Feudalsystems.
Die Bauern forderten unter Berufung auf Gottes Wort die Freiheit, entwarfen in der Bundesordnung eine eigene Verfassung und wählten ihre Vertreter demokratisch: Erste Gehversuche in Richtung Menschenrechte und republikanischen Staat. Als Muster diente wohl die schweizerische Eidgenossenschaft.
Gescheitert ist die Revolution durch die militärische Niederlage. Das Beistandsbündnis des Baltringer-, Allgäuer- und Bodenseehaufens hat im Moment des Erscheinens der Truppen des Schwäbischen Bundes nicht funktioniert. Der Baltringer Haufen setzte bis zum Eintreffen der Truppen auf Gewaltlosigkeit, er war auf einen militärischen Konflikt nicht vorbereitet.

Erinnerungskultur

Das 1984 eröffnete Bauernkriegsmuseum i​n Baltringen, Gemeinde Mietingen, befasst s​ich mit d​em Baltringer Haufen a​ls der „frühesten demokratisch-republikanischen Bewegung i​n Deutschland“ u​nd trägt s​eit 2000 d​en Namen Erinnerungsstätte Baltringer Haufen – Bauernkrieg i​n Oberschwaben.

In Sulmingen, Gemeinde Maselheim, w​urde Ulrich Schmid e​in Denkmal errichtet.

Literatur

  • Elmar L. Kuhn (Hrsg.): Der Bauernkrieg in Oberschwaben. Bibliotheca-Academica-Verlag, Tübingen 2000, ISBN 3-928471-28-7.
  • Peter Blickle: Die Revolution von 1525. 4. durchgesehene und bibliografisch erweiterte Auflage. Oldenbourg, München 2004, ISBN 3-486-44264-3.
  • Franz Liesch: Der Baltringer Haufen. In: Geschichte lernen. 55, Januar 1997, ISSN 0933-3096, S. 20–27.

Einzelnachweise

  1. Peter Blickle, Die Revolution von 1525 (3. erw. Aufl., München 1993), 24.
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